Es passiert etwas in Belval Plaza, so viel steht fest. Offen ist hingegen noch, was am Ende dabei herauskommt. Denn während wiederum Geschäfte schließen, neue Gerichtsverfahren angestrengt werden, die finanzielle Lage der Eigentümerfirmen prekär ist, wollen die Betreiber eine positive Entwicklung feststellen. Mitte Mai, eine Woche bevor in die Erweiterung der Bartringer Belle Etoile mit 35 neuen Geschäften bis in die Nacht hinein gefeiert wurde, hängt die Firmenleitung des Bekleidungsgeschäfts Four Tools in Belval Plaza folgende Nachricht im Schaufenster aus: „Chers clients, après 43 mois de patience sur le site de Belval, nous préférons consacrer notre énergie et notre passion du commerce à d’autres projets déjà bien avancés dans notre Grande Région. (...).“ „Wir mussten leider schließen“, sagt Geschäftsführerin Christiane Wickler. Es sei keine leichte Entscheidung gewesen, aber man müsse überlegen, „wie weit ich gehen kann, ohne die Verluste zu sozialisieren“ oder ohne die anderen Geschäfte ihrer Firmengruppe in Gefahr zu bringen. Auch Innenausstatter Zaco Loft, der das von MPK verlassene Geschäftslokal in Belval Plaza bezogen hatte, wird seine Türen am Montag schließen.
Die Geschäftsleute werfen den Besitzern und Betreibern des Einkaufszentrums, den Belval-Plaza-Gesellschaften, eine mangelhafte Führung vor. Ihnen fehle einerseits das Verständnis für den Luxemburger Markt mit seinen kulturellen, beziehungsweise multi-kulturellen Spezifitäten: „Man kann hier nicht einfach mit einem Konzept aus dem Ausland kommen und das hier einsetzen“, so Wickler, die das Pall-Center im belgischen Grenzgebiet führt. Zudem mangele es – die Beschwerde ist so alt wie das Shopping-Zentrum selbst – an einem schlüssigen Marketing-Konzept. „Einen Absatzmarkt muss man animieren mit Sonderangeboten und Werbung, man muss für Sichtbarkeit sorgen.“ Doch um solche Initiativen, so Wickler, hätten die Geschäftsleute beim Management des Zentrums immer betteln müssen. Davon haben sie genug. Fünfzehn von ihnen, darunter Four Tools und Zaco Loft, die zusammen 21 Geschäfte in Belval Plaza betreiben, haben sich zusammengetan und gegen die Belval-Plaza-Firmen, deren Aktionär, die niederländische SNS Bank und die früheren Promoter Multiplan geklagt. Alles in allem fordern sie 16,8 Millionen Schadensersatz ein für die Verluste und Gewinnausfälle, die sie eingefahren haben, seit sie in Belval Plaza eröffnet haben.
Die Liste der Vorwürfe in den Gerichtsunterlagen, die Mitte März eingereicht wurden, ist lang. Die Geschäftsleute werfen den Promotoren und Betreibern vor, weder die Zeitschiene für die Eröffnung der beiden Einkaufszentren Belval Plaza I und Belval Plaza II, noch die Versprechen in puncto Ausstattung der Anlage und zu erwartende Besucherzahlen eingehalten zu haben. Es ist von den Stromausfällen die Rede, von den Rissen in Mauern und Decke der Parkdecks, lärmenden oder nicht funktionierenden Klimaanlagen. Davon dass die Bauarbeiten zur Eröffnung nicht abgeschlossen und weniger als die Hälfte der Geschäftsflächen zur Eröffnung besetzt waren. Dass die Vereinigung von Mietparteien und Besitzern, die sich um die Verwaltung und die Positionierung des Zentrums kümmern soll, erst zwei Jahre nach dessen Eröffnung gegründet wurde. Und davon, dass besagte Association des commerçants schlecht geführt sei, für das Jahr 2011 beispielsweise 500 000 Euro für Löhne und Honorare verbucht wurden, für die es keinen Nachweis gebe. In Bezug auf die Sammelklage der Geschäftsleute teilt SNS, Muttergesellschaft von Belval Paza, auf Nachfrage vom Land mit, die Klage sei unbegründet und man werde diese anfechten. „Wir haben dafür gute Argumente. Darüber hinaus haben einige der Mieter, die Schadensersatz fordern bereits in der Vergangenheit Entschädigungen erhalten und die Forderungen anderer wurde bereits abgewiesen“, teilt SNS mit. Die Bank ihrerseits zögert auch nicht, gerichtliche Verfahren einzuleiten. Zum Beispiel um von den Geschäften, die schließen, die Miete bis zum Ende der Vertragslaufzeit einzufordern.
