Der Tesla M3 ist mittlerweile beliebter als der Golf. Er bereitet Fahrfreude. Und Unbehagen

Unterwegs mit dem Musk-Mobil

d'Lëtzebuerger Land du 24.01.2025

Seit eineinhalb Jahren besitzt die Philosophin Nora Schleich ihren Toni. Toni – das ist der Spitzname ihres Tesla M3. Der Tesla ihres Freundes heißt „Tessi“. So nennen viele Tesla-Fahrer ihr Auto. Wir fahren an diesem Montag durch Ettelbrück. Auf dem Splitscreen sind in Grautönen modellhaft die anderen Verkehrsteilnehmer abgebildet. Die Mittagsstunde ist überschritten, draußen hängt noch Reif an den Bäumen, das Thermometer zeigt Minusgrade an, der Himmel ist klar. „Ich bereue es nicht, mir einen Tesla gekauft zu haben. Es macht Spaß, ihn zu fahren. Er macht keinen Lärm“, sagt die Philosophin. Freunde würden sich gelegentlich über ihr Auto lustig machen: „Haha, da kommt das Musk-Mobil.“ Elon Musk sei eine dubiose Figur, in seiner Person konzentrierten sich Macht und Geld in einem Ausmaß, das weitreichende Abhängigkeiten schaffe. Das schüre Angst. Musk sei kein Demokrat. Aber als Vielfahrerin lohne sich für sie ein Elektroauto – es sei ökologisch und, falls man eine eigene Ladestation besitzt, günstig. Ihre App zeigt fürs Jahr 2024 ein Ladepensum von 5 000 Kilowattstunden an, für das sie etwas mehr als 1 000 Euro zahlte – bei einem Dieselantrieb wäre das Dreifache angefallen. Im Sommer lade sie über ihre Photovoltaikanlage umsonst.

Diese Einsparbilanz wird sich dieses Jahr jedoch nicht wiederholen, denn die Strompreise steigen: Ladesäulen-Strom aus dem Chargy-Netz kostet nun nicht mehr 0,35 Euro, sondern 0,49 Euro. Der Strom aus der eigenen Wallbox steigt ebenfalls um fast 30 Prozent. Somit schrumpft der Preisvorteil gegenüber Diesel und Benzin. Ein ungutes Signal für den Beginn des Autofestivals: Schwankende und steigende Strompreise erschweren Kaufentscheidungen. Dennoch sind Elektroautos im Kommen. Vor zehn Jahren machten sie nur 0,1 Prozent des Fuhrparks aus. Letztes Jahr aber waren 27 Prozent aller hiesigen Neuzulassungen Elektroautos; Benzin besitzt mit 29 Prozent einen leichten Vorsprung, und Dieselmotoren befinden sich seit 2016 im freien Fall.

Philippe Mersch sagte während der jährlich stattfindenden Pressekonferenz im Rahmen des Autofestivals Mitte Januar, der Wandel der Antriebe hin zum Elektro finde statt. „Nur wie schnell er voranschreiten wird, ist nicht klar, denn vieles hängt von staatlichen Beihilfen ab.“ Diese wurden leicht gekürzt, sind aber immer noch hoch. Seit Oktober 2024 liegen sie bei etwa 6 000 Euro. Der Automobilmarkt erlebe seit einigen Jahren ungewisse Zeiten; die Inflation und geopolitische Krisen spielen hierbei eine Rolle. Auch der Leasing-Markt sei im Wandel – auf Unternehmensebene schrumpft er, als Modell für Privatkäufer gewinnt er hinzu. Vor ein paar Monaten wurden luxemburgische Unternehmen zudem von den saarländischen Justizbehörden kontaktiert: Sie fordern die Rückerstattung der Mehrwertsteuer auf Leasingfahrzeuge, wie Paperjam Mitte Januar schrieb. Die Rückerstattung könnte für alle Fahrzeuge anfallen, bei denen der Arbeitnehmer sich zwischen 2013 und 2021 finanziell beteiligte.

