Von der ersten Immobilie in Echternach, die Willibrord von der Trierer Äbtissin Irmina von Oeren erhielt, bis zur ersten Veröffentlichung einer Bilanz der irdischen Güter der Luxemburger Kirche mussten 1 316 Jahre vergehen. Das Erzbistum hatte kommen gesehen, dass ihre Fidei defenstrix, die CSV, 2013 die Kammerwahlen verlieren und eine Koalition an die Macht kommen würde, die in ihren Wahlprogrammen neue Abmachungen über die staatliche Bezuschussung der langjährigen Staatsreligion angekündigt hatte. Deshalb veröffentlichte es drei Wochen vor den Wahlen eine Bilanz, die zeigen sollte, dass die Kirche gar nicht einen über Jahrhunderte gesammelten Schatz an Opfergeldern und Grundstücken besitzt, sondern in Wirklichkeit arm wie eine Kirchenmaus ist.
So wies das Erzbistum in seiner ersten veröffentlichten Bilanz gleich einen Verlust von 50 Millionen Euro aus. Allerdings war das katastrophale Ergebnis vor allem das Werk mutiger Buchhalter, die den wenige Jahre zuvor aufgebauschten Bilanzwert der Beteiligung am Sankt-Paulus-Verlag um 26 Millionen Euro und des Immobilienbesitzes um 20 Millionen gesenkt hatten. Doch kaum hatte Erzbischof Jean-Claude Hollerich Anfang 2015 eine neue Konvention mit Kultusminister Xavier Bettel unterzeichnet, konnte Generalökonom Leo Wagner einen Profit von 2,6 Millionen Euro vorweisen und sich freuen, „dass wir die nicht einfachen Lage der Finanzen des Erzbistums im Griff haben“. Die Konvention wurde diese Woche vom Parlament umgesetzt, zusammen mit Konventionen zugunsten anderer Religionsgemeinschaften, die den Staat weit billiger zu stehen kommen.
Im vergangenen Geschäftsjahr hatte sich der Profit des Erzbistums laut der vorige Woche vorgestellten Bilanz sogar verdoppelt. Obwohl 2015 der Umsatz von 70,3 auf 66,8 Millionen Euro zurückging, stieg der Profit von 2,6 auf 5,3 Millionen Euro an. Das Erzbistum ist auf dem Papier ein rentables Verlagsunternehmen mit Immobilienbesitz, das eine defizitäre Seelsorge betreibt. Denn sein Umsatz von 66,8 Millionen stammt zu 62,0 Millionen Euro oder 93 Prozent vom Sankt-Paulus-Verlag samt Druck, Buchhandel und anderen Geschäften.
Der Sankt-Paulus-Verlag, das heißt dessen Tageszeitung Luxemburger Wort, ist seit Jahrzehnten die Milchkuh des Erzbistums, das sich deshalb im Zweifelsfall mehr für das Anzeigenvolumen als für die Gottgefälligkeit des Blatts interessieren muss. Denn es ist der Geschäftsrückgang im Druckereibereich und im Pressewesen, der für den Umsatzrückgang des Erzbistums verantwortlich ist. Das Erzbistum, das Eigenmittel von fast 100 Millionen aufweist, bürgt auch für die Beteiligungsgesellschaft Lafayette, die ihrerseits für Bankdarlehen von zwölf Millionen Euro des Verlags bürgt.
4,8 Millionen Euro oder sieben Prozent des Umsatzes des Erzbistums stammten vergangenes Jahr aus seinem Immobilienvermögen. Die Verdoppelung des Profits entstand vor allem durch den Zwei-Millionen-Profit von Lafayette. Gleichzeitig konnte das Erzbistum seine Kosten senken, insbesondere die Personalkosten und die außerordentlichen Aufwendungen für die Sozialpläne des Sankt-Paulus-Verlags.
Seit der ersten vom Erzbistum veröffentlichten Bilanz vor fünf Jahren sind der Geschäftsumsatz und das Immobilienvermögen des Erzbistums stetig gesunken. Als Reaktion darauf ist es ihm gelungen, die Schulden und die Personalkosten zu reduzieren. Angesichts der sinkenden Zahl der Gläubigen und des rückläufigen Umsatzes scheint das Erzbistum über seine Verhältnisse zu leben, bald mehr Gläubiger als Gläubige zu haben. Die nun vom Parlament zum Gesetz gemachten Kürzungen der staatlichen Zuschüsse könnten diesen Eindruck in Zukunft noch bestärken.
