Die monatliche Bestsellerliste bestätigt es wieder und wieder: Wenn es um Bücher geht, pflegen die Luxemburger eine hartnäckige Vorliebe für Kochbücher, Krimis und patriotische Selbstbespiegelung. Warum aber künstlich trennen, wo man doch auch alles haben kann? Der aus Hamburg gebürtige Thomas Hillenbrand wagt, wenn man so will, die Synthese: Unter dem verheißungsvollen Titel Teufelsfrucht legt er einen „kulinarischen Krimi“ vor, der einen Luxemburger Koch als Protagonisten aufstellt und zum größten Teil in Luxemburg spielt. Man wird es ihm hierzulande mit fleißigen Buchkäufen zu danken wissen.
Die Geschichte beginnt damit, dass ein renommierter Gastro-Kritiker vor dem Restaurant von Xavier Kieffer tot zusammenbricht. Ein natürlicher Tod scheint ausgeschlossen. Als sei das nicht bereits Aufregung genug, stellt sich heraus, dass der Kritiker eine Visitenkarte des Lokals bei sich trug, obwohl Kieffers „Deux Églises“ für bekannte Restaurantführer eigentlich nicht in Frage kommt. Kieffer ist zwar ein überaus talentierter Koch, aber der Haute Cuisine hat er vor Jahren schon den Rücken gekehrt. Da er sein kleines Restaurant aufgrund der polizeilichen Ermittlungen ohnehin für einige Zeit schließen muss und ihm der zuständige Kommissar, ein Pfeife rauchender Wichtigtuer, nicht sehr kompetent erscheint, beginnt er, auf eigene Faust zu recherchieren.
Die Suche nach der Herkunft der Visitenkarte führt Kieffer zu dem französischen Sternekoch Boudier, bei dem er vor Jahren seine Lehre absolviert hat. Kurz nach seinem Besuch brennt Boudiers Restaurant bis auf die Grundmauern nieder, Boudier selbst ist verschwunden. Es gelingt Kieffer, aus der geheimen Experimentierküche Boudiers eine Tupperdose zu entwenden, die eine ihm unbekannte Frucht enthält. Der Leser merkt natürlich sofort, dass es sich hier um die „Teufelsfrucht“ handeln muss, die ein militärisch gewandeter Amerikaner in einem kurzen Prolog-Kapitel bei einem Dschungelvolk in Papua-Neuguinea aufgespürt hatte. Nach wenigen Selbstversuchen findet Kieffer heraus, dass das Gewächs eine nahezu magische Eigenschaft besitzt: Auch die fadesten Gerichte verwandeln sich durch die Beimischung der Frucht zu einem phantastischen Geschmackserlebnis. Diese Entdeckung bringt den Koch bald in Lebensgefahr.
Die Verstrickungen des Plots führen so sehr schnell in die Abgründe der Lebensmittelindustrie und damit zum eigentlichen Thema des Romans. Was Hillenbrand dabei besonders gut gelingt, ist die Darstellung des vermeintlichen Gegensatzes zwischen einerseits einer in immer mehr Kochsendungen zelebrierten Kochwut, die eine allgemeine Verfeinerung des Geschmacks vorspielt, und andererseits den Skandalen um gepanschte Lebensmittel und den damit verbundenen Gesundheitsrisiken. Der eigentliche Krimi verbirgt sich gewissermaßen in den Essgewohnheiten von immer noch vielen Endkunden, denen gleichgültig oder nicht bewusst ist, dass Analogkäse kein Käse und Analogschinken kein Schinken ist.
Im Vergleich zu den oft überfrachteten Plots, flachen Figuren und sprachlichen Bedenklichkeiten, denen die Leser einheimischer Kriminalromane allzu häufig ausgesetzt sind, schneidet Teufelsfrucht recht gut ab. Das Thema ist interessant, die Handlung konsistent und die Hauptfiguren trotz gelegentlicher Überzeichnung sympathisch. Doch auch wenn die Übertreibung einen nicht unbedeutenden Teil des Unterhaltungswerts dieses Krimis ausmacht, geht Hillenbrand darin womöglich ein wenig zu weit. Die Glaubwürdigkeit der karikaturistischen Darstellung des Fernsehkochs Esteban mit seinem affektierten spanisch-deutschen Kauderwelsch sei einmal dahingestellt.
Auch über den – vielleicht unfreiwillig – komischen Effekt von Beschreibungen wie: „Die Vögel schrien, seit Stunden schrien sie, ununterbrochen brüllten sie wütend gegen die kleine Truppe von Fremden an“ usw., kann man mit einem erheiterten Glucksen hinwegsehen. Etwas zu heftig wird es aber dann, wenn Hillenbrand die Arbeit in den Restaurantküchen, die sicher eine überaus anstrengende Arbeit ist, fortwährend mit einer völlig überzogenen Kriegsmetaphorik durchsetzt. Küchencrews sind dann gerne einmal eine „Armada“ oder eine „beeindruckende Streitmacht“, die Widrigkeiten folgender Art meistern müssen: „Wenn die Bestellungen wie Granaten einschlugen, wenn einem der gesamte Küchenablauf um die Ohren zu fliegen drohte, dann konnte jemand wie Esteban einem das Leben retten.“
Beim Schreiben gilt wie beim Kochen: Nicht in der Soße ertränken.