Verwaltungsreform

Fabelwesen

d'Lëtzebuerger Land du 23.07.2009

Der ehemalige Generalsekretär der Beamtengewerkschaft CGFP, Jos Daleiden, hatte die Verwaltungsreform einmal mit dem Monster von Loch Ness verglichen. Vielleicht weil man jahrzehntelang davon hörte, sie aber nie sah.

Das hat sicher damit zu tun, dass in manchen Verwaltungen bürokratische Abläufe, verkrustete Hierarchien und konservative Beamte jede Reform als einen Kampf gegen die Schwerkraft erscheinen lassen. Es hat aber wohl auch damit zu tun, dass die vom Ruf nach Abbau des Staats, Privatisierung und Deregulierung angeheizten Erwartungen in eine Verwaltungsreform gar nicht erfüllt werden können – während Umweltschützer, Konsumentenvereine und andere Lobbys gleichzeitig immer strengere Auflagen und Kontrollen verlangen.

1999 wurde das Ministerium des öffentlichen Dienstes sogar in Ministerium des öffentlichen Dienstes und der Verwaltungsreform umbenannt und gleich zwei Regierungsmitgliedern, Lydie Polfer und Jos Schaack (DP), anvertraut. Doch obwohl oder weil der zuständige Staatssekretär Vorstandsmitglied der CGFP war, blieb die Reform ein Fabelwesen. Auch der Nachfolger, Claude Wiseler (CSV), und Wirtschaftsminister Jeannot Krecké (LSAP) sind offenbar gescheitert. Andernfalls wäre es kaum nötig, dass Premier Jean-Claude Juncker (CSV) nun, fast 15 Jahre nach dem Frieseisen-Bericht, die Vereinfachung der Verwaltungsprozeduren als Teil einer Verwaltungsreform sogar zur Chefsache machen muss.

Die neue Koalition hat sich viel vorgenommen. Zum einen will sie das Beamtenstatut und das Disziplinarrecht lockern, welche die Beamten vor Druck von außen schützen sollen. Besoldung nach Leistung soll „kein Tabu“ mehr sein, wie Jean Asselborn am Montag dem LSAP-Kongress erklärte. Hochrangige Beamte sollen jederzeit von ihren Verantwortungen entbunden werden können und arbeitsscheue Beamte zum Arbeiten gebracht werden, wie der Parteipräsident und neue Minister des öffentlichen Dienstes, François Biltgen, am Montag dem zufriedenen CSV-Kongress versprach.Zum anderen wollen CSV und LSAP vor allem die Amtswege für mittelständische Unternehmen verkürzen, die sich keine Rechtsabteilungen leisten können. Anträge im Rahmen der europäischen Dienstleistungsrichtlinie sollen bereits durch Stillschweigen der Verwaltung bewilligt werden, das Kommodo-, das Naturschutz- und das kommunale Raumplanungsgesetz sollen gelockert werden.

Manche dieser Ankündigungen machten bereits den ganzen Stolz des im Mai verabschiedeten Konjunkturprogramms aus und wurden wärmstens von Handels- und Handwerkerverbänden begrüßt. Und wenn François Biltgen seinem Parteitag ankündigen konnte, dass bei Baugenehmigungen künftig „der Bauperimeter Vorrang vor dem Biotop“ hat, ohne gleich öffentlich als Ketzer verbrannt zu werden, zeigt das, dass die Rezession ein Rollback von während Jahren verschärften administrativen Auflagen möglich macht, das bis vor kurzem unvorstellbar schien.

Doch wenn nun der Premierminister für die Vereinfachung der Verwaltungsprozeduren verantwortlich wird, soll zuerst das bisherige Kompetenzgerangel zwischen Ministern beigelegt werden, die sich nicht von gleichrangigen Kollegen hineinreden lassen wollen. Aber es ist auch eine Form der Hilflosigkeit. Denn wenn sogar der Premierminister sich an der Verwaltungsreform die Zähne ausbeißen wird, kann sie nur noch dem Großherzog überantwortet werden. 

Romain Hilgert
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