Über die Führung der Universität Luxemburg, die Rolle der Uni und ihre jüngste „Infragestellung”: Land-Gespräch mit Yves Elsen, Präsident des Conseil de gouvernance von Uni.lu

„Ich bin nicht der Chef“

Yves Elsen
Foto: Sven Becker
d'Lëtzebuerger Land vom 08.09.2017

d’Lëtzebuerger Land: Herr Elsen, sind Sie der eigentliche Chef der Universität Luxemburg?

Yves Elsen: Der eigentliche Chef der Universität ist der Rektor. Er trägt volle Verantwortung für das Tagesgeschäft, sorgt dafür, dass alle Mitglieder des Corps académique forschen und lehren können, die Studenten ihre Vorlesungen erhalten und ihre Prüfungen stattfinden. Er sorgt auch für die kontinuierliche Entwicklung der Uni, und dafür, dass alles konform zum Universitätsgesetz und dem Règlement d’ordre intérieur der Uni abläuft.

Aber Sie sind Präsident des Conseil de gouvernance. Laut Universitätsgesetz definiert der Conseil die Politik der Uni, legt ihre Strategie fest und überwacht deren Umsetzung. Der Rektor exekutiert …

… und schlägt vor! Wie man es im Französischen sagen würde: „le Recteur élabore et propose, et le Conseil dispose“. Der Rektor besitzt das Initiativrecht für Entscheidungen. Er arbeitet auch die Strategien aus. Anschließend legt er sie dem Conseil de gouvernance vor, der sie mit ihm diskutiert. Der Conseil versteht sich als „humble serviteur“ der Universität. Was er beschließt, hat der Rektor schon vorbereitet. Dabei wird der Rektor unterstützt von den Vizerektoren, den Dekanen der Fakultäten und den Direktoren der interdisziplinären Forschungszentren. In dieser sehr umfangreichen Aufgabe stehen ihm beratende Gremien zur Seite. Vor allem der Universitätsrat aus Vertretern der 250 Professorinnen und Professoren, der 6 200 Studentinnen und Studenten und der 1 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Diese Kreise äußern sich im Universitätsrat mit Stellungnahmen zu den Fragen, die der Rektor unterbreitet hat. Dass Schlusswort, das dem Conseil de gouvernance zufällt, muss man sich vorstellen wie in einem System mit Checks and balances: Gut ausgearbeitete Vorschläge des Rektorats werden vom Conseil de gouvernance angenommen, nachdem sie noch einmal auf Herz und Nieren geprüft wurden.

Die Regierung will das Universitätsgesetz reformieren. In dem Gesetzentwurf dazu steht unter anderem, über das, was der Rektor exekutiert, erstattet er dem Conseil Bericht. Die Passage ist neu. Neu ist auch, dass der Rektor im Conseil künftig keine beratende Stimme mehr haben soll, sondern nur einen Beobachterstatus. Das sieht aus wie ein Unterstellungsverhältnis.

Ist es aber nicht. Mag sein, dass im Gesetzentwurf die Passage mit dem Beobachterstatus etwas unglücklich formuliert ist. Der Rektor hat selbstverständlich eine besondere Stellung im Conseil de gouvernance. Die Tagesordnung der Sitzungen wird vom Präsidenten zusammen mit dem Rektor vorbereitet, und das Gesetz legt klar fest, dass der Rektor der Ansprechpartner des Conseil ist.

Zur Erinnerung, neben den sieben Mitgliedern mit Stimmrecht und dem Regierungskommissar sitzt im Conseil auch ein Vertreter der Professorenschaft und einer der Studentenschaft. Nach der Gesetzesreform soll die Präsidentin oder der Präsident der Personalvertretung mit Beobachterstatus hinzukommen. Sie alle sind „invités“ zu den Sitzungen, da findet ein Austausch statt. Was die Berichterstattung durch den Rektor angeht: In Unternehmen und Organisationen gibt es einerseits den Verwaltungsrat, andererseits den Generaldirektor, beziehungsweise den Vorsitzenden des Direktionskomitees. Dass Letzterer dem Verwaltungsrat Bericht erstattet, ist ganz normal und üblich. Dabei geht es zum Beispiel um die Aktivitäten im letzten Quartal, was gut lief und wo es eventuell Probleme gab. So ist das an unserer Universität auch, und der Conseil steht mit dem Rektor im ständigen Dialog. Was übrigens bereits seit 14 Jahren so ist.

