Die Grenze zwischen romanischen und germanischen Sprachen verlief bis 1839 durch Luxemburg und nach der Abtrennung der belgischen Provinz Luxemburg an seiner Grenze entlang. Bis zum Zweiten Weltkrieg war diese Sprachgrenze auch eine Grenze zwischen zwei Gruppen von Druckschriften: Die romanischen Sprachen wurden in Antiquaschriften gedruckt; das Deutsche wurde bis dahin weitgehend in Fraktur gedruckt, unter Bezug auf die Gotik – nicht die Schrift der Goten – auch „Gotisch“ genannt.
Unter dem Einfluss des Renaissance-Humanismus wurde im 16. und 17. Jahrhundert in den romanischen Ländern zunehmend in Antiqua gedruckt, die nach römischen Großbuchstaben und karolingischen Minuskeln entworfen worden war. Davon grenzte sich, auch unter dem Einfluss der Reformation, das Deutsche in schmalen, hohen Frakturschriften ab.
Seit Einführung des Druckereiwesens 1598 in Luxemburg druckten sämtliche Druckereien Bücher, Zeitungen, amtliche Verordnungen und Akzidenzaufträge in Französisch und Deutsch, bis Mitte des 20. Jahrhunderts in Antiqua und Fraktur. Deutsche Zitate in einem französischen Antiqua-Text wurden in Fraktur gedruckt und umgekehrt. Der Besitz von Typen beider Schriftfgruppen verlangte von den meist kleinen Werkstätten eine doppelte Investition und von den Setzern die Beherrschung beider Schriften, deren Typen entsprechend der unterschiedlichen Gebrauchshäufigkeit zudem in unterschiedlichen Reihenfolgen in den Setzkästen lagen.
Als im Laufe des romantisch-nationalistischen 19. Jahrhunderts ein unabhängiger Nationalstaat entstand, erschienen langsam auch die ersten gedruckten Texte im volkstümlichen Luxemburgisch. Dabei lag die Frage nahe, ob das Luxemburgische, an der Grenze zwischen romanischen und germanischen Ländern, also zwischen Antiqua- und Frakturschriften, nun in Antiqua oder Fraktur gedruckt werden sollte. Denn trotz des in Deutschland seit Anfang des 19. Jahrhunderts schwelenden Schriftenstreits wurde das Deutsche hierzulande weitgehend fraktur gedruckt. Doch kaum einer der Erfinder der 29 luxemburgischen Orthographien, die Lucien Koenig gezählt hatte (D’Hémecht, 18.8.1945), stellte sich die Frage nach der angemessenen Schrift.
Im 19. Jahrhundert wurde das Luxemburgische nicht als eigenständige Sprache angesehen, sondern als regionale Variante, wenn nicht gar als Verballhornung des Hochdeutschen. Deshalb hätte es nahe gelegen, Luxemburgisch in „gotescher“, „däitscher“ oder „gebrache Schrëft“ zu drucken, wie die spitzen und eckigen Frakturschriften genannt wurde. Schließlich übernahmen fast sämtliche Orthographen auch die generelle Großschreibung der Substantive aus dem Hochdeutschen, die es seit dem Barock in keiner anderen Schrift gibt.
Die ersten gedruckten Spuren des Luxemburgischen tauchen in der hauptstädtischen Zeitung Luxemburger Wochenblatt auf, am 14. April 1821 in einem „Gespräche über das Luxemburger Wochenblatt“ überschriebenen fiktiven Dialog zur Eigenwerbung. Der kurze Text spiegelt die Sprachensituation im Land wider, da darin luxemburgisch, deutsch und französisch geredet wird, wobei die luxemburgischen und deutschen Sätze in Fraktur und die französischen in Antiqua gedruckt sind. Gebrauchen luxemburgisch sprechende Personen französische Ausdrücke – „Mais compère, wad ass daat? – D’as d’neu gazette.“ – so wechselt die Schriftgruppe im Satz von einem Wort zum anderen. Auch ein luxemburgischer Leserbrief am 8. Mai 1824 in derselben Zeitung ist in Fraktur gesetzt. Doch ein Gedicht „Mancherlei. Les derniers Voeux d’un Ivrogne. (En patois de Luxembourg.)“ am 10. Dezember 1825 ist in Antiqua gedruckt.
1829 erscheint in der Druckerei des Luxemburger Wochenblatt, bei Jacques Lamort, das erste Buch auf Luxemburgisch, E’ Schrek ob de’ lezeburger Parnassus von Antoine Meyer. Obwohl der Autor seine Sprache im Nachwort „lezeburger Deitsch“ und einen der „niderdeitsch Dialekten“ nennt, ist das Buch in Antiquaschrift gesetzt – wie seine weiteren, in Belgien gedruckten Lyrikbändchen.
Fast 20 Jahre später erscheint das erste luxemburgische Wörterbuch, Jean-François Ganglers Lexicon der Luxemburger Umgangssprache. Die luxemburgischen Stichwörter und Redewendungen sind antiqua gedruckt, nur die deutschen Übersetzungen und Erklärungen fraktur.
