Folgende Szene enthält das Problem dieses Film: D'Artagnan, der junge Held, betritt eine Schänke, in der die Musketiere im Alkohol ihren Frust darüber ertränken, dass König Louis XIII. sie auf Betreiben des intriganten Kardinals Richelieu vom Dienst suspendieren ließ. D'Artagnan will, dass sie mit ihm in den Kampf ziehen. Die Musketiere wollen nicht, und als D'Artagnan sie an ihre doch so legendäre Tapferkeit erinnert, hebt Porthos traurig seinen Kopf vom Weinbecher und sagt: "Perhaps this has only existed in your young boy's imagination."
Natürlich folgen Porthos, Athos, Aramis und zig andere D'Artagnan am Ende doch, und alles wird gut. Gemeinsam stürmen sie die Burg, in der Monsieur Fèbre, der Gegenspieler D'Artagnans, nicht nur dessen Geliebte Françoise gefangen hält, sondern gar die Königin und den englischen Unterhändler Lord Buckingham, der einen Krieg zwischen England und Frankreich verhindern will. Man kennt die Geschichte um D'Artagnan ja; sie wurde seit 1913 noch 15 Mal fürs Kino verfilmt und wenigstens drei Mal fürs Fernsehen. Anders an der jüngsten Kinofassung von Peter Hyams ist, dass es sich bei der Burg, die gestürmt wird, um das Château de Vianden in Luxemburg handelt und diese amerikanisch-britisch-deutsch-lu-xemburgische Koproduktion auch mit Geld aus dem hiesigen Tax Shelter finanziert wurde. Vor allem aber soll sie der MTV-Generation gefallen: Wie das ist mit der "young boy's imaginantion", darüber hat sich Regisseur Hyams (z.B. Timecop und 2010) Gedanken ge-macht. Und ließ die Kampfszenen von einem bewährten Choreografen des Hongkong-Actionkinos gestalten, die Mantel-und-Degen-Ästhetik der alten Schule mit ihren lang ausgehaltenen Einstellungen und ihrem eher distanzierten Kamerablick durch schnellere Szenenfolgen ersetzen, in den Szenen aber sollte mehr Abwechslung geboten werden. Zweitens sollte die Love story zwischen D'Artagnan und Françoise eine große Rolle spielen; heißt es doch, junge Menschen von heute hätten wieder was übrig für Romantik.
Voilà, und so wirbelt D'Artagnan nach der Vorschrift des Meisters Xiong Xin-Xin bisweilen durch die Luft wie ein Kung-Fu-Kämpfer und kann obendrein, sich um die Körperachse drehend, gegen mehrere Gegner gleichzeitig fechten. Im Prinzip sieht das gut aus. Gut sieht auch Justin Chambers als D'Artagnan aus, ebenfalls gut die American Beauty Mena Suvari in der Rolle der Françoise.
Aber ach: Trotz aller guten Vorsätze gebricht es dem Film an Inspiration. Das Presseheft verrät, dass dem Regisseur das Drehbuch nicht recht zusagte. Das kann man verstehen, denn an Story bietet D'Artagnan wenig. Rache treibt den Helden nach Paris; Fèbre, den Mörder seiner Eltern, will er umbringen. "I don't have any", antwortet er freimütig dem Kardinal Richelieu, als der ihn nach seinen Vorstellungen von Politik fragt. - Eine ehrliche Antwort für einen Filmcharakter, der uninteres-sant bleibt bis zum Schluss. Begreiflich wird jetzt, weshalb zum Teufel sich keine erotische Chemie Justin Chambers und Mena Suvari einstellen will: Suvaris Françoise ist zwar nicht ohne begehrliche Abgründigkeit, Chambers' D'Artagnan aber bleibt auf nichts anderes gepolt als Kampf.
Und so dienen auch alle anderen Figuren nur zur Illustration einer Story, die ihren Helden geradewegs zum Showdown führen will. Da bleibt es ohne Belang, dass Catherine Deneuve als Königin allen Grandeur der französischen Mantel-und-Degen-Schule in sich trägt; geradezu exzentrisch wirkt Stephen Rea, der seinen Richelieu mit viel Verschlagenheit versieht: Wozu nur, da dem Jungen, den er für so gefährlich hält, Politik nichts bedeutet?
Retten kann auch die Kampf-Ästhetik nichts. Beinahe alle diese Szenen sind schlecht ausgeleuchtet und finden gewissermaßen im Schatten statt. Bis auf den Showdown. D'Artagnan und Fèbre (Tim Roth) treten an in einem nachgerade surreal eingerichteten Saal mit sehr hohen Wänden, der voller langer Leitern steht. Auf denen balancieren sie kämpfend aneinander vorbei. Nachteilig nur, dass bei dem vielen Wippen und Fechten das Auge nicht weiß, wohin es schauen soll. Und tatsächlich sieht man gerade in der Zuspitzung aller Dramatik statt der Kämpfer immer öfter nur Leitern, ereignet Fèbres Tod sich so beiläufig, dass man meint, er müsse noch einmal auftauchen.
Mit D'Artagnan ist kurz vor Jahresende einer der überflüssigsten Fil-me des Jahres ins Kino gelangt. Wer ein guter Patriot ist, sollte ihn sich dennoch ansehen - damit der durch die Tax-Shelter-Koproduktion verursachte Steuerausfall für unseren Staat sich am Box office wenigstens ein bisschen abschwächt. Ob es viel hilft, fragt sich allerdings: In den USA ist D'Artagnan ein Flopp.