Es gibt Professoren, die bedauern, dass der Conseil de gouvernance „hinter verschlossenen Türen“ tage. Im Règlement d’ordre intérieur der Uni steht, die Ratssitzungen sind nicht öffentlich und alle Teilnehmer sind zu strikter Vertraulichkeit über die Beschlüsse verpflichtet. Heißt das, die Vertreter der Professoren und der Studenten können zwar deren Anliegen im Conseil vorbringen, aber anschließend nicht davon erzählen, was dazu entschieden wurde?

Was Sie sagen, nehme ich mit Interesse als ein wertvolles Feedback auf. Schon als Raymond Kirsch dem Conseil de gouvernance vorsaß, führte er die Regel ein, dass nach jeder Sitzung ein Bericht angefertigt wird und die Resolutionen, die der Conseil angenommen hat, innerhalb von fünf Arbeitstagen an der gesamten Uni bekannt gemacht werden. Es werden sogar universitäts-öffentliche Briefings über die Beschlüsse veranstaltet. Das wurde gerade als eine Transparenzmaßnahme eingeführt und wird von den Mitgliedern der Universität angenommen, was der Conseil sehr begrüßt. Vertraulich sind die Abstimmungen und Diskussionsinhalte im Conseil. Das dient auch dem Schutz seiner Mitglieder, seiner Beobachter und der Institution allgemein. Der Conseil soll ein Gremium sein, in dem alle frei reden können und sicher sein können, dass Gespräche vetraulich bleiben. Der Conseil de gouvernance braucht Einheit nach außen, sonst kann er nicht funktionieren. Intern aber wird kritisch diskutiert. In dem Moment, woeine Entscheidung getroffen wird, steht der gesamte Conseil dahinter. Und eine Präsidentschaft besteht darin, einen Konsens zu schaffen, so dass es einstimmige Voten gibt. Ein Präsident sorgt dafür, das alle sich mit der Entscheidung identifizieren können. Wenn der Präsident eine Aufgabe hat, dann diese.

Die Vertreter der Professoren, der Studenten und mit dem neuen Gesetz auch des Personals können die Dokumente des Conseil de gouvernance nicht verteilen, das ist klar. Sie können ihren Kolleginnen und Kollegen aber erklären, warum eine Entscheidung so und nicht anders fiel.

Warum ist dieses Führungsmodell, das dem angelsächsischen angelehnt ist, besser als das der anderen Universitäten in Kontinentaleuropa?

Nach meiner Auffassung entspricht ein angelsächsiches Modell den Anforderungen dieser jungen Universität am besten. Es fördert die Agilität der notwendigen Entscheidungsprozesse. Dass jedes Führungsmodell Vor- und Nachteile hat, wird zurzeit sehr viel an den Universitäten diskutiert. Eine Universität ist eine ganz besondere Einrichtung. Ihre Hauptaufgabe ist es, Wissen zu schaffen und zu verbreiten. Sie lebt von der Exzellenz der Professoren und der Studierenden, und sie braucht einen Rahmen, der es den Professoren erlaubt, neugierig und kreativ zu bleiben, und den Studierenden erlaubt, sich zu entwickeln und zu lernen. Es geht darum, das Modell zu finden, das für jede Institution das beste ist, ihren Besonderheiten Rechnung trägt und zu einem effizienten Entscheidungsprozess verhilft.

Eine Universität ist aber kein privatwirtschaftliches Unternehmen, das effizient sein muss.