In der Ausfahrt von Oberfeulen Richtung Fuussekaul beschleunigt Nora Schleich. Die Kraft des Elektroantriebs drückt kurz in den Bauchraum, wie bei einem abhebenden Flugzeug. Man versteht nun, warum Tesla-Fahrer ihre Fahrfreude betonen. „Ich habe keine Angst, beim Überholen nicht schnell genug vom Fleck zu kommen“, kommentiert Schleich. Überhaupt fühle man sich in einem Tesla sicher: Mit seinen Sensoren checkt er seine Umgebung und Unfallgefahren ständig ab. Wird das Auto abgestellt, kann es über einen sogenannten Wächtermodus seine Umgebung filmen – und so auch Personen, die Kratzer am Wagen hinterlassen. Springt ein Reh vors Tesla, liefert das Auto Beweisfotos für die Versicherung. Unterwegs zeigt sie uns ein paar Gimmicks: Kurz fahren wir als Weihnachtsmann simuliert durch das Ösling. Die anderen Verkehrsteilnehmer wandeln sich in Rentiere. Will man es gemütlich und intim, kann man auf Camping klicken – ein Lagerfeuer leuchtet auf dem Screen auf. Klickt man auf die Funktion Multi-Planetary-Species, wird das Tesla auf den Mars transferiert. Seit Kindertagen ist es Elon Musks Traum, auf den Mars zu reisen. Donald Trump, den Musk seit letztem Jahr mit bisher 270 Millionen Dollar unterstützt hat und dem er nahesteht, verkündete am Montag während seiner Amtseinführung, unter seiner Amtszeit werde man eine bemannte Rakete auf den Mars schicken. Unter anderem die Mars-Simulation, die Teslas bereithalten, wirft die Frage auf, wie viel Musk im Tesla steckt. Musk ist Aufsichtsratsvorsitzender und Geschäftsführender Direktor von Tesla und besitzt 12 Prozent der Aktienanteile des Unternehmens.

Diese Frage stellt sich auch Jean Asselborn (LSAP). „Leider“ besitze er noch seinen Tesla, antwortet der ehemalige Außenminister, als er an Silvester im RTL-Radio gefragt wurde, ob er noch ein Musk-Mobil fahre. Er müsse immer „un dee Musk do denken“, wenn er in sein Auto einsteige, wolle aber – wie Nora Schleich – den Tesla nicht mit Musk gleichsetzen: Er denke während seiner Teslafahrten auch an die europäischen Arbeiter, die ihn in Brandenburg zusammengebaut haben. Einige Privatbesitzer teilen ihren Dissens an der Heckklappe ihres Autos mit und drucken sich Aufkleber: „I bought this before Elon went crazy.“ Marc Sales, Mitglied der Direktion der Sales-Lentz-Gesellschaft, seinerseits ist „froh, keinen Tesla mehr zu besitzen und Musk nicht länger zu unterstützen“. Er verkaufte ihn letztes Jahr. Als er ihn 2017 über das Internet bestellte, war er in Luxemburg erst der zweite Tesla-Besitzer. Die Marke entdeckte er während eines Aufenthalts in den USA. Als jemand, der sich für Mobilitätsinnovationen interessiert, wurde er dort auf das E-Auto aufmerksam, machte eine Probefahrt und war überrascht: „Das Auto fährt sich gut.“ Heute fährt er wieder einen BMW mit Elektroantrieb, wie schon zuvor.

Mittlerweile kehren auch erste Unternehmen dem US-Hersteller den Rücken. Aus Protest gegen Musks Nähe zu Trump verkündete die Drogeriekette Rossmann, keine weiteren Teslas zu kaufen. Die 34 Teslas im Besitz des Rossmann-Fuhrparks wolle man aber behalten. Mobiz, der Verband der Leasing-Gesellschaften, konnte keinen Fall nennen, bei dem sich Unternehmen von Tesla lossagten. „Wir stellen nur fest, dass Tesla den E-Mobilitätsmarkt vor acht Jahren dominierte. Heute ist das anders – heute steigt die Nachfrage nach E-Modellen von BMW, Renault und BYD“, erläutert der Präsident von Mobiz, Dominique Roger. In der Rangliste der neuzugelassenen Modelle liegt das Tesla M3 hierzulande sogar vor dem Golf, jedoch hinter dem BMW X1. 949 Personen haben sich für den M3 entschieden. Die Markenstatistik von 2024 enthält hingegen keine Überraschung: Seit Jahren steht VW – weltweit zweitgrößter Autohersteller hinter Toyota – in Luxemburg an der Spitze. Gefolgt von BMW und Mercedes.

