Vor einem Jahr war die Welt noch in Ordnung und die Regierung damit beschäftigt, genüsslich die Versäumnisse ihrer Vorgängerin aufzulisten. Etwa als der für die Verwaltungsreform zuständige Minister Dan Kersch (LSAP) klagte, dass er in keiner Schublade das mythische Omnibus-Gesetz gefunden habe, das CSV-Premier Jean-Claude Juncker als Chefsache angeblich spruchreif vorbereitet hatte und dessen Verabschiedung nur am Sturz besagten Premiers scheiterte. Weil die neue Koalition tatendurstig und dynamisch war, schuf sie modisch eine Task force, die blitzschnell zum Rundumschlag gegen alle staatlichen und kommunalen Prozeduren ausholen sollte, die einst notwendig und sinnvoll erschienen und nun für übertrieben, unzeitgemäß und den Ausdruck einer sich verselbstständigenden Bürokratie gehalten werden.
Im Juli 2014 hinterlegte Minister Kersch dann den ersten Entwurf eines Omnibus-Gesetzes, das mit über 70 Artikeln Bestimmungen in elf verschiedenen Gesetzen ändern soll. Der Begriff „Omnibus“ ist etwas übertrieben, da das Gesetz weniger „für jeden“ gedacht ist, als mit der Flexibilisierung der Bestimmungen zur Stadtplanung und Baugenehmigungen der Bauwirtschaft und mit der Flexibilisierung der Betriebsgenehmigungen auch anderen mittelständischen Betrieben entgegenkommt. Den Rest des Textes machen ein Sammelsurium von Bestimmungen über Werbetafeln, Lautsprecher, das Alter von Standesbeamten und die Moral von Kellnerinnen aus. Sie widersprechen dem Geist des Gesetzes selbst, weil sie es laut Staatsrat unübersichtlich und schwerfällig machen. Seit der Gesetzentwurf hinterlegt wurde, ist ein weiteres Jahr vergangen, in dem auf das seit 2013 versprochene Gesetz gewartet wurde. Inzwischen mussten sogar die Änderungsanträge der Regierung, mit denen panikartig die Frist zur Ausarbeitung kommunaler Bebauungspläne bis 2018 verlängert wurde, herausgetrennt und im Mai als eigenständiges Gesetz verabschiedet werden.
Für die Verzögerung wird vor allem der Staatsrat verantwortlich gemacht, der ein Jahr brauchte, um sein vergangene Woche verabschiedetes Gutachten zu verfassen. Der Staatsrat legt zwar mehr als ein Dutzend Mal förmlichen Einspruch gegen Einzelbestimmungen ein, er geht aber nicht auf den Grundgedanken des Gesetzentwurfs ein. Doch aus seinen Einzelbeobachtungen lässt sich trotzdem die Trendwende ablesen, die das von der CSV/LSAP-Regierung versprochene und nun von der liberalen Reformkoalition vorgelegte Omnibus-Gesetz einleiten soll: Prinzipien, die noch bis vor zwei oder drei Jahren hoch und heilig gehalten und sogar noch verstärkt wurden, wie das Eigentumsrecht als oberstes Rechtsgut im Land, ein axiomatischer Umweltschutz oder demokratische Planungsprozeduren werden nun plötzlich als bürokratische Auswucherungen entlarvt und sollen im Interesse wirtschaftlicher Effizienz wieder zurückgedrängt werden.
Binnen eines Jahrzehnts soll erneut die Rechtslage in der Frage geändert werden, ob eine Privatperson Grundstückseigentümerin sein muss, um einen Bebauungsplan für ein neues Viertel ausarbeiten zu lassen. Bloß zwei Jahre nach der Novelle von 2013 soll wieder die Frist verkürzt werden, binnen der ein Grundstückseigentümer eine Entschädigung für eine sein Gelände belastende Grunddienstbarkeit geltend machen kann. „Unverhältnismäßig“, „willkürlich“ und „unrechtmäßig“ nennt der Staatsrat die geplante Ausweitung des Vorkaufsrechts der öffentlichen Hand. So erzählt das Omnibus-Gesetz auch eine neue Saga von liberalen Helden, den jungen, nicht zu bremsenden Immobilienunternehmern und flinken Firmengründern, gegen konservative Schurken, die griesgrämigen, alten Grundstücksbesitzer, die nicht verkaufen wollen und das Scherenschnippen aus dem Friseursalon am Ende der Straße für eine unerträgliche Lärmbelästigung halten.