Ich spreche nicht von wirtschaftlicher Effizienz. Obwohl: Als Établissement public, das einen öffentlichen Auftrag hat und weitgehend öffentlich finanziert wird, können auch wir uns keine wirtschaftliche Ineffizienz erlauben. Vor allem aber geht es mir bei dieser Frage um Effizienz in den Diskussionen und Entscheidungen. Ist die nicht gegeben, ist das gerade für eine junge Uni gefährlich. Universitäten mit Senat oder Komitees in ihrer Führung sind mindestens hundert Jahre alt. Wir werden dieses Jahr gerade mal vierzehn. Da müssen noch Rahmen und Referenzen geschaffen werden. Diskussionsmöglichkeiten gibt es aber auch bei uns viele! Wir haben den Universitätsrat, Fakultätsräte, die interdisziplinären Zentren haben ebenfalls Gremien. Wir haben ein Managementteam aus dem Rektor, den Vizerektoren, den Dekanen und den Zentrumsdirektoren. Diskutiert wird sehr wohl, doch es gibt Diskussionsketten, die eingehalten werden. Es wäre ganz schlecht, wenn anstehende Entscheidungen bis nach oben zum Conseil de gouvernance gereicht würden, nur damit der beschließt, weil niemand sonst die Entscheidung treffen wollte. Ich meine, unser Führungsmodell enspricht den Anforderungen dieser jungen Uni am besten. Es ist ein modernes Modell. Es hat auf anderen Kontinentalplatten seine Tauglichkeit bewiesen, und es wird derzeit gerade auf jenen Kontinentalplatten angewandt, auf denen das Wachstum für die nächsten nächsten 30 bis 40 Jahre vorbereitet wird. Wir sind ein Land, das manchmal etwas anders denken muss. Sonst hätten wir es nicht 178 Jahre lang geschafft, unabhängig zu bleiben. Und wir haben nur eine Uni, das darf man auch nicht vergessen.

Apropos Wachstum: Im Motivenbericht des Entwurfs zum neuen Universitätsgesetz ist an erster Stelle zu lesen, die Universität solle dem Aufbau der Wissensökonomie und der Schaffung von Kompetenznischen dienen. Wie es scheint, soll sie stärker in den Dienst der nationalen Wirtschaft gestellt werden. Im Conseil de gouvernance repräsentieren drei Unternehmer oder Betriebschefs die Luxemburger Zivilgesellschaft. Einer davon sind Sie. Exemplifizieren die drei Mitglieder die Wirtschaftsinteressen, die auch die Regierung teilt und offenbar für prioritär hält für die Uni?

Erstens: Wer Mitglied wird im Conseil de gouvernance der Uni, stellt sich in deren Dienst und in sonst keinen und vertritt nur noch die Interessen der Universität. Das ist in anderen Verwaltungsräten genauso: Man gibt seine Herkunft ab, wenn es um den Conseil geht. Zweitens: Der Conseil de gouvernance hat sieben Mitglieder. Vier kommen aus dem universitären Bereich, die drei anderen sind nicht als Vertreter der Privatwirtschaft da, sondern, wie Artikel 19 des Universitätsgesetzes beschreibt, „les membres du Conseil de gouvernance sont choisis en raison de leur compétence dans les grands secteurs d’enseignement et de recherche développés à l’Université“. Drittens: Weil es in Luxemburg nur eine Universität gibt, hat sie auch ein Mandat, die Luxemburger Sektoren mit Lehre und Forschung zu unterstützen. Zu diesen Sektoren zählt neben der Privatwirtschaft auch der öffentliche Sektor sowie die in Luxemburg ansässigen internationalen Institutionen.

Die Rolle einer Uni besteht aber vor allem darin, sich mit dem Wissen der Menschheit auseinanderzusetzen und es zu vergrößern, wie Sie vorhin selber festgestellt haben.

