Da liegt sie über einer „riesigen Lache mittlerweile getrockneten Blutes“, die gute alte Frau Bange –, mitten in der Eingangshalle auf dem Eichentisch, die Gliedmaßen an den Tischbeinen festgeschnürt und die Kehle so gründlich durchgesäbelt, dass der Kopf „nur noch durch einige wenige Haut- und Sehnenfetzen mit dem Rest verbunden ist“. Reichlich ratlos, die Nerven notdürftig mit einer Flasche „Schwedenkräuter“ aus der Küche stärkend, stehen der Ziegenkäsereibesitzer, der Metzgermeister, die Blumenverkäuferin und der Bürgermeister vor dem makaberen Stillleben herum. Was in aller Welt kann die einfältige Haushälterin verbrochen haben, dass jemand sich dazu genötigt fühlte, sie mit solchem Aufwand abzuschlachten? Sie sogar fachmännisch zu schächten, wie der Metzgermeister zu präzisieren weiß?
Für Manfred Lehmann, den Bürgermeister und Arbeitgeber des Opfers, steht jedenfalls fest: So kurz vor den Wahlen kommt ihm der Schlamassel wenig gelegen. Da alle Anwesenden noch den einen oder anderen Gefallen von ihm benötigen (Aufenthaltsgenehmigung, Vergrößerung des Betriebs – diese Art von Prioritäten), stiftet er sie dazu an, den Mord erst einmal zu vertuschen. Mord und Totschlag hin oder her; Privatinteressen gehen vor. Da machen natürlich alle mit. Wie um die Künstlichkeit der Situation zu unterstreichen, wird die blutleere Leiche also in transparente Plastikfolie eingewickelt, bis sie aussieht wie ein Kegel Kebabfleisch, und in den Kühlraum der Metzgerei verfrachtet, wo sie bis zur Wiederwahl Lehmanns zwischen den Schweinehälften baumelt.
Aber was dann? Wim van Hout, noch ziemlich gebeutelt vom Verlust seiner Lieblingsziege, und der psychich erstaunlich labile Metzger sollen die luftdicht verpackten Überreste von Frau Bange in einem Waldstück verscharren. Das eigentliche Problem kommt anschließend aber erst noch auf Wim und Metzger Schwane zu: Wer war’s?
So viel darf man vorab verraten: Es fließen noch einige Liter Blut ins Land, bevor der Täter entlarvt werden kann. Außerdem muss man nicht Angela Lansbury sein, um zu wissen, dass man dem Mörder irgendwo auf den ersten Seiten des Romans begegnet sein wird; das Ratespiel um Motive und die Suche nach Indizien kann also beginnen.
Trio mit Ziege ist kein Krimi von der Art, wie sie sonntagabends im öffentlich-rechtlichen Fernsehen laufen. Susanne Jaspers geht es nicht um die Darstellung etwaiger Abgründe der menschlichen Seele; sie gibt ihre Geschichte auch nicht als vorgegaukelte Realität aus. So wie in diesem Roman spielen sich Mordfälle in der „wirklichen Welt“ (hoffentlich) nicht ab. Trio mit Ziege ist ein Spektakel, eine Aufführung in einer von vornherein artifiziellen Welt, in der alle Figuren einen klar definierten Part einnehmen und in der Morde aufwändig inszenierte Zwischenfälle sind, von denen sich niemand persönlich betroffen fühlt – es sei denn, dies wird vom Part verlangt. Die Autorin bereitet sich einen Spaß daraus, sämtliche Charaktere mit einem ordentlichen Knacks zu versehen: Der arme Metzgermeister zerlegt zwar täglich Tierkadaver zu pfannengerechten Portionen, fällt aber beim kleinsten Anzeichen von Stress sofort in Ohnmacht, der grundfaule Wachtmeister fahndet nach einem Fahrraddieb, den das ganze Dorf kennt und der sonst eher bodenständig wirkende Wim unterhält ähnlich zärtliche Gefühle zu seinen Ziegen, wie man sie zuletzt an Roberto Benigni in Night on Earth beobachten konnte.
Der Knacks des Mörders, und damit das Tatmotiv, kommt jedoch erst ganz am Ende zum Vorschein; selbst einem analytisch geschärften Geist dürfte da nicht frühzeitig ein Licht aufgehen. Zwar fehlt es Jaspers nicht an Wortwitz und dem der Textgattung entsprechenden Sinn für geschmacklose Details – im Abguss kullernde Ziegenaugen und ähnliches –, aber so richtig viel Freude angesichts dieses ziemlich etymologisch verstandenen Sarkasmus will beim Lesen dennoch nicht aufkommen. Die Schuld daran trägt weder die gnadenlose Überzeichnung des Figurenensembles noch der betont arglose Umgang mit der blutigen Abrichtung der Opfer. Dass Trio mit Ziege trotz eines durchaus nicht unangenehmen frivolen Grundzugs eine doch frustrierende Lektüre bietet, hat vor allem damit zu tun, dass der Leser beim Ratespiel um die Auflösung der Mordfälle zwar zuschauen, aber nicht mitraten darf. Statt ihn gezielt in die Irre zu führen, lässt Jaspers ihn mit den Hauptfiguren im Dunkeln tappen und präsentiert ihm bis zum Finale kaum den Ansatz eines plausiblen Motivs oder eines glaubwürdigen Verdächtigen. Das liest sich flott und ohne größere Widerstände, ist stellenweise recht erheiternd, aber insgesamt auch ein bisschen langweilig.
Susanne Jaspers: Trio mit Ziege. Kriminalroman. Éditions Saint-Paul, Luxembourg 2009; 18 Euro; ISBN 978-2-87963-734-1.