Nächste Woche kommt erstmals seit der Wahl eines neuen Parlaments der parlamentarische Geheimdienstausschuss zusammen. Er wurde bei der Reform des Nachrichtendienstes 2004 geschaffen, um den bis dahin als Spëtzeldéngscht des jeweiligen CSV-Staatsministers verschrienen Dienst nach dem Vorbild der Nachbarländer etwas zu demokratisieren. Schließlich war die Daseinsberechtigung des Dienstes mit dem Ende des Kalten Kriegs und etlichen Pannen erneut in Frage gestellt worden. Doch die Attentate vom 11. September 2001 bescherten ihm unverhofft eine zweite Jugend und bis dahin nie gekannte personelle und materielle Mittel.
Der Commission de contrôle parlementaire du Service de renseignement de l’État gehören die durch Gesetz zum Schweigen verdonnerten Fraktionsvorsitzenden an. Während der vorherigen Legislaturperiode hatten sie erst einmal ziemlich langwierig und schwerfällig versucht, sich zu organisieren, eine Arbeitsweise zu erfinden und über den Staatsminister Kontakt mit den Geheimen aufzunehmen. Davon zeugte auch ihr erster, das Jahr 2006 umfassenden Rechenschaftsbericht.
Doch nun stellt sich die Frage, ob diese ersten Erfahrungen nicht vergebens waren. Denn seit den Wahlen haben die drei größten Fraktionen neue Vorsitzende: Der Geheimdienstausschuss ist nun mit völlig neuen und in dieser Frage unerfahrenen Leuten besetzt. Nur der Grüne François Bausch gehörte dem Ausschuss bereits zuvor an, so dass er flugs zum Ausschussvorsitzenden gemacht wurde. Was nicht ohne Ironie ist, da seine Partei bis vor zehn Jahren in ihren Wahlprogrammen die Abschaffung des Nachrichtendienstes versprochen hatte. Doch Bausch ist der einzige, der seinen Ausschusskollegen Jean-Louis Schiltz, Lucien Lux und Xavier Bettel sagen kann, wie der Ausschuss funktioniert.
Und der funktioniert nicht schlechter als der Nachrichtendienst selbst. Dessen Direktor Marco Mille war in politischen und Justizkreisen zuerst als umgänglicher und offener als sein Vorgänger Charles Hoffmann gelobt worden. Doch inzwischen scheint sein Ruf aus eigenem oder fremdem Verschulden gelitten zu haben. Die parlamentarische Kontrollkommission gewann jedenfalls während der vergangenen Legislaturperiode langsam den Eindruck, dass der Direktor darüber entscheidet, was sie an seinem Dienst kontrollieren darf. Und das nicht nur, wenn es um die Sicherheit der Freien Welt geht, sondern auch oder vor allem um die Arbeitsweise und Personalpolitik des Dienstes. Während die Kommission dem Dienst mit viel Medienrummel einen ziemlich lächerlichen Persilschein in der Bommeleeër-Affäre vor 25 Jahren ausstellte, musste der Dienst gleichzeitig diskret einem externen Audit unterzogen werden, suchten gleich mehrere Agenten der sensiblen Abteilung „Opérations“ das Weite.
Dienstherr Jean-Claude Juncker versuchte, die politische Verantwortung für die Probleme an den Kontrollausschuss abzutreten, indem er diesen bat, bei seinem Dienst nach dem Rechten zu sehen. Doch angesichts der fehlenden Kooperationsbereitschaft des zuständigen Direktors verfasste der Ausschuss zwei Tage vor den Wahlen im Juni als eine Art Testament einen alarmierenden Rechenschaftsbericht für 2008. Darin verlangte er eine Reform des Gesetzes von 2004, damit der Dienst den Parlamentariern nicht länger Probleme zu verschweigen versucht, sondern sie „proaktiv“ und unaufgefordert meldet. Das Koalitionsabkommen sieht nun tatsächlich eine erste „Bewertung“ der Reform von 2004 vor. Doch mit einem Kontrollausschuss, der wieder fast bei null anfangen muss, dürfte der Nachrichtendienst erst einmal eine Verschnaufpause bekommen.