Im Luxemburger Jazzmilieu ist er kein unbeschriebenes Blatt: Benoît Martiny stand bereits mit vielen der etablierten und aufsteigenden Jazzmusiker auf der Bühne: mit Marc Mangen, Maxime Bender, Robby Glod. Gast Waltzing hat an den 25-jährigen Drummer geglaubt und eine CD der Benoît Martiny Group im Rahmen des Labels WPRecords herausgebracht. Die Benoît Martiny Group – das sind neben dem Schlagzeuger der Bassist Kém Sandor aus Ungarn, der Gitarrist Jerome Hol aus den Niederlanden, der vielseitige Saxophonist und Martinys langjähriger Weggefährte Maxime Bender, hier am Tenor, und Roby Glod am Alt-Saxophon. Die fünf Kumpels waren im Mai bei der angesehenen Dutch Jazz Competition bis ins Halbfinale vorgedrungen. Martiny ging nach seinem Premier Prix am Hauptstädtsichen Musikkonservatorium an die Musikhochschule nach Rotterdam, wo er bei Hans van Oosterhout, Peter Ypma, Ben van der Dungrn und Kris Goessens studierte. Hier hatte er die Möglichkeit, seinen musikalischen Horizont in Meisterklassen und bei Auftritten mit Größen wie John Taylor, James Carter, Ari Hoening, Han Bennink oder Scott Henderson zu erweitern. Erfahrungen mit den Klassikern hat er in Hülle und Fülle gesammelt, genau wie auch Maxime Bender, der zuletzt am Brüsseler Conservatoire Royal de Musique bei Steve Houben, Phil Abraham und Guy Cabay studierte. Man suchte nach Neuland. Eigene Wege sind die Jungs mit ihrem Album Jazz goes Garage gegangen. Nun ist Garage Rock nicht unbedingt eine Erfindung des 21. Jahrhunderts. Schon Mitte der 60-er Jahre widersetzten sich die jungen Wilden mit deftigem Beat und düsterem Sound dem virtuosen, salonfähig gewordenen Rock'n'Roll. Back to the roots wollte man, und eine Musik, die aus dem Bauch heraus kommt. Benoît Martinys Jazz goes Garage schreit nicht nach Anarchie wie die damaligen Vorläufer des Punk. Nein, der Drummer hat vielmehr versucht, aus den Einflüssen von Jazz und Rock einen neuen, eigenwilligen Sound zu mixen. "Ich habe mir in den Kopf gesetzt, im Klaren zu werden, was ich wirklich mag, und das ist nun eben ein Mix aus all den Bands und Musikern, die ich höre und die mich inspirieren", umschreibt Martiny die Entstehung des Projekts. Orthodoxen Jazz wollte er nicht, auch keinen puren Rock: "Das Album ist für mich der erste Schritt, die Musik zu finden, die mir hundertprozentig liegt." Die mit Ausnahme des Maxime-Bender-Stücks Travelling von Benoît Martiny geschriebenen Songs sitzen den Fünf in der Tat wie angegossen. Der Mix ist aus den Einflüssen von Musikgiganten wie John Coltrane und Led Zeppelin, Pearl Jam und Keith Jarrett entstanden. Der dritte Titel, Jazz'n'Roll, ist so ein origineller, perfekter Shake aus traditionellem Jazz und Blues, aus schnell kreisendem Rock, wilden Rhythmen, grellem Beat und Elektrojazz. Die Nummern könnten unterschiedlicher nicht sein: Irene's Decision, ein aparter Mix, aus dem eine eigenartig raunende und surrende, klappernde und dröhnende Klangkulisse entsteht, The Garage-Blues, ein melancholischer Blues mit wunderschönen Saxophon-Variationen und eindringlichem Double-Bass, oder Spiritual Revolution, ein 16-Minuten-Stück mit Klangfarben aus dem Orient und dem Westen, und doch, bei all den brillanten Gitarrensignalen, Drum-Kadenzen und Saxophonmotiven, eine kurzweilige Reise durch Raum und Zeit, Kulturen und Epochen – kurzweilig wie das ganze Album.
Benoît Martiny: Jazz goes Garage; WRP Jazz 2005-004