Chancengleichheitsministerium

Herren der Welt

d'Lëtzebuerger Land du 13.08.2009

Nachdem vor den Wahlen gemunkelt wurde, sie sei amtsmüde, hat Marie Josée-Jacobs (CSV) nach Jahren als Chancengleichheitsministerin nun Platz für ihre jüngere Parteikollegin Françoise Hetto-Gaasch gemacht.Das Staffelholz ist übergeben. Aber der Parcours, der gegangen wird, ist derselbe geblieben. Man, pardon, frau ist in einem Team, folgt denselben Regeln. Zum Beispiel jener, dass mit der Ex-Bürgermeisterin von Junglinster ein weiteres Mal eine Frau das Amt übernimmt, die aus der konservativeren Landregion stammt, dieses Mal dem Osten. Wie Jacobs vor ihrer Ernennung ist auch Hetto-Gaasch in Sachen Chancengleichheit ein unbeschriebenes Blatt. 

Sie müsse sich in das Ressort noch einarbeiten, sagte die ehemalige Sozialarbeiterin im Tageblatt und ist stolz darauf, vom Premierminister selbst zum Ministeramt „überredet“ worden zu sein. Das Mittelstandsministerium läge ihr am meisten, so Hetto-Gaasch. Die Einsilbigkeit in punkto Gleichstellung kommt nicht von ungefähr: Weder als Abgeordnete noch in ihrem Beruf als Radio-Moderatorin von RTL ist die 49-Jährige bislang durch frauenpolitische, geschweige denn feministische Positionen aufgefallen. Mit der Personalie Hetto-Gaasch entscheidet sich die CSV für den „séchere Wee“, ihrer Linie treu bleibend, bloß keine Frau (oder Mann) ans Ruder zu lassen, die aus dem stiefkindlichen Ressort etwas Größeres machen wollte. Ganz aus der Hand geben, mag die CSV es aber auch nicht, das Amt hilft immerhin, das konservative Image aufzumöbeln.

Im Frauenministerium keimt gleichwohl die zarte Hoffnung, die neue Chefin könnte in der Arbeitswelt und bei den Unternehmen Impulse setzen. Das sind erklärtermaßen die Lieblingsthemen der zweifachen Mutter, die von Fernand Boden das Mittelstands- und das Tourismusministerium übernommen hat. Und in der Tat kündigt das Koalitionsprogramm an, die unternehmerische Selbständigkeit von Frauen fördern zu wollen. Aber wie und wann verrät es nicht. Das heimliche Leitmotiv des Regierungsprogramms, Weiter so!, ohne konkre­te Wege vorzuschlagen, setzt sich im Chancengleichheitskapitel fort. Innovative Ideen Fehlanzeige, dafür werden uneingelöste Versprechen erneuert: „Le gouvernement entend promouvoir la création de droits personnels dans la Sécurité Sociale“– das mit derselben Unverbindlichkeit gegeben wird wie andere Versprechen, etwa endlich alle Statistiken nach Geschlecht aufzuschlüsseln oder den Gender-Mainstreaming-Ansatz in der Regierungspolitik konsequenter durchzuziehen. Für mehr Lohngleichheit sollen bestehende Gesetze geprüft werden, „en vue de renforcer les obli­gations relatives à la mise en oeuvre de l’égalité salariale et en vue d’inci­ter les entreprises à une obligation de résultats pour atteindre les objectifs fixés en la matière.“ Welche Zie­le fixiert wurden, sagt das Papier aber nicht.

Von der Ankündigung, das Schwangerschaftsabbruchsgesetz überarbei­ten zu wollen, abgesehen, wird unter der neuen Ministerin der alte Ansatz fortgeführt: Lieber sensibilisieren und analysieren statt konkrete Ziele und feste Zeiten vorgeben. Das tut keinem weh, weil es niemanden zu nichts verpflichtet, und kostet nicht viel. Gleich 13 Mal werden Analysen angekündigt: Die zwischen 2004 und 2009 verabschiedeten Gesetze sollen auf ihre Auswirkungen auf die Geschlechter untersucht, die Situation der Frauen im Staats- und Gemeindedienst durchleuchtet werden und die der Migrantinnen ebenso. Nach dreißig Jahren Einwanderungsboom hat nun auch das Chancengleichheitsministerium diese Klientel entdeckt. Die Prostitution, der Elternurlaub, die Beitragsberechnung in der Sozialversicherung und, aktuell, die Konsequen­zen der Wirtschaftskrise auf die Frauen werden untersucht. Nicht zu vergessen, die Untersuchung über Frauen in Führungspositionen von Politik und Wirtschaft für die geplante Neuauflage des nationalen Aktionsplans. 

Auf keinen Fall aber will die CSV Lehren aus den vielen Studien ziehen, dessen Ergebnisse ohnehin vorhersehbar sind: Obwohl die Frauenerwerbs­quote besser sein könnte, Frauen in Verwaltungsräten und Chefetagen eine Rarität sind – die Koalition bleibt bei ihrer Trippelschrittpolitik. Verbindliche Frauenquoten sind pfui, freiwillige „positive Aktionen“ hui, die auf den öffentlichen Sektor ausgedehnt werden sollen. Wenn sie dort ähnlich wirken wie in der Privatwirtschaft, wird der Abbau der „Gläsernen Decke“ zur Jahrhundertaufgabe. 

Da setzen Luxemburgs Frauen doch besser auf Brüssel. Von dort kamen bisher fast alle größeren Impulse. So wird die Direktive, die Frauen und Männern den gleichen Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen garantiert, womöglich doch überarbei­tet. Die CSV hatte, trotz Protesten von Frauenorganisationen, die Bereiche Erziehung und Medien zuvor ausgeklammert, und will nun – besser gesagt, muss – in den kommenden fünf Jahren hierzu ein „Gesetzes­projekt entwickeln“. 

Man wolle in kontroversen gesellschaftlichen Fragen „Brücken“ schlagen, sagte der Premier diese Woche im Rheinischen Merkur. Schon, um nicht von anderen Parteien überholt zu werden. Die Gleichstellung von Mann und Frau hat er offenbar nicht gemeint. Das überragende Wahlresultat dürfe nicht den Eindruck vermitteln, „dass wir Christdemokra­ten die Herren (sic!) der luxemburgischen Welt sind“, so Juncker weiter. Zumindest die Ansage ist klar.

Ines Kurschat
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