Natürlich! Mit einer Einschränkung: Wir sind keine Voll-Universität, wir haben uns auf bestimmte Gebiete spezialisiert. Eine Voll-Universität wäre für Luxemburg gar nicht finanzierbar.

In ihrem Mission Statement schreibt die Universität, sie werde „sharpen its profile with a focus on the generation and transmission of knowledge at the forefront of the unknown“.

Das soll sie auch. Jede Universität hat in Forschung und Lehre ihre Rolle als Denkfabrik zu naturwissenschaftlichen, philosophischen und sozialen Fragen zu spielen. Die Unterstützung der relevanten Sektoren im Land ist eine weitere Rolle. Auf die Gesellschaften kommen große Veränderungen zu. Es gibt Prognosen, laut denen wir uns 65 Prozent der Berufe, die in zehn Jahre gebraucht werden, derzeit noch gar nicht vorstellen können. Also hat eine Uni auch in der Weiterbildung eine Rolle zu spielen. Das ist eine starke soziale und gesellschaftliche Komponente ihrer Mission.

In dem aktuellen Contrat d’établissement zwischen Uni und Regierung, der noch bis Ende dieses Jahres gilt, steht zu den Forschungsprioritäten, es komme darauf an, eine „Balance“ herzustellen zwischen Forschung mit einem „fort potentiel économique“ und den „sciences humaines“. Das ist eine überraschende Gegenüberstellung.

Wir werden das im nächsten Vierjahresplan präzisieren. Den Universitäten geht es in erster Linie darum, die ganze Gesellschaft nach vorne zu bringen. Man sollte von „impact socio-économique“ sprechen.

Wie passt das zur Gewinnung und Übermittlung von Wissen „at the forefront of the unknown“, die für Uni.lu profilbestimmend sein soll? So steht es im Strategic Framework bis 2026, das im vergangenen Jahr ausgearbeitet wurde. Wird die Uni ihre Strategie nun ändern?

Mit dem neuen Vierjahresplan kommt auch eine Revision der Strategie. Revolutionäre Änderungen wird es keine geben, das wird eine Evolution. Wenn man mit dem Rektorat spricht, mit den Dekanen und den Direktoren der Zentren, sieht man, dass ihre Überlegungen über die nächsten vier Jahre hinausreichen.

Können Sie konkreter erläutern, wie die Uni ihre Rolle als Denkfabrik spielen will – angesichts der vielen anderen Erwartungen an sie als einzige Universität im Land?

Dazu ist es noch zu früh. In den kommenden Wochen nimmt das Rektorat mit der Regierung die Verhandlungen zum nächsten Contrat d’établissement auf, auf dessen Basis 2018 bis 2021 die jährlichen staatlichen Dotationen an die Uni fließen. Wenn alles unter Dach und Fach ist, wird darüber vom Rektorat kommuniziert. Sie können aber davon ausgehen, dass wir weiterhin Grundlagenforschung „at the forefront of the unknown“ betreiben werden, sowie Forschung, die anwendungsbezogener ist. Diese Ausrichtungen widersprechen sich auch gar nicht. Forschung ist ein Kontinuum, das von reiner „blue sky research“ bis zur angewandten Forschung reicht. Für unsere Universität ist beides wichtig. Als internationale Forschungsuni am Standort Luxemburg werden wir auch unsere Mehrsprachigkeit beibehalten.

Kommt es vor, dass der Conseil de gouvernance die Uni in Schutz nimmt vor den Erwartungen des großen Finanziers Staat?

Die Autonomie der Uni zu verteidigen, ist eine ganz wichtige Funktion des Conseil de gouvernance. Wenn ich sage, alle Entscheidungen, die wir vorgelegt bekommen, müssen vorbereitet sein, dann soll das die Autonomie garantieren helfen – und dafür sorgen, dass sich vorher jeder einbringen konnte und nichts von oben her oktroyiert wird. Dass die Entscheidungsvorschläge des Rektors vom Conseil bestätigt werden, dient auch der Absicherung des Rektors. Das ist wichtig für die Autonomie.

