Seit vier Jahren ringen Regierung, Abgeordnete und Staatsrat hartnäckig um eine Reform des Gesetzesrahmens für Handelsgesellschaften, Ausgang ungewiss. Nun legt die Handelskammer wiederum eine neue Idee auf den Tisch. In der aktuellen Ausgabe von Actualité et Tendances schlägt sie eine Firmenstruktur vor, die angehenden Geschäftsmännern und Geschäftsfrauen den Schritt in die Selbstständigkeit erleichtern soll: Eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Firmenkapital beim Start nur einen Euro beträgt. Die Reaktionen sind gemischt bis verhalten.
„Ein solches Instrument kann uns im Zuge der Krise helfen, die Wachstumsraten zu stützen“, sagt Pierre Gramegna, Direktor der Handelskammer. Luxemburg schneide im internationalen Vergleich schlecht ab, was den Zugang zur Geschäftstätigkeit betreffe; Platz 77 im Ease of doing business-Index der Weltbank, und das vor allem, weil die Prozeduren dauern und die aufzubringenden finanziellen Garantien hoch seien. Luxemburg müsse sich nicht zuletzt auch deshalb bewegen, weil die Nachbarländer, wie Deutschland mit der Mini-GmbH, Frankreich mit dem Statut der Auto-entrepreneurs, Belgien mit der SPRL, und nicht zuletzt Großbritannien mit der Limited solche Firmenformen bereits in ihren Arsenalen führten. Einmal gegründet, können die Firmen überall im europäischen Binnenmarkt tätig werden.
Immer öfter hört man, dass angehende Firmengründer, vom vergleichsweise restriktiven Niederlassungsrecht hierzulande frustriert, überlegen, ihre Gesellschaft im Ausland zu gründen, um dann über den Weg von Filialen oder im freien Waren- und Dienstleistungsverkehr Luxemburger Kunden zu bedienen.
„Wir finden, wer eine Firma in Luxemburg gründen will, der soll dafür die Instrumente vorfinden“, sagen Gramegna und Gérard Eischen, Leiter der Abteilung Unternehmensgründung und -entwicklung der Handelskammer. Das würde nicht nur den Luxemburger Behörden bessere Kontrollmöglichkeiten geben, sondern auch dazu führen, dass in Luxemburg Arbeitsplätze geschaffen und Steuern gezahlt würden, lässt sich ihre Position zusammenfassen.
Dass die hohen Kapitalanforderungen, die Bankgarantie und die damit verbundene Eröffnung eines Firmenkontos, bei der ein Businessplan vorgelegt werden muss, für potenzielle Firmengründer eine hohe Hürde ist, das lehrt Eischen der Alltag im Espace Entreprises, wo diese Problematik thematisiert werde. Besonders für Nichtgebietsansässige erweise sich die Kontaktaufnahme mit dem Luxemburger Bankensystem oft als harte Prüfung. Und die Luxemburger Staatsangehörigen zögen die Sicherheit eines Angestelltenverhältnisses vor, argumentiert die Handelskammer. Dabei stimmt es nur bedingt, dass es den Luxemburgern besonders an Unternehmergeist mangele: Die überwältigende Mehrheit der in den vergangenen Jahren ausgestellten Handelsermächtigungen wurden laut Statec-Zahlen von Luxemburgern beantragt, ebenso die Zulassungsgesuche für liberale Berufe.
Mit ihrer Initiative will die Handelskammer zudem dem Umstand Rechnung tragen, dass in Luxemburg, wie in der EU insgesamt, kleine und mittlere Unternehmen (KMU) die Beschäftigung tragen. Rund 64 Prozent der in Luxemburg beschäftigten Arbeitnehmer arbeiten außerhalb der Finanzindustrie, 42 Prozent tun in KMU Dienst. Im Zuge der stetigen Entwicklung des quartären Sektors, also der Informations- und Kommunikationstechnologien, nehme die Zahl der Einmannbetriebe und der Freiberufler zu, hebt Eischen, Hauptautor der Veröffentlichung, hervor: Von 26 621 Luxemburger Firmen beschäftigten 2009 42 Prozent überhaupt keine Angestellten, 33 Prozent der Gesellschaften zählten zwischen einem und neun Angestellten.
Vor allem die wachsende Armee der Freiberufler will die Handelkammer mit der S.à r.l.s. ansprechen. Ihnen soll sie die Möglichkeit geben, das finanzielle Risiko, dem sich die Freiberufler aussetzen, durch eine Firmengründung zu mindern, ohne sie durch zu hohe Kapitalanforderungen zu schrecken. „Es gibt immer mehr Leute, die in ihrem Beruf, ihrem Angestelltenverhältnis Chancen erkennen, wie sie sich selbstständig machen können, Dienstleistungen anbieten können, die der Arbeitgeber braucht“, sagt Eischen. „Pull-Faktor“, nennt er es, wenn Akademiker die Gelegenheit ergreifen möchten, ihre Fähigkeiten als Dienstleistung anzubieten. „Deren Kapital sind ihre grauen Zellen, und sie brauchen, um geschäftlich aktiv zu werden, nicht mehr als einen Laptop“, unterstreicht er. Deswegen sollten sie auch keine 12 500 Euro Startkapital aufbringen müssen. Weil sie es nicht brauchten, werde in diesen Fällen keine Unterkapitalisierung vorliegen, weswegen das Pleitenrisiko nicht steige, argumentiert Eischen.
Dass die jungen, attraktiven Fachkräfte in Designerturnschuhen, die in schicken Bars Cappucino-schlürfend auf ihren – vorzugsweise Apple – Laptops klimpern, das nicht alle freiwillig tun, erkennt Eischen an. Dass Mini-GmbHs und Auto-Entrepreunariat auch Mittel für die Arbeitgeber sind, besagte Fachkräfte von der Lohnliste zu streichen, ohne auf ihre Kompetenzen zu verzichten, beschreibt er mit „Push-Faktor“ – der Entschluss zur beruflichen Selbstständigkeit erfolgt nicht, weil man die wunderbaren Chancen ergreifen will, die sich anbieten, sondern weil es sonst keine Möglichkeiten gibt.
Genau aus diesem Grund kann sich LCGB-Präsident Robert Weber wenig für die Idee begeistern. „Der Trend in Europa, der – man denke an die Arbeitszeitkonten und die zunehmende Flexibilisierung der Arbeitszeiten – auch in Luxemburg zu spüren ist, geht dahin, immer mehr Leute inbox - s cap.