Auch wenn für Kleinstaaten das Ausland bekanntlich besonders groß ist, ist Außenpolitik hierzulande selten Gegenstand großer Kontroversen. Denn bei ihren für lebenswichtig gehaltenen Grundlagen, Europäische Union und Nato, herrscht ein parteiübergreifender Konsens, den auch kein Regierungswechsel erschüttert. Meinungsverschiedenheiten zu Einzelfragen schauen dagegen rasch nach Sandkastenspielen aus, weil es an den politischen, militärischen und ökonomischen Mitteln für daraus abzuleitetende praktische Konsequenzen fehlt. Die Diskussionen um die Aussagen von DP-Premier Xavier Bettel und LSAP-Außenminister Jean Asselborn scheinen deshalb diese Woche ein wenig aus heiterem Himmel gekommen zu sein.
Während seines Israel-Besuchs lud Xavier Bettel nicht nur Premier Benjamin Netanyahu zu dem üblichen Gegenbesuch in Luxemburg ein, sondern bot ihm auch an, dass er hier palästinensische Unterhändler zu Friedensgesprächen treffen könne. Ein wenig erinnerte das an Xavier Bettels kurzlebige Ankündigung in Gegenwart des japanischen Premiers Shinzo Abe vor einem Jahr, einen G9-Gipfel europäischer Kleinstaaten einzuberufen. Damit erhärtet der ehemalige Bürgermeister und heutige Premier den Verdacht, dass es für ihn nicht ein Mittel unter anderen, sondern das Ziel von Politik ist, „alle rund um einen Tisch zu versammeln“. Weshalb sollte nicht auch der jahrzehntealte Nahostkonflikt dadurch beendet werden, dass alle Kontrahenten im Senninger Schloss „rund um einen Tisch versammelt“ werden? Aber vielleicht ist das Bemühen um den Weltfrieden auch bloß eine effiziente und kostengünstige Form von Nation Branding.
Pech bloß, dass die sehr rechte Regierung Benjamin Netanyahus die Kriegsführung niedriger Intensität längst einem Friedensabkommen vorzieht und dafür gerade von den USA 37 Milliarden Dollar Militärhilfe zugesichert bekam. Xavier Bettels Gastgeber nutzte dann auch gleich die Gelegenheit, um ein von Russland vorgeschlagenes Treffen mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas in Moskau als ähnlich abstrus wie ein solches in Luxemburg darzustellen.
Außenminister Jean Asselborn glaubt dagegen nicht, dass es nur darauf ankommt, alle rund um einen Tisch zu versammeln, sondern meint, dass Leute mit schlechten Tischmanieren manchmal sogar weggeschickt gehören. „Wer, wie Ungarn Zäune gegen Kriegsflüchtlinge baut oder wer die Pressefreiheit und die Unabhängigkeit der Justiz verletzt, der sollte vorübergehend oder notfalls für immer aus der EU ausgeschlossen werden“, erklärte er gegenüber der deutschen Tageszeitung Die Welt. Den Ministerpräsidenten der sehr rechten ungarischen Regierung, Viktor Orban, nannte er dabei geringschätzig einen „Typen“.
Dass einst die Europäische Union noch andere Prinzipien hatte als den freien und unbehinderten Wettbewerb und das mittelfristige Haushaltsziel, ist dem Außenminister schwerlich falsch zu machen. Aber diese Zeiten scheinen längst vorüber, da in mehreren Mitgliedsländern rechtsradikale Parteien mitregieren und der türkische Autokrat Recep Erdoğan immer salonfähig ist, wenn die Union Asylsuchende abschieben will.
So pfuscht im Umgang mit sehr rechten Regierungen ein Minister dem anderen ins Handwerk: Der Premier improvisiert in der Nahostpolitik, die der Außenminister seit Jahren zu seiner Herzensangelegenheit gemacht hat. Und der Außenminister zwingt mit seiner Kriegserklärung an Ungarn den harmoniebedürftigen Premier, seinen Amtskollegen beim Krisengipfel in Bratislava Rede und Antwort zu stehen.