„Bequem vun Doheem!“ wirbt die Supermarktkette Cactus für ihren Online-Shop Cactus@home, der Ende vergangenen Jahres öffnete. Zu diesem Zeitpunkt war Cactus aber eigentlich der Nachzügler, die Wettbewerber gingen mit ihrem Online-Angebot früher an den Start. Auchan Drive startete im Juni 2011, Bio@home von Naturata wurde im Mai 2011 live geschaltet, Delhaize Direct und Cora Pido laufen seit Dezember, beziehungsweise September 2010. Der Pionier unter den Internet-Supermärkten, Luxcaddy, fing hingegen schon 2007 unter dem Namen epicerie.lu an.
So unterschiedlich die Namen, so unterschiedlich sind auch die angebotenen Dienstleistungen. Nur Luxcaddy, Cactus und Naturata liefern die eingekauften Waren nach Hause, bei Auchan holen die Kunden die Bestellung in den so genannten Drives ab, die in Gasperich und Munsbach liegen, also fernab vom Auchan-Markt mit Einkaufsgalerie in Kirchberg. Delhaize und Cora hingegen halten die Bestellungen in ihren jeweiligen Märkten bereit.
Dass sowohl Auchan wie Cactus auf Systeme setzen, die den Kunden den Weg ins Einkaufszentrum sparen, mag überraschen. Schließlich bedeutet es eine Abkehr von der Logik der großen Einkaufszentren, in die sie ihre Hypermärkte integrieren und in denen die Pächter der angrenzenden Geschäfte auf den Kundenstrom angewiesen sind, der in oder aus Richtung Supermarkt vorbeizieht. Zumal die Belle Étoile, Großprojekt der Cactus-Gruppe, noch vergrößert werden soll. Gilles Feipel, Cactus Marketing, führt dafür logistische Erklärungen ins Feld. In Windhof hat die Firma das Cactus@home-Zentrum eingerichtet. Das, sagt er, war einfacher zu bewerkstelligen als Abholstellen an den Märkten, für die man jeweils hätte umbauen müssen.
Egal bei welchem Anbieter man bestellt, um die Eröffnung eines Kundenkontos führt kein Weg. Gefragt wird unterschiedlich viel. Naturata und Luxcaddy sind die Minimalisten, was die geforderten Daten betrifft. Sie fragen nur, was sie für ihren Lieferservice auch wirklich brauchen, also Namen, Anschrift und Telefonnummer. Eine bewusste Entscheidung, sagt Jeff Weydert von Naturata. Anders bei den großen Konkurrenten. Die wollen durchaus wissen, ob man weiblich oder männlich ist, fragen nach dem Geburtsdatum und der Kundenkartennummer. Man werte die Daten nicht aus, betont Gilles Feipel von Cactus eilig. Das Alter müsse man nur deshalb ermitteln, weil es im Angebot auch Alkohol gibt, den man nicht an Minderjährige verkaufen darf. Andere haben weniger Hemmungen. Auchan nutzt die Daten, die beim Online-Einkauf gesammelt werden, um die Seite zu personalisieren, wie es im Kleingedruckten heißt, und um die Kunden zu solchen Produkten zu orientieren, die sie interessieren könnten. Die Geschäftsbedingungen tatsächlich zu lesen, nicht nur anzuklicken, lohnt sich demnach.
Apropos Produkte: Wer regelmäßig in verschiedene Supermärkte geht, weil der eine zwar den Lieblingskäse, aber das Lieblingsolivenöl nicht führt, dem sei gesagt: Im Internet ist es auch nicht besser. Vor allem bei Cactus@home sind die Regale noch unheimlich leer. Das bevorzugte Shampoo, für normale Haare, das es sonst in jedem mittelgroßen Markt gibt, ist unauffindbar unddas ist mindestens so ärgerlich, wie dass es in der Obstabteilung weder einen Apfel, noch eine Birne, noch Trauben zu kaufen gibt. Die Kaffeepads, die zur Maschine passen? Fehlanzeige. Kaum zu glauben, dass Cactus@home wirklich 3 200 Produkte führen soll, wie Feipel beteuert. Ohnehin sind das nur sehr wenige und ein Hinweis darauf, dass Cactus das Internet-Shopping noch nicht beherrscht. Denn sogar Luxcaddy, die Marke, hinter der kein Supermarktimperium, sondern die Unternehmer Georges Kraft und Jacques Lorang stehen, die aus der Informatikbranche kommen, führt mit rund 4 000 Produkten ein größeres Sortiment. Doch die Balance zwischen Unter- und Überangebot zu finden, das richtige Sortiment zu treffen und es dann auch noch anwenderfreundlich zu präsentieren, scheint leichter gesagt als getan. Luxcaddy ist dabei ziemlich schlau. Obwohl begrenzt, ist das Angebot gut durchdacht und präsentiert sich vor allem der Stadtbevölkerung wie ein Rundgang bei Traditionsläden. Das Brot kommt vom Bäcker Friederich in Belair, das Bio-Brot vom In-Bäcker Scott aus Gasperich, die Fleischtheke ist die der Eisenbahnerkooperative in Bonneweg, daneben gibt es Convenience-Food ebenso wie Gemüse und andere Produkte der Biobauerngenossenschaft Biog, die Cactus zwar im Laden, aber kaum im Internet führt.