Im Frühjahr gab es Auseinandersetzungen um den Budgetentwurf 2017 des Rektors, die auch publik wurden. Ist die Krise ausgestanden?

Krise ist ein großes Wort. Es war mehr eine Infragestellung. Ich meine, wir sind da durch. Das Rektorat unter dem kommissarischen Rektor Ludwig Neyses, den Vizerektoren Romain Martin und Tonie Van Dam und der neuen kommissarischen Verwaltungsdirektorin Erica Monfardini arbeitet intensiv, zusammen mit den Dekanen und den Direktoren der interdisziplinären Zentern. Uni.lu ist dabei, auf ihren Weg zurückzufinden. Wir müssen das noch geeignet kommunizieren. Wir waren lange stark mit Internem beschäftigt. Aber am 15. September beginnt der Studienbetrieb des Wintersemesters 2017/18, am 12. Oktober ist offizielle Rentrée académique, und es ist die Nachricht fällig, auf die das ganze Land wartet: Wer wird die neue Rektorin oder der neue Rektor?

Können Sie das schon sagen?

Nein. Es gab eine internationale Ausschreibung und es gingen Bewerbungen ein. Mehr kann ich auch deshalb nicht sagen, weil der Conseil de gouvernance eine Findungskommission eingesetzt hat. Ihr gehören die vier Ratsmitglieder aus dem universitären Bereich an, die Vertreter von Studenten und Professoren und siebentens ein Vertreter der Zivilgesellschaft. Zurzeit sieht die Findungskommission die Kandidaturen durch. In den nächsten Wochen bekommt der Conseil von ihr eine Shortlist, und dann ist es an den Gouverneuren, eine Entscheidung zu treffen. Zu ihr muss der Universitätsrat noch Stellung nehmen, und anschließend wird die Kandidatur über den delegierten Hochschul- und Forschungsminister dem Regierungsrat vorgeschlagen.

Man konnte im Frühjahr den Eindruck haben, dass die Uni kurz vor dem Bankrott stand. Das sah nicht nur nach einer Infragestellung aus. Plötzlich schien es, als gebe es nicht einmal mehr Geld für studentische Hilfskräfte.

D’Zopp gëtt manner waarm giess, wéi se gekacht gëtt! Ich glaube, einige interne Abläufe haben nicht optimal funktioniert. Vor allem ging es darum: Wenn die Uni sich ein Budget gibt, dann muss es ein realistisches und ausgeglichenes Budget sein. In den Gründerjahren war es wichtig, die Universität aufzubauen. Da wurde vielleicht vergessen – auch mit dem Wechsel im Rektorat von Rolf Tarrach zu Rainer Klump –, dass man Verschiedenes in Angriff hätte nehmen müssen, um zu gewährleisten, dass interne Prozesse und vor allem Budgetprozesse der Qualität einer internationalen Forschungsuniversität entsprechen.

Die Uni kam bisher jedes Jahr mit ihrem Budget aus, verbuchte am Ende sogar Überschüsse. 2016 waren das mehr als 2,5 Millionen Euro. Ihre Reserven beliefen sich im April auf 17 Millionen Euro. Weshalb musste der Conseil de gouvernance da einschreiten?

Der Conseil hat voll im Rahmen seines vom Gesetz vorgegebenen Mandats gehandelt. Die Mitglieder des Conseil haben ihre Verantwortung übernommen, um die Autonomie der Uni zu gewährleisten. Autonomie heißt nämlich, strategische Entscheidungen im Rahmen der zur Verfügung stehenden Finanzmittel fällen zu können. Weil die Uni Reserven hat, konnten wir einen Teil davon verwenden, um Anforderungen zu finanzieren, die neu aufgetreten waren. Das große Problem war, dass die Prozeduren zur Budgetaufstellung weder effizient noch transparent waren. Die Amerikaner kennen den Begriff Expectation management für die vorausschauende Budgetplanung. Das hat gefehlt. Vieles wurde einfach laufen gelassen und Budgetanforderungen wurden nicht hinterfragt.