Technische Gründe für einen Tesla gibt es viele: Im Vergleich zu europäischen Modellen besitzt die Marke eine bessere Software, eine größere Batterie-Autonomie und Effizienz sowie ein gut bedienbares Display. Hinzu kommt, dass die Autos zumeist mit grünem Strom produziert werden und Garantievorteile bieten. Ingenieur Musk versprach in seinen Werkhallen immer wieder, er werde den Wandel hin zu nachhaltiger Energie beschleunigen. Neben Elektroautos produziert Tesla zudem Photovoltaikanlagen. Sein Biograf Walter Isaacson hat um das Jahr 2020 „einen Mann erlebt, der von der Dringlichkeit angetrieben wurde, die Energieversorgung auf diesem Planeten mit Solar- und Batterieanlagen sicherstellen zu müssen“. Er sei „fest davon überzeugt, dass er von seinem Glauben an diese Missionen angetrieben wird.‘ Seit Frühjahr 2024 unterstützt Musk jedoch Trump, der E-Autos als „Irrsinn“ abtut. Am Dienstag unternahm Trump erste Schritte, um staatliche Beihilfen bei der Produktion von erneuerbaren Energien, Elektroautos und Batterien zu stoppen. Musk ist „weird“, kommentiert Nora Schleich das widersprüchliche Verhalten des Ingenieurs. Isaacson sagt, Musk „ringt mit multiplen Persönlichkeiten, die er in sich trägt“.

Die Entwicklung und Bezuschussung der E-Mobilität verläuft in Europa ebenfalls nicht gradlinig. In Deutschland hat die Ampelregierung Ende 2023 die Umweltprämie für E-Autos gestoppt. Die Auswirkung ist drastisch: Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) teilte vor einer Woche mit, dass die Neuzulassungen für reine Elektro-Pkws letztes Jahr um ein Viertel geringer ausfielen als 2023. In Frankreich liegt ihr Marktanteil höher, 17 Prozent aller neu gekauften Fahrzeuge waren 2024 vollelektrisch, ist aber im Vergleich zu den Vorjahren gesunken. Zugleich sind die E-Kleinwagen erschwinglicher geworden: Einen Dacia Spring kann man ab 18 000 Euro erwerben, einen Citroën ë-C3 ab 23 000 Euro. Das Ladenetz wurde ebenfalls ausgebaut, 1 310 normale Ladepunkte sind anfahrbar sowie 90 Super-Chargy-DC Stationen. Und in China ist die Herstellung von Batterieantrieben nicht mehr zu bremsen. Letztes Jahr konnten erstmals BYD-Fahrzeuge bestellt werden, die sich mit 235 Erstzulassungen auf hiesige Straßen drängten.

Die grauen, fingerlosen Handschuhe von Nora Schleich halten das Lenkrad – auch jetzt, obwohl die Fahrassistenz eingeschaltet ist. Wir fahren auf der N15 Richtung Oberfeulen. „Würde kein Kontakt zum Lenkrad bestehen, würde das Auto piepsen. So kontrolliert es, ob man noch bei der Sache ist und nicht eingeschlafen ist.“ Dass viele Teslas weiß sind, habe einen Grund: „Für andere Farben fällt ein Kostenaufschlag von etwa 1 000 Euro an.“ Das ist nicht überall so: In den USA ist die Standardfarbe grau, in China schwarz. Tesla sei mehr als ein Fahrzeug, sondern eine mobile Datenquelle, erläutert Nora Schleich. Es sammelt Informationen über den Verkehrsfluss und das Fahrverhalten der Fahrer. Dadurch könnten die Hersteller das autonome Fahren weiterentwickeln und die Software ihrer Autos optimieren. Der US-Hersteller verspricht, die gesammelten Daten anonymisiert zu behandeln. Doch Elon Musk macht keinen Hehl aus seinem Nihilismus und hat X zu einem Propaganda-Sprachrohr für libertäre und rechtsradikale Ideen umgebaut. Ob diesen Angaben auch in Zukunft zu vertrauen ist, steht auf einem anderen Blatt.

Nora Schleich fährt in Ettelbrück an einen Bürgersteig, wir verabschieden uns. Es sind noch vier Stunden, bevor Elon Musk während Trumps Amtseinführung den Nazigruß macht. Am Tag danach machen sich Social-Media-User über den Tesla lustig: „I can’t wait to see Tesla Model SS“ oder auch, dass Teslafahrer „on the far right“ fahren würden. Vor Redaktionsschluss fragen wir bei der Philosophin nach, was sie darüber denkt. „Musk symbolisiert die Zeit, in der wir leben – viel Auftritt und wenig Substanz“, kommentiert sie. Und wie wird gerade über Tesla-Autos in Online-Foren diskutiert? „Di eng kafen elo sécher keen Tesla méi, déi aner awer och ‚grad elo‘“.

Stéphanie Majerus
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