Die Filme von Robert Eggers

Die Faszination am Mythos

d'Lëtzebuerger Land vom 10.01.2025

Er gilt als das aufstrebende Wunderkind des gegenwärtigen amerikanischen Films, als einer, der mit einer neuerlichen Filmsprache beweist, dass Autorenfilm und Genrekino kein Widerspruch ist: Robert Eggers. Mit nur drei Filmen hat er sich zu einem vielversprechenden Namen etabliert. Nosferatu, die Neuverfilmung des Filmklassikers von Friedrich Wilhelm Murnau, ist seine aktuelle Regiearbeit.

Eggers Interesse am Mythos zeichnen alle seine Filme im Besonderen aus. Er ist deshalb jemand, der sich besonders nahe am Genrekino bewegt, er liebt die großen Erzählungen und ihre Archetypen, die zeitlos und immer neu interpretierbar sind. Eggers Filme sind also offenkundig Genrefilme, Horror- und Abenteuerfilm. Er entzieht sich diesen festen Kategorien nicht, jedoch unterwandert und erweitert er sie, immer die Schnittstelle zwischen reinem Unterhaltungsfaktor und intellektuellem Verweissystem bedienend. Für diese Erneuerungstendenz genügt der Blick auf Robert Eggers Werdegang: Der spätere Regisseur fand zunächst als Kostüm- und Produktionsdesigner zum Film, er ist somit ein Künstler, der sich seine Filmwelten besonders über die Form erschließt. Dies ist ein nicht unwichtiger Aspekt seines Schaffens, liegt darin doch sein besonderes Auge für die visuelle Gestaltung der Räume, durch die Ausstattung, durch Requisiten und Kostüme – er ist ein wahrer Metteur-en-Scène, der dem ursprünglichen französischen Wortgehalt des Begriffs sehr entspricht. Bei Eggers finden so die festen Formeln filmischer Erzähltradition und der individuelle Kunstwille, der Sinn für die äußere Gestaltung, auf innovative Weise zusammen. In Hollywood zählt er damit zu der neuen Generation an Regietalenten, die das vorformatierte Unterhaltungskino mit modernistischen Kunstansprüchen durchziehen – so etwa Ari Aster, Jordan Peele, Alexander Garland.

Neben einer Handvoll Kollegen hat sich Eggers als ein Vertreter des ‘Art-Horrors’ einen Namen gemacht: In seinem Debütfilm The Witch (2015) kombinierte Eggers klassische Horrormotive mit dem Erwachen weiblicher Sexualität in einer repressiven, puritanischen Glaubensgemeinschaft im Neuengland des 17. Jahrhunderts. Von dem Produktionsstudio A24 klug vermarktet, wurde dieser Film zugleich als überaus generisch wahrgenommen, als ein Genrefilm, und als besonders stilbetonter, kunstvoller Arthousefilm: Als der jüngste Sohn verschwindet, verdächtigen die fanatischen Eltern ihre Tochter Thomasin (Anja Tylor Joy) eine Hexe zu sein. Der Horrorfilm entfaltet in eindringlichen Bildern den uralten Konflikt zwischen Gut gegen Böse und bietet dabei zwei unterschiedliche Interpretationsansätze an: Die aufgeklärte Perspektive deutet das Schicksal der Familie als selbstverschuldetes Ergebnis von Schmerz und religiösem Wahn, während die mythologische Lesart eine Volkssage ganz beim Worte nimmt. Der wahre Schrecken entsteht aus der strikten Trennung dieser beiden Ansätze, die keinen Raum für Überschneidungen lässt.

Unterdrückte Sexualität, Isolation und Wahn prägen auch seinen nächsten Spielfilm The Lighthouse (2019) in dem er Robert Pattinson und Willem Dafoe in einem kammerspielartigen Schauspielerduell vor der Kamera zusammenbrachte. Angesiedelt in den in den späten 1890er Jahren folgt die Geschichte zwei Leuchtturmwärtern, Thomas Wake (Dafoe) und Ephraim Winslow (Pattinson), die auf einer abgelegenen Insel leben. Während sie sich um den Leuchtturm kümmern, beginnen die beiden Männer der rauen Umgebung zu verfallen, während ihre Beziehung sich konfliktbeladen zuspitzt. Die düstere Atmosphäre ergibt sich aus der Schwarz-Weiß-Fotografie und der eindringlichen Klangkulisse. Eggers Anspruch entsprechend verschwimmen bald die Grenzen zwischen Realität und Wahn: Dem intensiven und surrealen Erlebnis soll hier das Augenmerk gelten, nicht zuletzt, weil Eggers seine Verweise auf Bibelerzählungen, die Odin Sage und weitere mythische Stoffe spielerisch herstellt. Eggers akribische Recherchearbeit, die sorgfältige Auswertung historischer Quellen, sowie die detailgetreue Übernahme von Textdokumenten und Artefakten gehören dabei zu einem Markenzeichen des Regisseurs.

