Seit der Einführung einer Bestsellerliste luxemburgischer Bücher steht fest: Die Luxemburger interessieren sich nicht für die Literatur ihres Heimatlandes. Sie kaufen Kochbücher, Ratgeber und Bildbände, aber kaum etwas, was auch nur entfernt mit literarischem Anspruch zu tun hätte. Deutlich wird das vor allem dann, wenn es tatsächlich mal ein luxemburgischer Roman unter die Top Ten schafft. Das ist meistens ein Krimi und meistens ist er herzlich schlecht. (NB: Es gibt auch vergleichsweise annehmbare luxemburgische Kriminalromane.) Über die Erfolgschancen des neuen Romans von „Laura Laberge“ (bürgerlich Chantal Welter) braucht man sich daher nicht den Kopf zu zerbrechen. Das wird bestimmt ein Hit. Nach den mediokren Produktionen, die in den letzten beiden Jahren diesen Preis für sich beanspruchen konnten, ist leider nicht einmal auszuschließen, dass das Buch auf der Shortlist des „Lëtzebuerger Buchpräis“ auftauchen wird. Das ändert aber alles nichts. Eine Spur von Leben ist ein überaus grässliches, mit zahlreichen Widerwärtigkeiten ausgestattetes und daher auch beim besten Willen wahrhaft nicht empfehlenswertes Buch.
Dabei ist der Plot gar nicht einmal das größte Übel. Ein Informatiker entdeckt, dass seine polnische Freundin Opfer einer Verbrecherbande ist, die Immigrantinnen zur Prostitution zwingt und ihnen im Gegenzug zur Aufenthaltsgenehmigung verhilft. Nachdem der Mann seine Entdeckung bei der Polizei gemeldet hat, wird er prompt ermordet. Sein bester Freund mischt sich ein und wird entführt. Ida Frederiksen, alleinerziehende Mutter, Psychotherapeutin und Hauptfigur des Romans, nimmt zusammen mit einem weiteren Freund und ihrem Liebhaber die Spurensuche auf. Dabei mag ja noch angehen, dass es von Anfang an niemandem darum zu tun ist, einen „Fall“ zu lösen und die Drahtzieher zur Rechenschaft zu ziehen. Ida, Alec und David wollen weder den Mord rächen, noch der kriminellen Organisation das Handwerk legen, die sich offenbar bis in höchste Regierungs- und Diplomatenkreise erstreckt und selbst die Polizei kontrolliert. Als der Freund befreit und die Polin ihren entwürdigenden Dienst abgeleistet hat, beschließt man einhellig, die Finger von der Geschichte zu lassen. „Es wird immer solche Organisationen geben. Je weniger man darüber weiß, desto besser ist es vielleicht.“ – so das Fazit der Protagonistin. Das ist vielleicht weder besonders nobel, noch besonders anregend für Adepten der Krimiliteratur, wirkt aber immerhin vernünftig.
Das Problem ist, dass es der Autorin insgesamt überhaupt nicht um die kriminalistische Handlung ihres Buches geht. Wovon sie eigentlich erzählen will, sind die emotionalen Verwicklungen ihrer Hauptfigur, die sich von ihren Gefühlen für den Vater ihrer Tochter löst und sich in einen verheirateten Mann verliebt. Zur Not könnte man als Leser auch damit leben: Ein Krimi als Vorwand für eine schnulzige Liebesgeschichte – warum nicht? In dem Fall würde man jedoch wenigstens eine Figurenzeichnung erwarten, die sich weniger akribisch mit der modischen Aufmachung und dafür etwas ausführlicher mit dem Innenleben von Ida und Co. beschäftigte. Fehlanzeige. Wenn der „attraktive, wenngleich unrasierte“ David, der verheiratete Architekt mit Harley Davidson und starker Brustbehaarung, einem Bekannten von den „intensiven Gesprächen“ erzählt, die er mit Ida geführt haben will, wird sich der Leser mit Grausen an seitenlange Dialoge erinnern, die den geschätzten Tiefgang eines unbemannten Gummiboots aufweisen, und sich fragen, ob er etwas übersehen hat. Hat er aber nicht.
Und auch das ist noch nicht alles. Bei allem, was man Eine Spur von Leben als Mängel anlasten kann, wiegt nichts so schwer wie die abgehalfterte und abscheuliche Sprache, die, je mehr sie sich um einen gehobenen Duktus bemüht, umso hochtrabender und peinlicher wirkt. In einer Sprache, die Auslassungspunkte für dramatische Effekte und „sich entfernen“ für eine bessere Variante von „weggehen“ hält, müssen vor allem die (leider sehr häufigen) Sexszenen völlig missraten: „In der Nacht, die dann folgte, zerschmolzen sie in der Glut ihrer Leidenschaft.“ – „Er hatte den Eindruck, in einem Meer von Gefühlen zu taumeln, das ihn mit jeder ihrer Berührungen tiefer hinunterzog.“ – „Er küsste sie innig und tief, so als wolle er mit diesem Kuss seine Worte tiefer in ihr Herz brennen.“ Von übelst schwülstigen Ausführungen in diesem softpornösen Schundheftjargon bleibt man selten mehr als zwanzig Seiten am Stück verschont. Das Buch hat dreihundertdreiundzwanzig Seiten. Es kostet rund zwanzig Euro. Wer ein paar Euro drauflegt, kann sich ein schönes Kochbuch kaufen.