Der im Revolutionsjahr 1848 erschienene Volksfreund druckt seine luxemburgischen Gedichte, darunter Dicks‘ Fulleparlament, antiqua. Die ersten luxemburgischen Lokalpossen von Dicks (Edmond de La Fontaine), De Scholtschêin, D’Mumm Se’s, De Koséng und D’Kirmesgèscht kommen 1856 in Buchform heraus. Die Druckerei Victor Bück setzt sie in Antiqua. Der andere Klassiker der luxemburgischen Nationalliteratur, Michel Lentz, veröffentlicht seine erste Gedichtsammlung Spâss an Iérscht 1873. Sie ist wiederum bei Bück in Antiqua gedruckt.
Auch die zahlreichen luxemburgischen Lieder und Dialoge in der ab 1868 erschienenen satirischen Zeitschrift D’Wäschfra sind, anders als die deutschen Beiträge, in Antiqua gedruckt. Ebenso wie die luxemburgische Lyrik in der ab 1883 veröffentlichten Kulturzeitschrift Luxemburger Land und der 1895 erscheinenden patriotischen Illustrierten gleichen Namens.
Obwohl es lange als „Luxemburger Deutsch“ angesehen wurde, wurde die überwältigende Mehrheit der luxemburgischen Texte im 19. Jahrhundert nicht in Fraktur, sondern in „laténgescher Schrëft“ gedruckt, wie Antiqua hieß. Die auffälligste Ausnahme stellt Michel Rodanges Renert dar. Denn das satirische Versepos wurde 1872 in der Druckerei Jean Joris in Fraktur gedruckt – vielleicht aus einer persönlichen Vorliebe des zeitlebens bloß luxemburgisch und deutsch schreibenden Autors und Lehrers heraus. Selbst die zweite Auflage des Renert wurde 1909 noch einmal bei Charles Praum in „gebrache Schrëft“ gedruckt. Die weiteren Auflagen einschließlich der 1941 unter deutscher Besatzung erschienenen wurden dann in Antiqua gedruckt; nur ein auf den 1. Januar 1941 datierter „Privatdruck aus der Klischeesammlung der Druckerei Linden“ von Renert-Illustrationen kehrte wieder zur Fraktur zurück.
Dass das Luxemburgische von Anfang an weitgehend in Antiqua gedruckt wurde, hat kaum etwas mit dem Versuch einer nationalen Abgrenzung gegenüber Deutschland zu tun, denn Frakturschriften wurden meist erst im 20. Jahrhundert als Symbole des „preiseschen“ Imperialismus angesehen. Da die Frage aber nicht weiter diskutiert wurde, gibt es möglicherweise eine ganz pragmatische Erklärung: Das Luxemburgische verfügt über deutlich mehr Diphthonge als das deutsche, und sämtliche luxemburgische Orthographien beschäftigten sich vor allem mit der Suche nach genügend diakritischen Zeichen zur Wiedergabe dieser Doppellaute. Da das Deutsche aber lediglich drei Umlaute kennt, fanden sich wohl in den meisten Fraktur-Setzkästen weit weniger Buchstaben mit Akzenten, Umlauten, Tremata, Zirkumflexen, Hatscheks, Längen- und Unterstrichen als unter den Antiquaschriften.
Nach dem Ersten Weltkrieg ging der Gebrauch der Fraktur zurück. Die ab 1926 erschienene Kulturzeitschrift Jonghemecht war bereits vollständig in Antiqua gedruckt, nicht nur die luxemburgischen, sonder auch die deutschen Beiträge. Der deutsche Überfall 1940 führte nicht etwa zu einer neuen Blüte der Fraktur, sondern zu deren Ende. Denn in einem vertraulichen Erlass der NSDAP vom 3. Januar 1941 meldete Stellvertreter Martin Bormann: „Am heutigen Tage hat der Führer [...] entschieden, dass die Antiqua-Schrift künftig als Normal-Schrift zu bezeichnen sei.“ Die „sogenannte gotische Schrift als eine deutsche“ anzusehen, sei falsch, vielmehr handele es sich um „Schwabacher Judenlettern“.
Die tatsächliche Ursache für die Abschaffung der Fraktur durch die Nazis war aber die Notwendigkeit, das Deutsche in den zahlreichen besetzten Gebieten Europas zu verbreiten, wo die Bewohner keine Fraktur lesen konnten. Bereits im 19. Jahrhundert waren viele wissenschaftliche Werke in deutscher Sprache, die sich an eine internationale Leserschaft richteten, antiqua gedruckt worden.
In Luxemburg erschienen von Beginn der deutschen Besatzung an fast alle Bücher und Broschüren in Antiquaschriften. Nach dem Normalschriftenerlass wurden die Frakturschriften dann 1942 endgültig aus dem Verkehr gezogen: Das Luxemburger Wort erklärte am 2. März in einer Randspalte sein „neues Kleid“ als Versuch, mit einer kleineren Antiquaschrift auf den kriegsbedingten Papiermangel zu reagieren.
Die Ironie der Geschichte will es, dass Gauleiter Gustav Simon noch am 18. Dezember 1941 eine Verordnung erlassen hatte, laut der „bei Anwendung der luxemburgischen Mundart [...] der Gebrauch nichtdeutscher Schriftzeichen verboten“ wurde, unter Androhung einer Geldstrafe bis zu 150 Reichsmark oder von Haft. Die erste und einzige Regelung des Schriftgebrauchs für das Luxemburgische erschien am 28. April 1942 im Verordnungsblatt, das seit Januar 1942 in Antiqua gedruckt wurde.