Die alles andere als rosige Lage in Belval Plaza scheint die politischen Verantwortlichen nicht über die Maße zu beunruhigen. Zumindest nicht offiziell. Etienne Reuter, Präsident von Agora, der Entwicklungsgesellschaft für das Belval-Areal, meint auf Nachfrage, selbstverständlich habe man ein Interesse daran, dass sich die Erwartungen der Investoren erfüllten. Doch die Verantwortung der Entwicklungsgesellschaft sei eine andere als die der Investoren. „Als Investor nimmt man ein immer ein Risiko auf sich, egal wo man investiert“, so Reuter. „Das gleiche gilt für die Mieter in einer Einkaufsgalerie, da muss jeder nach seinem eigenen Geschäft sehen.“ Wenn der Erfolg ausbleibe, müssten sich die Geschäfte auch fragen, ob sie mit dem richtigen Produkt am richtigen Ort seien. Einen Zusammenhang mit der Flaute im Einkaufszentrum und den Verzögerungen bei der Entwicklung des restlichen Areals sieht er nicht. „Ich stelle fest, dass es andere Zentren gibt, deren Lage nicht unbedingt besser ist, die dennoch funktionieren.“ Ein wenig lästig ist die Causa Belval Plaza dann doch. „Wenn es anderswo Streit zwischen den Parteien in einer Mieteigentümerschaft gibt, steht das auch nicht in der Zeitung“, sagt Reuter. Den Erfolg der Belval-Entwicklung sieht er durch die Probleme bei Belval Plaza aber nicht gefährdet. „Belval Plaza ist eine Sache, es gibt auch noch andere.“ Man könne auch die Uni als Kernstück der Belval-Entwicklung sehen. Immerhin würden mittlerweile 3 500 Leute auf der ehemaligen Industriebrache arbeiten, da wo vorher nichts stand. Ähnlich sieht das die Escher Bürgermeisterin Lydia Mutsch. Der Schöffen- und der Gemeinderat glaubten an das Projekt Belval und die Tendenz zeige klar nach oben, teilt sie auf Nachfrage hin mit, zählt das Forschungszentrum, die Adem-Zweigstelle, das Lycée Belval und die staatlichen Verwaltungsgebäude auf, die „einen klaren Impakt“ auf Belval Plaza hätten, noch bevor die Uni komme. „Wir können als Gemeinde als ‚Facilitateur’ aktiv werden und die Promotion des Standorts unterstützen. Alle anderen weiteren Schritte, in unseren Augen auch der verstärkte Kontakt mit den Geschäftsleuten und die Kommunikation liegen in den Händen der Besitzer und Betreiber“, so Mutsch via E-mail. Auch sie zeigt sich in der Presse lieber zur Eröffnung und Einweihung neuer Strukturen als zu deren Schließung: „Es hilft der Sache auch nicht viel, wenn einzelne Geschäftsleute zusammen mit den Medien ihren Frust öffentlich austragen, ohne eine generelle und objektive Aussage zum Gesamtprojekt zu machen.“
Ob man die Probleme bei Belval Plaza aber auf einen Streit zwischen Mietpartien beschränken kann, der in der Öffentlichkeit nichts verloren hat, kann bezweifelt werden. Zum einen weil – auch wenn Etienne Reuter und Lydia Mutsch nun die Uni als zentrales Objekt der Belval-Entwicklung in den Vordergrund stellen – Belval Plaza auf der Hochofenterrasse liegt und damit direkt im Zentrum des Areals. Zum anderen, weil die Vorwürfe der Geschäftsleute darauf hinauslaufen, dass die Betreiber nicht genug in das Zentrum investieren, damit es ordentlich funktioniert und Kunden anzieht. Ob dafür aber überhaupt das Geld vorhanden ist, ist fraglich. Hinzu kommt, dass SNS Anfang Februar verstaatlicht wurde, um sie zu retten. Hinter dem Privatinvestor SNS steht demnach eigentlich das niederländische Finanzministerium unter Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem. Ein Ansprechpartner, falls man auf politischer Ebene einmal nachhaken wollte, wie es um das Engagement von SNS in Belval steht, wäre demnach ausgemacht.
Nachdem die Geschäftsleute Mitte März ihre Klage auf Schadensersatz eingereicht haben, haben die Belval-Plaza-Gesellschaften erstmals seit zwei Jahren Bilanzen veröffentlicht – für 2010. Darin werden Verluste in Millionenhöhe ausgewiesen und hohe Schulden. Weil es an Unterlagen fehlt, weigern sich die Buchprüfer, die Konten abzusegnen. Oft fehlt bei den insgesamt acht Firmen der Überblick darüber, wie viel Mehrwertsteuer noch zu zahlen oder zurückzufordern ist. Mitunter können die Prüfer Ausgaben und die Ausstellung von Rechnungen zwischen den Schwesterfirmen ebenso wenig nachvollziehen, wie den Schätzwert von Immobilien und Grundstücken.Es gibt Differenzen in Schuldbeträgen gegenüber Zulieferern oder der Muttergesellschaft. Deswegen und wegen der nicht nachvollziehbaren Ausgaben über 500 000 Euro in der Mietparteiengemeinschaft für 2011 plant die Besitzerin von Zaco Loft, Muriel Durand, am Montag bei der Staatsanwaltschaft Klage wegen Verdacht auf Geldwäsche einzureichen, in der Hoffnung, dass dann Ermittlungen eingeleitet werden.