Aber die Bilanz des Erzbistums liefert ein etwas einseitiges Bild. Das Erzbistum wurde 1981 nach deutschem Vorbild durch ein eigenes Gesetz zu einer juristischen Person öffentlichen Rechts. Da dies eine eher schwammige Geschäftsform darstellt, für die es keine konkreten Bilanzvorschriften gibt, richtet sich das Erzbistum bei der Aufstellung seiner Bilanz nach dem Gesetz von 1915 über Handelsgesellschaften. So entsteht der Eindruck, dass es sich strengeren Auflagen unterwürfe als nötig. Doch kann es bei der Berufung auf das Gesetz von 1915 die Vorschriften über die Konsolidierung von Beteiligungen nach engen buchhalterischen Kriterien übernehmen.
So konsolidiert das Erzbistum den Sankt-Paulus-Verlag und die Beteiligungsgesellschaften Lafayette und Maria Rheinsheim sowie ein Dutzend kleiner Tochterfirmen. Aber dafür tauchen in der Bilanz des Erzbistums weder die Ordensgemeinschaften mit ihren Krankenhäusern, Altersheimen, Privatschulen und Internaten auf, noch der katholische Wohltätigkeitskonzern Caritas mit seinen Subunternehmen, die Pflegedienstfirma Hëllef doheem oder das in Luxembourg School of Religion & Society umgetaufte Priesterseminar (d’Land, 26.6.15). Unter den am 1. Januar dieses Jahres 20 größten Firmen des Landes führt das Statec drei konfessionelle auf, die Fondation Hôpitaux Robert Schuman mit 2 240 Beschäftigten, die Fondation Stëftung Hëllef Doheem mit 1 900 Beschäftigten und Elisabeth mit 1 600 Beschäftigten.
Selbst die Geistlichkeit, die Pfarrer und Kapläne, gehören laut Geschäftsbilanz nicht zum Erzbistum und folglich auch nicht die entsprechenden staatlichen Zuschüsse für ihre Gehälter und Pensionen. Nicht einmal die Kirchengebäude, in denen sonntags die Messe gefeiert wird, finden sich in der konsolidierten Bilanz des Erzbistums wieder. Sie gehören nach offizieller Lesart von Regierung und Erzbistum zusammen mit weiterem Immobilienbesitz in fast jeder Gemeinde irgendwie den Kirchenfabriken, manche auch vielleicht den Gemeinden, aber genau will das sicherheitshalber niemand wissen. Dass die von den Kirchenfabriken kontrollierten Grundstücke und Gebäude nicht in der Bilanz des Erzbistums auftauchen, ist umso überraschender, als der Erzbischof über dieses Vermögen verfügte, als er im Januar vorigen Jahres eine Konvention mit der Regierung unterzeichnete, um es in einen ihm unterstehenden Fonds zu überführen.
Das Innenministerium will zusammen mit dem Erzbistum bis Ende des Jahres einen Kataster der Kirchenfabriken im Land vorlegen. Nach dem Übergangsgesetz vom 17. März dieses Jahres soll das Parlament vor Ende des Jahres das Gesetz verabschieden, das wohl nicht ohne heftigen Widerstand Hunderte von den Kirchenfabriken kontrollierte Sakralbauten, profane Wohnhäuser und Grundstücke in einen von der Konvention mit dem Erzbistum vorgesehene Fonds de la gestion des édifices religieux du culte catholique überführt. Würde dieser Fonds nach dem Handels- oder dem Kanonischen Recht in der Bilanz des Erzbistums konsolidiert, stiege dessen Bilanz um das Vielfache.
Einen zweiten Fonds als Reaktion auf die Reform der Beziehungen zwischen Staat und Kirchen hat das Erzbistum bereits gegründet, den Fonds d’avenir de l’archidiocèse de Luxembourg. Er gehört zur einer vor vier Jahren gegründeten Stiftung, die sinnigerweise nach Äbtissin Irmina benannt wurde. Aus dieser Stiftung sollen die Gehälter aller Geistlichen finanziert werden, die ab nächstem Jahr eingestellt werden und nicht mehr der Staatskasse zur Last fallen. Im Geschäftsjahr 2015 überwies die Stiftung Irmina 43 020,60 Euro an ihren Zukunftsfonds, der dadurch über insgesamt 116 403 Euro verfügt. Das reichte um vielleicht zwei Priestergehälter ein Jahr lang zu bezahlen. rh.