Nur Naturata führt weniger Waren. Rund 1 750 im Vergleich zu zwischen 5 000 und 6 000 im Naturata-Markt in Münsbach. „Mit den Bioprodukten bedienen wir einen Nischenmarkt“, gibt Weydert zu bedenken. Der Kreis der Kunden, der innerhalb dieses Nischenmarktes einen Internet-Shopping und Lieferservice benutzt, bildet eine Nische in der Nische. Dennoch: „Wir werten das Angebot jeden Monat aus“, sagt Weydert, und es soll erweitert werden.
Das Gegenmodell dazu bieten Auchan, Cora und Delhaize. Rund 12 000 Produkte führt Auchan in den virtuellen Regalen. „Das ist vergleichbar mit einem Supermarkt von der Größe des Cactus in Howald“, erklärt Olivier Heron, Direktor von Auchan Drive. Cora Pido hat 13 000 Referenzen im Sortiment, Delhaize Direct annährend 18 000, heißt es aus den Firmenzentralen. Da ist es auf einmal wichtig zu wissen, dass das übliche Schampoo, nicht nur in einer grünen, durchsichtigen Flasche verkauft wird, die man erkennt, wenn man am Regal vorbei geht, sondern auch, ob es gegen Schuppen wirkt (nein), für gefärbte, trockene, fettige Haare ist (ebenfalls nein), eher für Männer oder für Frauen gedacht ist (keine Ahnung), sonst riskiert man, sich in der vielen Untermenüs zu verlieren und nicht zum gewünschten Produkt zu finden, obwohl es im Angebot ist.
„Die Preise sind die gleichen wie im Laden“, sagen die Verantwortlichen von Cactus, Auchan, Delhaize, Cora und Naturata übereinstimmend. Luxcaddy hat nur den virtuellen Laden. Beim Bezahlen gibt es verschiedene Philosophien. Bei Cactus, Luxcaddy und Auchan zahlt man online mit Kreditkarte, über das gesicherte System der Cetrel. Delhaize und Cora machen die Rechnung für den vereinbarten Abholtermin fertig. Erst dann wird bezahlt. Was den Prozess mitunter nicht beschleunigt.
Dabei lohnt sich aber wiederum der Blick in die Geschäftsbedingungen. Denn wie die Einkäufe verpackt werden, beeinflusst die Einkaufskosten erheblich. Bei Luxcaddy kann man wählen, ob in einer Ökotut (0,80 Euro Pfand), einer Lieferbox oder Einwegtüten geliefert wird. Cactus fragt gar nicht erst, liefert alles in mit Karton verstärkten Papiertüten, braucht davon für eine mittelgroße Bestellung über 50 Euro bereits fünf. Bei Delhaize Direct wartet der Einkauf, sauber gepackt, in Plastikkisten, die kosten aber über vier Euro Pfand das Stück. „Sie können auch Ihre eigenen Tüten oder Kisten mitbringen und umpacken.“ Das hätte man allerdings vorher wissen müssen. Die Drive-Box von Auchan kostet acht Euro Pfand. Einmal abgegeben, will der Naturata-Lieferant seine Plastikbox partout nicht wieder mitnehmen, sie steht mit 15 Euro Pfand auf der Rechnung. Trotz dieser Überraschungen bleiben beim Internetshopping die Momente aus, bei denen man kurz hinter der Supermarktkasse, den Schock über die gerade bezahlten 200 Euro überwindend, herauszufinden versucht, was denn nun so teuer war. Weil die Einkäufe auf dem Bildschirm laufend addiert werden, hat man den Gesamtbetrag immer im Blick. Das, sagt Olivier Heron von Auchan Drive, ist einer der großen Vorteile, auf die seine Kunden Wert legen.
