Die Verkürzung der Arbeitszeit und vor allem der Wochenarbeitszeit bei entsprechendem Lohnausgleich und ihre gesetzliche Regelung ist eines der am heißesten umkämpften Themen der Arbeitswelt. Denn es geht nicht nur um das Verhältnis zwischen Arbeitszeit und Freizeit. Im Lohnarbeitsverhältnis geht es auch um die Aufteilung der Produktivitätsgewinne: Wenn durch technische und organisatorische Verbesserungen die Produktivität steigt, kann die Produktion erhöht oder bei gleich bleibender Produktion die Arbeitszeit gesenkt werden.
In der Revolution von 1848 forderten Arbeiter aus den Vororten der Hauptstadt in einer Adresse an die Luxemburger Nationalversammlung erstmals die gesetzliche „Festlegung eines Maximums an Arbeitsstunden“, die täglich zwölf Stunden und mehr zählen konnten. Die junge Bucharbeitergewerkschaft konnte 1871 über einen Tarifvertrag eine Senkung
der Arbeitszeit auf zehn Stunden durchsetzen. Ihr Kampf für den Neunstundentag scheiterte 1898, weil die Druckereien Streikbrecher einsetzen konnten. 1901 streikten die Tabakarbeiter von Heintz van Landewyck für den Zehnstundentag, 1906 die Brauereiarbeiter von Mousel für den Zehn- und Elfstundentag.
Die erste gesetzliche Regelung der Arbeitszeit erfolgte 1876 mit dem Gesetz über Kinderarbeit, das unter anderem den Achtstundentag für 12-Jährige einführte. Zum Schutz der internationalen Wettbewerbsfähigkeit wurde aber 1883 die tägliche Höchstarbeitszeit für 14-jährige Porzellan-, Tabak- und Textilarbeiter wieder auf elf Stunden erhöht.
Dann dauerte es noch fast ein halbes Jahrhundert, bis die Regierung in der revolutionären Stimmung am Ende des Ersten Weltkriegs hastig den „Großh. Beschluß vom 14. Dezember 1918, betreffend Einführung des Achtstundentags“ und der 48-Stundenwoche ohne „Lohnverminderung“ in Betrieben von mindestens 20 Arbeitern verabschiedete. In der Stahlindustrie blieb es bei der 56-Stundenwoche im kontinuierlichen Betrieb.
So setzten sich nach und nach Zyklen der Arbeitszeitsenkung durch: In der Regel senkten jene Branchen als erste die Wochenarbeitszeit, wo der gewerkschaftliche Organisationsgrad am höchsten war. Wenn dann eine größere Zahl von Betrieben nach Arbeitskämpfen oder durch Kollektivverträge die Arbeitszeit gesenkt hatten, sah sich der Gesetzgeber gezwungen, die gesetzliche Arbeitszeit zu senken, um das Gleichgewicht zwischen den Betrieben wieder herzustellen und die Benachteiligung jener Beschäftigten zu beenden, die nicht organsiert waren oder keine Kollektivverträge hatten.
1938 dekretierte ein großherzoglicher Erlass folgenlos die 40-Stundenwoche im Bergbau, tatsächlich eingeführt wurde sie erst 30 Jahre später. Ein historischer Streik in der Stahlindustrie 1953 führte zur Einführung der 52- und dann der 48-Stundenwoche, allerdings ohne vollen Lohausgleich. 1962 wurde die 44-Stundenwoche für Angestellte eingeführt.
In den größeren Betrieben wurde die 40-Stundenwoche nach und nach über Kollektivverträge eingeführt. In den Branchen ohne Kollektivverträge mussten die Arbeiter bis 1970 warten, als durch Gesetz die 44-Stundenwoche ab 1971 und die 40-Stundenwoche ab 1975 eingeführt wurde. Wie bei jeder Senkung der gesetzlichen Arbeitszeit kritisierten rechte und liberale Abgeordnete das Gesetz, weil es angeblich zu einem Produktionsrückgang, einer Verlängerung der Lieferfristen und einer Zunahme der Schwarzarbeit zu führen drohte.
Das Luxemburger Wort prophezeite am 14. November 1970, „dass der Übergang zur 40- oder 35-Stundenwoche sich im wirtschaftlichen Leben viel schneller vollziehen wird, als es die Gesetzestexte vorsehen werden“. Doch seit dem letzten Zyklus der Arbeitszeitsenkung ist fast ein halbes Jahrhundert vergangenen, ohne dass es zu einer weiteren Senkung der gesetzlichen Wochenarbeitszeit gekommen wäre – trotz des Nationalen Beschäftigungsplans von 1998. Ähnlich wie in Frankreich und Deutschland hatten einzelne Gewerkschaften Ende der Achtzigerjahre vorübergehend für die Einführung der 35-Stundenwoche geworben, aber die Kampagne beschränkte sich weitgehend auf den Nachdruck der vom Deutschen Gewerkschaftsbund übernommenen Aufkleber. Dafür haben manche Branchen über Kollektivverträge zusätzliche Urlaubstage gewährt, bis hin zu einer sechsten Urlaubswoche im Jahr. Nach Angaben der EU-Agentur Eurofound ist die tatsächliche Wochenarbeitszeit in Luxemburg mit 41 Stunden inzwischen die zweithöchste in der Europäischen Union.