Wie fiel das dem Conseil de gouvernance auf?

Interessanterweise ist das ein Beispiel dafür, wie gut die Zusammenarbeit der Gremien an der Uni funktioniert. Im Verfahren zur Aufstellung des Budgets 2017 erhielt der Conseil de gouvernance zwei Stellungnahmen des Universitätsrats. Die erste im Dezember 2016. Sie war positiv, aber der Universitätsrat sagte, würde das Budget in seiner Gesamtheit so genehmigt, müsse es an den Universitätsrat zurückkommen und weitere Verhandlungen zwischen Fakultäten, Zentren und Verwaltungsdirektion müssten stattfinden. Erhält man als Conseil de gouvernance so eine Stellungnahme, stellt man nochmal Fragen. Dann ist offenbar etwas nicht in Ordnung.

In der zweiten Stellungnahme Ende März 2017 erklärte der Universitätsrat, er unterstütze das Budget nicht, denn die Allokationsverfahren seien nicht korrekt. Damit machte der Universitätsrat den Conseil de gouvernance auf Defizienzen im Budgetverfahren aufmerksam. Wir entschieden, das Budget zu genehmigen, auch einen Teil der Reserven auszugeben, aber mit der Auflage, dass volle Transparenz hergestellt werden sollte. Die Entscheidung wurde intern wie extern Anfang April kommuniziert.

Hat Rainer Klump das Rektorenamt niedergelegt, weil er die Verantwortung für das mangelhafte Budgetverfahren übernahm?

Über Herrn Klumps Motivation möchte ich nicht sprechen.

Sie hatten im April einen Chief transition officer für die Uni eingesetzt, eine Unternehmensberaterin, die mit dem Managementteam zusammenarbeitete. Ist die Transition vollzogen – und wohin?

Die CTO begann ihre Arbeit Mitte April, ihr Mandat läuft in den nächsten Wochen aus. Erica Monfardini, die im Juni als kommissarische Verwaltungsdirektorin eingestellt wurde, übernimmt das nun von der CTO. Ab Oktober ist sie mit ihren Teams voll zuständig, und das Budget 2018 wird schon auf den neuen Prozeduren aufgebaut. Künftig werden auch die Fristen zur Budgetaufstellung eingehalten. Alle arbeiten ganz konstruktiv zusammen. Man sah das auch bei der Vorbereitung des Vierjahresplans.

Wird das Budget der Uni 2018 größer?

Der Budgetrahmen 2018 wurde festgelegt und gemäß Artikel 47 des Universitätsgesetzes der Regierung übermittelt. Er sieht ein Wachstum vor. Was das endgültige Budget angeht, müssen die Verhandlungen zum neuen Contrat d’établissement abgewartet werden.

Braucht eine Universität eine Verwaltung oder ein Management?

Der Begriff „Verwaltung“ ist vielleicht ein bisschen verstaubt. Aber nicht nur deshalb meine ich, es sollte eher Management sein. Verwalten ist für mich ein passiver Prozess, Managen ein dynamischer. Da gilt ein Miteinander und alle arbeiten nach denselben Kriterien.

In den jüngsten Evaluationen der Uni las man, es gebe noch nicht überall Qualitätssicherungssysteme in der Forschung. Warum braucht eine Uni das? Lässt sich „at the forefront of the unknown“ die Qualität der Forschung wirklich managen?