Seine Faszination an mythischen Stoffen wurde schließlich mit The Northman (2022) ganz offenkundig. Seine Hinwendung zu diesem Urtext aus altnordischer Zeit, der Amletus-Saga und seine Bearbeitung stellen eine wesentlich radikalere Steigerung gegenüber der beiden Vorgängerfilme dar. Erzählerisch operiert dieser Film über die Muster des Abenteuerfilms, die Reise ist der handlungsgebende Topos, die hier nur noch von Rache bestimmt zu sein scheint. Als der abtrünnige Bruder Fjölnir (Claes Bang) den König Aurvandil (Ethan Hawke) tötet, sinnt sein Sohn auf Vergeltung. Als erwachsener Mann kehrt Amleth (Alexander Skarsgård) in seine Heimat zurück, um den Mord an seinem Vater zu rächen und seine Mutter Gudrún (Nicole Kidman) zu befreien. Eggers schafft hier mit der immer wiederkehrenden Einflechtung von heidnischen Ritualen und mythisch aufgeladenen Traumsequenzen einen Wikingerfilm, der weit entfernt ist von den romantisierten Darstellungen, wie sie die Fernsehserie Vikings abbildet. Ähnlich wie Nicolas Winding Refns Valhalla Rising (2009) konfrontiert dieser Film mit Versatzstücken aus der nordischen Mythologie, die so stark aufgeladen sind, dass sie nur mehr Ratlosigkeit als Effekt erzielen und so auf brachiale Weise eine Stimmung ins Bewusstsein heben, die sonst in Filmen eher Subtext ist. Eggers geht es hier einmal mehr um die sinnliche Filmerfahrung, das Eintauchen in eine Erlebniswelt von Archaik und Determination.

Für den Mythos so bedeutsam ist die Idee der Schicksalshaftigkeit, die Vorsehung, die alle menschlichen Geschicke letztlich leitet: Darauf zielen die Filme Eggers, vornehmlich sind es Männer, die an ihren jeweiligen Vorhaben scheitern, deren Abwendung des Schicksals so illusorisch ist, wie ihr Wille zur Selbstbestimmung aussichtslos ist. So auch in seinem neuesten Film: Dass sich Eggers an eine Neuverfilmung des expressionistischen Filmklassikers von Friedrich Wilhelm Murnau wagt, dürfte weiter nicht verwundern. Murnaus Schauermärchen von 1922 etablierte das Grauen im Kino auf eine nie zuvor gesehene Weise, noch bevor sich der Begriff des Horrorfilms überhaupt etabliert und gefestigt hatte. Eggers Nosferatu (2024) ist vornehmlich eine ehrfürchtige Huldigung an das Original, dessen erstmaliges Erleben für Eggers zu der prägenden filmischen Sinneserfahrung wurde, die ihn zum Filmschaffen brachte. Die Geschichte folgt dem Immobilienmakler Thomas Hutter (Nicolas Hoult), der nach Transsilvanien reist, um einen mysteriösen Kunden, Graf Orlok (Bill Skarsgård), zu treffen. Orlok entpuppt sich als ein vampirähnliches Wesen, das nicht nur Hutter, sondern auch seine Frau Ellen (Lily Rose-Depp) bedroht, mit der er sich zutiefst schicksalsverwandt sieht. Alle Bemühungen Hutters, auch mit der Unterstützung des verschrobenen Vampirjägers Albin Eberhart Von Franz (Willem Dafoe), das Unheil abzuwenden, und seine Geliebte aus den Fängen des Monsters zu befreien, müssen scheitern. Aus Eggers Anverwandlung des Stoffes spricht die unbedingte Hingabe zur visuellen Gestaltung, die sichtlich Anleihen bei der Romantik macht: die sorgfältigen Bildarrangements, die Tiefenschärfe, die aufwändigen Kostümierungen und die detailversessenen Ausstattungen. Es ist eine moderne Rückbesinnung auf den expressionistischen Stummfilm einer Zeit, in der der Film zuvorderst ein visuelles Medium war und sich der Horror noch aus Schauerhaftigkeit und Grusel nährte.

Marc Trappendreher
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