Ohnehin gibt es bei allen Anbietern außer Auchan mehr oder weniger hohe Mindestbeträge – von 20 bis 140 Euro – für die man einkaufen muss, ansonsten wird man gar nicht zur Kasse durchgelassen. Um schnell was zu bestellen, was man beim letzten Einkauf vergessen hat, eignet sich Internetshopping nur bedingt. „Schnell“ ist ohnehin relativ. Denn ausgerechnet beim Einkauf in der virtuellen Welt, die sich immer schneller dreht, muss man sich in Geduld üben. Außer bei Auchan kann man keine Lieferung oder Abholtermin für den gleichen Tag vereinbaren. Man sollte also mindestens einen Tag, bevor es soweit ist, merken, dass die Klopapier- oder Pampersvorräte gen Null gehen. Und sich nicht erst morgens überlegen, was man abends kocht.
Pling: „Ihre Bestellung ist fertig“, teilt Delhaize per SMS mit. Gut zu wissen, da fährt man nicht umsonst hin. „In fünf Minuten, sind Sie bei uns durch“, sagt Heron über Auchan Drive. Weil die Box ins Auto gepackt wird, der Kunde nicht aussteigen muss. Anders bei Delhaize, wo man parkt, zum Abholdienst geht, bezahlt, den Einkaufswagen zum Auto schiebt, einpackt, losfährt, was, wenn alles gut geht, auch nicht länger als zehn Minuten dauert. Bei den Lieferdiensten von Cactus, Luxcaddy und Naturata kann man einen Tagesabschnitt für die Lieferung wählen. Obacht wiederum bei den Mehrkosten: Cactus berechnet immer fünf Euro, egal wo man wohnt, wie viel man eingekauft hat oder wann geliefert wird. Bei Luxcaddy variieren die Kosten in Funktion genau dieser Variablen, ähnlich bei Naturata, das aktuell in den Norden des Landes noch überhaupt nicht liefert. Unbedingt daheim sein muss, wer bei Naturata bestellt, die Lieferdienste von Cactus und Luxcaddy stellen die Waren auf Anfrage auch hinters Haus oder geben sie beim Nachbarn ab.
Für Cactus war es wichtig, das Angebot, das vom Hypermarkt zum Tankstellenladen reicht, mit einem Internetdienst zu vervollständigen, sagt Feipel. Auch weil die Nachfrage da gewesen sei, fügt er hinzu. Sagen, wie viele Kunden den Dienst nun nutzen, will er aber nicht. Auch Auchan, Delhaize und Naturata schweigen sich über die Benutzerzahlen aus. Wahrscheinlich weil sie noch eher bescheiden sind. Denn Cora Pido hat 2 500 verschiedene Benutzer registriert, die ein Prozent des Umsatzes darstellen. Bei Luxcaddy wächst der Kundenstamm beständig und zählt derzeit rund 3 500 Nutzer. Der Umsatz im Dezember betrug knapp unter 100 000 Euro, erklärt Jacques Lorang. Die wachsende Konkurrenz hat sich bisher nicht negativ auf den Pionier Luxcaddy ausgewirkt.
Die Kundenstruktur ist bunt gemischt, berichten alle Anbieter. „Unser Angebot, sowie das der anderen Lieferdienste, richtet sich auch an Leute mit eingeschränkter Mobilität, während die Abholdienste eine hohe Mobilität voraussetzen“, hebt Lorang die Unterschiede zwischen den Diensten hervor. Zwei Kundengruppen haben alle ausgemacht: Einerseits die Berufstätigen, die wenig Zeit beim Einkauf verlieren wollen. Und andererseits junge Familienväter oder -mütter, die ebenfalls, um Zeit zu sparen, lieber allein vorm Rechner einkaufen, anstatt mit dem Nachwuchs in den Supermarkt zu gehen. „Die Gewohnheiten der Kunden ändern sich“, berichten die Anbieter. Doch ob das Einkaufen im Internet tatsächlich als Gegenmodell zum Gang ins Geschäft wird, bleibt abzuwarten. Denn, „die größte Startschwierigkeit bestand darin, die Leute darüber aufzuklären, dass der Einkauf von Lebensmitteln im Internet keine Nachteile hat“, berichtet Feipel.