Eigentlich eine Selbstverständlichkeit möchte man meinen: Es gebe kein Recht auf ein Kind, sondern nur Rechte von Kindern, unterstrich der Kinderbeauftragte René Schlechter diese Woche. Er bezog sich auf ein kürzlich erschienes Minderheitsgutachten zweier Staatsratsvertreter, ob homosexuelle Paare Kinder adoptieren können sollen. Die Autoren sprechen von einem „fundamentalen Wechsel“, der mit der Öffnung der Ehe und der Adoption für Schwule und Lesben verbunden sei, und betont, dass bei einer Prüfung einer Adoption stets das Kindeswohl im Mittelpunkt stehen sollte.
Die betont vorgetragene Sorge um die Rechte der Kinder ist lobenswert, allerdings haben die Rechte der Kinder in der Vergangenheit kaum eine Rolle gespielt, wenn Minderjährige hierzulande in den Erwachsenenstrafvollzug eingesperrt wurden. Mit den Kinderrechten ist es auch schnell vorbei, wenn es darum geht, Flüchtlingskinder oder auffällig gewordene Heimkinder aus Asylunterkünften oder Schulen von Polizisten in Uniform abholen zu lassen. Oder wenn es darum geht, eine Einrichtung für schwer verhaltensauffällige Kinder aufzumachen, und sich Gemeinden lieber um ihren guten Ruf sorgen als die Kinder aufzunehmen.
Selbstverständlich gibt es kein Recht auf ein adoptiertes Kind. Die gründliche und gewissenhafte Prüfung des sozio-ökonomischen und psychologischen Hintergrunds möglicher Adoptiveltern ist eine Pflicht, gilt es doch dem Kind ein Zuhause zu finden, in dem es Geborgenheit und Liebe findet und ihm weitere Traumatisierungen oder Entwurzelungen erspart bleiben. Doch die besondere Betonung des Kindeswohls im Kontext der Diskussion um die gleichgeschlechtliche Ehe hat einen Beigeschmack, nicht nur, weil es in Luxemburg Richter gab und gibt, die homosexuellen Paaren per se die Eignung absprechen, Kindern liebevolle Eltern zu sein, nur weil Mutter oder Vater fehlen. Und damit auch Einelternfamilien gleich mitdiskreditieren.
Die Autoren des Minoritätsgutachtens fragen, ob nicht „mit der sexuellen Orientierung verbundene Einstellungen und Verhaltensweisen“ Gegenstand einer Eignungsprüfung bei einer Adoption sein müssten. Was genau sie damit meinen, sagen sie nicht. Aber offenbar geben ihnen die Verhaltensweisen heterosexueller Menschen weniger Anlass zur Sorge. Auch verweisen sie auf vermeintliche Identitätsprobleme, die Kinder homosexueller Eltern laut Aussagen von (Luxemburger) Psychiatern in der Pubertät durchlaufen könnten.
Abgesehen davon, dass auch Kinder, die bei (heterosexuellen) Müttern und Vätern aufwachsen, von diesen vernachlässigt werden können (und werden), die sexuelle Orientierung demnach keine Garantie für ein liebevolles Aufziehen ist, dass Identitätskrisen zur Pubertät oft dazugehören und dass Studien bisher keine negativen Folgen für die Kindern in so genannten Regenbogenfamilien nachweisen konnten, senden die Kritiker das falsche Signal: Statt die Gesellschaft zu hinterfragen, die Kinder von lesbischen Müttern oder schwulen Väter diskriminiert, wird das Problem kurzerhand bei der sexuellen Orientierung der Eltern verortet.
Gegner der Homo-Ehe ignorieren gerne, dass schon heute Kinder bei lesbischen Müttern und schwulen Vätern aufwachsen. Auch hier in Luxemburg. Es ist die Pflicht des Staates, sie zu schützen, unbesehen, wo sie herkommen oder mit wem ihre Mutter oder ihr Vater einvernehmlich Bett und Stuhl teilt. Wer wirklich im Wohl des Kindes handeln will, sollte deshalb Sorge dafür tragen, dass alle Kindern denselben Schutz bekommen, ganz gleich welche sexuelle Orientierung, Hautfarbe oder Herkunft ihre Eltern haben. Alles andere sind Scheinargumente.