Psychologen, Pharmakologen, Psychotherapeuten, Anthropologen, Historiker, Soziologen und Pädgogen trafen sich Anfang Juni zur internationalen Konferenz über psychedelische Forschung ICPR in Amsterdam. Bei dem Treffen, zu dem sich mehr als 300 Forscher aus aller Welt anreisten, diskutierten die Teilnehmer neuste Trends in der Forschung rund um psychedelische Drogen, sowie drogenpolitische Fragen.
Die Stimmung war bemerkenswert optimistisch, auch weil wenige Wochen zuvor Wissenschaftler des Imperial College in London erste Ergebnisse einer LSD-Studie vorgestellt hatten. Unter Anleitung des britischen Pharmakologen David Nutt legte das Forscherteam mit Hilfe von Magnetresonanzbildern die Auswirkungen dar, die Lysergsäurediethylamid auf das menschliche Gehirn hat. „Wir stellten fest, dass unter Einfluss von LSD die Vernetzung von Regionen höherer Hirnfunktion signifikant zunahm“, erklärte Doktor Robin Carhart-Harris vom Imperial College vor Konferenzteilnehmern. „Diese Hirnregionen entsprechen den Bereichen, in denen sich die Rezeptoren befinden, die auf die Droge reagieren.“
Insbesondere der visuelle Cortex erhöhe den Signalaustausch mit anderen Hirnregionen. Das erkläre die komplexen visuellen Halluzinationen und die Emotionen, die LSD bewirken könne, so der Wissenschaftler. Zugleich seien die Grenzen zwischen einzelnen neuronalen Netzwerken durchlässiger, auf bestimmte Informationen spezialisierte Gehirnzellen offener. Diese Beobachtung korrelierte mit Berichten der Probanden, sie empfänden eine Auflösung ihres Ichs. LSD könnte, so hofft Studienleiter David Nutt, die Muster der Gehirnaktivitäten von Alkoholabhängigen oder Depressiven derart verändern, dass sie bestimmte festgefahrene Automatismen aufgeben und nicht mehr an ihnen leiden. Die Testpersonen hatten noch Wochen nach ihrem Trip von gesteigertem Wohlbefinden berichtet. Um sicher zu sein, bedarf es jedoch weiterer Forschung; die Londoner Untersuchung beruhte nur auf einer relativ kleinen Stichprobe von 20 Testpersonen, die zudem allesamt bereits Erfahrungen mit Drogen hatten.
Die Lorbeeren der ersten LSD-gestützten Psychotherapie nach Jahrzehnten Pause gebühren ohnehin dem Schweizer Psychotherapeuten und Arzt Peter Gasser. Er erhielt 2007 grünes Licht für die erste LSD-assistierte Therapie und setzte die bewusstseinserweiternde Droge bei Angstpatienten ein. Die zwölf Testpersonen hatten Krebs im Endstadium und litten unter Angstzuständen. LSD sollte ihnen helfen, Angst angesichts des Todes abzubauen, offenbar mit Erfolg: In Gassers Praxis bekamen acht der zwölf Patienten eine wirksame Dosis LSD verabreicht, die anderen ein Placebo. Während die Angst in der Kontrollgruppe stärker wurde, linderte das LSD sie bei den acht Patienten – der Effekt hielt mindestens ein Jahr lang an. Doch auch bei dieser Studie gilt: Für verwertbare Ergebnisse müssten mehr Patienten teilnehmen.
Einen ähnlichen Ansatz, mit Psilocybin, hat das Johns-Hopkins-Krankenhaus der Universität Baltimore verfolgt: Dort wurde unheilbar an Krebs Erkrankten eine einmalige Dosis von „Magic Mushrooms“ verabreicht, die dazu führte, dass sich ihre Wahrnehmung veränderte und sie eine Art „mystisches Erlebnis“ hatten, das sie mit dem nahenden Tod versöhnte, erzählt Studienleiter Roland Griffiths. Danach berichteten die Probanden von deutlich weniger Ängsten und Depressionen als jene, die nur eine vergleichsweise geringe Dosis erhalten hatten. „Die Effekte hielten auch sechs Monate nach der Einnahme noch an“, so Griffiths, Professor für Psychiatrie und Mitglied des Heffter Research Institute in Santa Fe, wo zum medizinischen und sozialen Nutzen psychedelischer Substanzen geforscht wird.
Auch wenn es sich noch um kleinere Pilotstudien handelte, sorgten die Ergebnisse unter Konferenzteilnehmern für Enthusiasmus. Kenner der Szene wie der US-Amerikaner Rick Doblin, einer der wichtigsten Unterstützer für MDMA und Psychedelika, sprechen angesichts der regen Forschungstätigkeit von einer „Renaissance psychedelischer Drogen“: Nachdem nicht zuletzt durch die Ausschweifungen mancher Hippies LSD Anfang der 1960-er verboten wurde und sämtliche medizinischen Studien gestoppt wurden, erfahren Psychedelika heute neue wissenschaftliche Aufmerksamkeit. Das liegt auch daran, dass sich die Medizin in der Sackgasse befindet, speziell bei der Behandlung psychischer Erkrankungen fehlen neue, wirksame Medikamente, sagt Torsten Passie, MDMA-Experte, Psychiater und Konferenzleiter. Erst in den 1990-er Jahren veränderte sich die Situation allmählich: So wurde Ketamin erfolgreich bei der Patienten mit Depressionen getestet, eine Substanz, die auch als Partydroge genommen wird, zum Teil aber erhebliche Nebenwirkungen hat. Psilocybin und MDMA werden bei Patienten mit posttraumatischem Belastungssyndrom eingesetzt. „Die Psychiatrie öffnet sich für psychedelische Substanzen“, sagte Rick Doblin am Rande der Amsterdamer Konferenz. „Wir haben es nun mit einer Kombination aus Medikament und Psychotherapie zu tun. Es zeigt sich, dass diese besser wirkt als ein Medikament oder eine Therapie allein.“
Seine Organisation, Maps (Multidisciplinary Association for Psychedelic Studies), setzt sich für eine Lockerung des weltweiten Verbots von psychoaktiven Substanzen ein und finanziert Forschung zum Einsatz von MDMA bei der Behandlung posttraumatischer Belastungsstörungen. Unter Aufsicht der US-Drogenbehörden FDA und DEA führten von Maps finanzierte Forscher Unbedenklichkeitstests durch. In einem zweiten Schritt wurde die Wirksamkeit von MDMA bei Patienten mit chronischer, therapieresistenter PTBS untersucht, darunter Kriegsveteranen, Vergewaltigungsopfer und Unfall-Überlebende. Mit Erfolg: 83 Prozent der Patienten litten zwei Monate nach der dritten Behandlung nicht mehr an PTBS. Was genau passiert, darüber rätseln die Forscher noch, doch sollte die MDMA-assistierte Therapie in einigen Jahren zugelassen werden, hat Maps eine exklusive Fünf-Jahres-Lizenz. Zunächst aber gilt es, Sponsoren und Unterstützer für mehr Forschung zu finden. Erste Pharmafirmen sind bereits in die psychedelische Forschung eingestiegen, in der Hoffnung, mit neuen Behandlungsmethoden eines Tages Geld verdienen können. Eine Geschäftsnische, die auch für Luxemburg interessant sein könnte? An der Konferenz im Amsterdam nahmen, außer dem Land, jedenfalls keine Luxemburger teil. Laut Drogenbeauftragtem Alain Origer wird hierzulande nicht mit psychedelischen Substanzen geforscht. Am gesetzlichen Rahmen liegt das nicht: „Gesetzlich wäre das durchaus möglich.“