An der „forefront of the unknown“ müssen wir natürlich sehr offen sein, sonst verpassen wir was (lacht). Im Ernst: Qualitätssicherungsprozesse dienen einerseits dazu, Leuten zu helfen, die neu an die Uni kommen. Besteht ein fester Prozess, weiß jeder, wo er dran ist. Andererseits geht es um Rückverfolgbarkeit, falls etwas schief geht. Qualitätssicherung hat allerdings viele Aspekte in einer Universität. Die Qualität der Lehre wird zum Beispiel durch Evaluationen der Lehrveranstaltungen oder sogar durch Akkreditierungen festgestellt. In der Forschung herrschen international Standards, die eingehalten werden, und natürlich muss auch die Qualität der Verwaltungsabläufe sichergestellt sein. Die Ergebnisse der letzten externen Evaluationen zeigen, dass Lehre und Forschung, also unser Kerngeschäft, sehr gut abschneiden. An den Verwaltungsprozessen muss noch gearbeitet werden. Das geschieht im Moment. Aber selbst wenn durch Prozesse klarer wird, „wie etwas geht“, kann man nicht über ein Regelwerk die Forscher zu sehr einschränken, sonst können sie nicht mehr kreativ sein. Da widersprechen Management und Kreativität einander. Das ist ein weites Feld, eigentlich ein Thema für ein Rundtischgespräch.

In dem Strategic Framework vom Juni 2016 steht auch, Uni.lu wolle es bis 2026 in die weltweiten „Top ten“ der jungen Unis schaffen. Das klingt ehrgeizig, aber wie wird das gemessen und wie aussagekräftig kann so ein Bekenntnis sein? Wird sich dazu der neue Vierjahresplan ebenfalls äußern?

Dazu kann ich leider wenig sagen, der Vierjahresplan ist zurzeit noch das Werk des Rektorats. Was die Platzierungen anbelangt, ist die Uni fest gewillt, sich nachhaltig unter den besten jungen Universitäten zu etablieren. Aber Rankings können nicht die einzige Grundlage zur Messung der Qualität einer Universität sein. Wichtig ist vor allem die peer-reviewed Qualität in Forschung und Lehre. Bei Rankings muss man vorsichtig sein, denn die Methodologien können von den Agenturen, wie zum Beispiel Times Higher Education, unilateral geändert werden. Was zu überraschenden Ergebnissen führen kann.

Lassen Sie mich bei der Gelegenheit sagen, dass die Universität Luxemburg sich in den letzten vierzehn Jahren gut entwickeln konnte. Neue Aufgaben kommen auf sie zu. Im Namen des Conseil de gouvernance und in meinem persönlichen Namen möchte ich allen an dieser positiven Entwicklung Beteiligten danken. Ihr Können stellt eine starke Grundlage dar, auf die die Zukunft der Universität aufbauen kann.

Zur Person

Yves Elsen hat an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich Ingenieurwesen studiert und war dort anschließend wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Verkehrsplanung und Transporttechnik. Er hält außerdem einen MBA der Insead Business School. In Luxemburg war Yves Elsen unter anderem bei der SES tätiggründete 2002 die Firma Satlynx und ist seit 2003 Managing Partner und CEO des Technologie-Unternehmens Hitec Luxembourg SA. Von März 2010 bis Juli 2016 leitete er den Verwaltungsrat des Fonds national de la rechercheehe er den Vorsitz des Conseil de gouvernance der Universität von Marc Jaeger übernahm.

Die Gouverneure

Das Universitätsgesetz schreibt vordass von den sieben stimmberechtigten Mitgliedern des Conseil de gouvernance vier aus dem universitären Bereich kommen müssen. Zurzeit sind das: Yvonne FlourVizepräsidentin des Verwaltungsrats der Sorbonne; Michel GoedertMolekularbiologe und Leiter der Abteilung Neurobiologie an der Cambridge University; Kristin Ingolfsdottiremeritierte Rektorin der Universität von Islandsowie Danilo ZavratnikRektor der Universität Nova Gorica in Slowenien. Die Luxemburger Zivilgesellschaft vertreten drei Mitglieder. Neben Yves Elsen sind das Alain KinschCountry Managing Partner von E/Y Luxembourgund Gérard HoffmannCEO von Proximus Luxemburg und Telindus Luxemburg und Direktor bei Tango.

Peter Feist
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