Eine Monarchie in demokratischen Zeiten kämpft rastlos mit den Widersprüchen ihrer Selbstinszenierung. Um Monarchie zu sein, muss sie durch Unnahbarkeit ihre Auserlesenheit zur Schau stellen; um demokratisch legitimiert zu sein, muss sie sich volksnah geben. Gottgesandt und zugleich eine Familie wie du und ich, das großherzogliche Paar verkörpert diese Widersprüche selbst: Großherzog Henri zeigt aristokratische Zurückhaltung, während Großherzogin Maria-Teresa sich öffentlich über ihre Schwiegermutter ärgert. Auch das großformatige Fotobuch La famille grand-ducale erzählt von diesen Widersprüchen. Wie viele Fotobücher zum Thema enthält es vorwiegend ziemlich steife und ziemlich langweilige Fami-lienbilder, die nur durch das schwere Glanzpapier mit diskretem Zweifarbendruck, also den Buchpreis, und einige stereotype Si-tua-tionen zeigen, dass die abgebildete Familie eine besondere ist. Denn wenn Jung und Alt nicht gerade im Sonntagsanzug auf dem Sofa oder im Garten posieren, befinden sie sich meist lächelnd genau im Mittelpunkt lächelnder Menschen. Manchmal tragen die männlichen Familienmitglieder Uniform, manchmal drücken die weiblichen Familienmitglieder Kinder oder Behinderte an sich, und manchmal rutscht ein Leibwächter mit ins Bild. Doch eine unsichtbare Hand hat alle Fotos ausgesondert, auf denen sie nicht schön, reich und gütig aussehen, wie Monarchen von Berufswegen auszusehen haben. Aber das Genie dieses Buches, das es von den vielen ähnlichen unterscheidet, ist sein Fotograf. Manuel Dias ist kein halbverbeamteter Hoffotograf, der hochoffizielle Porträts für Schulen und Amtsstuben arrangiert, nicht einmal ein Berufsfotograf, der Bilder gekrönter Häupter an die in Friseursalons herumliegenden Herzschmerz-illustrierten verkauft. Er ist ein Hobbyfotograf, der seit Jahren Fotos der großherzoglichen Familie schießt, wie seine Vereinskollegen von Caméra Luxembourg Landschaften, Tiere oder Akte sammeln. Zusammen mit seiner Ehefrau betreibt er in Rollingergrund das mit Devotionalien geschmückte Café de la Station. Doch gerade der Amateurstatus, gepaart mit einer vielleicht naiven Begeisterung, verleiht ihm jene Volkstümlichkeit, die eine Monarchie in demokratischen Zeiten zur Legitimierung braucht. Deshalb lud der großherzogliche Hof ihn bereits, zum Leidwesen seiner professionellen Konkurrenz, wiederholt zu Fototerminen ein. Zudem ist Manuel Dias portugiesischstämmig und untermauert seine Beziehung zum großherzoglichen Hof mit dem Hinweis auf die portugiesischen Ursprünge der Dynastie. Schließlich heiratete der kranke Großherzog Wilhelm IV. vor einem Jahrhundert die portugiesische Infantin Marie-Anna von Braganza, die es bis zur Regentin brachte. Wer kann aber die Notwendigkeit der Monarchie besser verkörpern, als ein Sohn jenes verwaisten Volkes, das bereits 1910 die Monarchie stürzte und die Republik ausrief, der nun im Luxemburger Großherzog einen Ersatzlandesvater, wenn nicht gar Ersatzvater sucht und in einer endlosen Serie von Familienfotos festhält? Zudem ist die für besonders gottesfürchtig gehaltene portugiesische Immigration die neue Hoffnung, wenn nicht der neue Absatzmarkt für eine Treue zu Thron und Altar, die bei den immer hedonistischeren Eingeborenen verloren zu gehen droht. Weshalb die kurzen Textbeiträge im Buch dreisprachig sind.
Manuel Dias: La famille grand-ducale. Éditions Schortgen. Esch-Alzette, 2004, 239 S., 49,60 Euro.