Wegen der überholten Bilanzen ist es für die Ladenbetreiber auch schwierig, sich einen Überblick über die finanzielle Lage ihres Vermieters zu verschaffen – um abzuschätzen, was überhaupt an Weiterentwicklung möglich ist. Ende 2010 hatten die Belval-Plaza-Firmen Verluste von 124,7 Millionen Euro angehäuft. Ihre Schulden gegenüber SNS Property Finance, dem Immobilienfinanzierungsarm von SNS Reaal, alleinigem Eigentümer der Gesellschaften, beliefen sich auf über 263 Millionen Euro. So viel hat die Bank bis Ende 2010 in Belval investiert. Die letzte Schätzung des Projekts aus dem Jahr 2009 in den Büchern der Bank belief sich auf 150 Millionen Euro. Die Differenz zwischen Investitionshöhe und Wert des Objekts Ende 2010: 113 Millionen Euro. Zwar hat die Bank für 2013 eine neue Schätzung veranschlagt, doch über das eventuelle Ergebnis will sie nicht kommunizieren. Einen Teil dieser Gelder wird die Bank zwar durch die Verkäufe der Eigentumswohnungen – insgesamt waren 338 Wohnungen in Belval Plaza I und II geplant – wieder einnehmen können. Doch dass der Wert des Objekts nach oben korrigiert ist, ist angesichts der Lage auf dem europäischen Immobilienmarkt, der europäischen Wirtschaftsprognosen und der Situation der Bank insbesondere kaum zu erwarten.
SNS Reaal hat am Donnerstag die Ergebnisse für das Jahr 2012 vorgestellt. Die Bank verbucht einen Verlust von 972 Millionen Euro, wovon 813 Millionen Euro auf die marode Immobiliensparte zurückzuführen sind, die 988 Millionen Euro faule Immobilienkredite abgeschrieben hat. Das sind aber noch nicht die schlimmsten Nachrichten vom Donnerstag. Für das erste Quartal 2013 meldet SNS Reaal einen Verlust von 1,6 Milliarden Euro; der Verlust im Immobiliengeschäft liegt bei 1,8 Milliarden Euro. Von Januar bis März hat SNS zwei Milliarden Euro faule Kredite abgeschrieben. Dass die Ergebnisse erst so spät bekannt gemacht wurden, liegt daran, dass man „die Effekte der Nationalisierung verarbeitete im Besonderen im Bezug auf das Immobilienfinanzierungsgeschäft“, so eine Mitteilung der Bank, die Anfang Februar verstaatlicht wurde. Seither versucht sie, die Risiken im Immobiliengeschäft zu reduzieren.
Angesichts dieser Zahlen sind Zweifel an den Versprechen der Bank gegenüber den Luxemburger Tochtergesellschaften nicht ganz abwegig. In den Bilanzen von 2009 taucht eine Garantie von 54 Millionen Euro für die Gesellschaften bis 2012 auf, weil bereits absehbar war, dass sie ihre Schulden nicht zurückzahlen könnten. In den Bilanzen für 2010 steht es eine neue Garantie über 60 Millionen Euro bis 2014. Die Beträge sind aber nicht kumulativ, wie die Bank auf Nachfrage mitteilt, und teilweise ausgezahlt. Die Aktionäre der Luxemburger Belval Plaza Holding hätten anlässlich einer außergewöhnlichen Generalversammlung beschlossen, die Geschäfte weiterzuführen.
„Wir sehen eine positive Zukunft für das Einkaufszentrum“, teilt SNS mit. Die Verwaltungsgesellschaft hat kürzlich neue Verträge für ein Bekleidungsgeschäft und ein asiatisches Restaurant unterzeichnen können, die Vorbereitungsarbeiten in den Geschäftsparzellen laufen, wie Michel Gaspar von Devimo, der von SNS beauftragten Verwaltungsfirma, sagt. Die Besucherzahlen entwickelten sich positiv, fügt er hinzu. Drei Millionen Besucher haben die Sensoren an den Eingangstüren 2012 gezählt. Bis Ende Mai seien die Zahlen im Vergleich zum Vorjahr um zwei Prozent gestiegen.
„Wir hatten gehofft, dass sich nach der Verstaatlichung etwas tut“, sagt Muriel Durand von Zaco Loft. Belval Plaza hat wieder einen neuen Manager. Sie hat ihn zufällig auf dem Flur getroffen. Eine besondere Bereitschaft zur aktiven Zusammenarbeit kann sie in der Zufallsbegegnung nicht erkennen. „Ich bin seit 30 Jahren Geschäftsfrau“, sagt Durand, bis zum Einzug in Belval hat sie Gewinne erwirtschaftet. Ob sie, wie die als Managerin ausgezeichnete Christiane Wickler, wie die Verantwortlichen der ehemaligen MPK-Kioske und die der Sportartikel-Kette Asport, die sich schon früher aus Belval-Plaza zurückzogen, allesamt unfähig sein sollen, ein Geschäft zu führen?