Shakespeares Komödie The Tempest, gemeinhin als dessen letztes Werk gewertet, ist vom Theater Trier unter Mitarbeit des TNL und der Acta Teatro/Algrave in Frank Günthers deutscher und Dr. Maria de Jesus Dran Kremers portugiesischer Übersetzung am 17. und 18. Februar im neuen Mamer Centre culturel Kinneksbond aufgeführt worden. Der nach dem Sturm auf einer Insel gestrandete italienische Adel spricht deutsch, die Inselbewohner sowie Prospero portugiesisch. Offen gestanden: Das Besondere an Webers zweisprachiger Inszenierung ist einem ersten Anschein nach aus rein praktischen Gründen mächtig in die Hose gegangen. Zuschauer, die einer Sprache nicht mächtig sind, dürfen die jeweilige Übersetzung an einem (zu) hoch oben installierten Schirm verfolgen. Wer sich dies aus nachvollziehbaren Gründen antun möchte, verpasst das farbenprächtige, teils multimediale Bühnengeschehen, kann der streckenweise rasanten Einspielung des Textes nicht immer folgen, sodass der Mehrwert fraglich ist – einem ersten Anschein nach.
Wer aus der Not jedoch eine Tugend macht, gewinnt dem Konzept der Zweisprachigkeit einen unerwarteten Vorteil ab. Möglicherweise zum ersten Mal ist mir mit dieser größtenteils unverständlichen, aber kunstvollen Darbietung die Melodie, die Schönheit der portugiesischen Sprache bewusst geworden. Wenn die Kapitulation auch so manches inhaltliche Verständnisproblem zur Folge hat, so steht der Gewinn doch außer Frage.
Es wäre jedoch unfair, ausschließlich auf diesen einen Aspekt der Produktion einzugehen. Shakespeares besonderes Talent zur Verschmelzung volksdramatischer Komik mit unterschwelliger oder in Monologen pathetisch proklamierter Gesellschaftskritik wird mit dem Schauspielerensemble, allen voran Luis Vicente als Prospero (!), profiliert. Auch der aus einem überdimensionalen Stein geformte Inselfels (Jean-Guy Lecat) und die filmischen Projektionen des Sturms und der Vulkanausbrüche (Jean Huot) beleben die Kulisse. Dieser Inszenierung, an der eine große Menge an Mitarbeitern beteiligt ist, verdient wohl das aus der Filmsprache transponierte Prädikat des aufwändigen, des Großen Theaters. Dies lässt sich auch am umfangreichen Programmheft mit Interviews, Fotodokumenten und Entstehungsberichten festhalten. Einschränkend darf der Inszenierung in den ersten beiden Akten allerdings eine gewisse Behäbigkeit unterstellt werden. Der dramaturgische Fluss kommt erst nach der Pause so richtig in Fahrt.
Die aus Shakespeares Vorlage hervorgehende, sehr klare Viererkonstellation wird ebenso deutlich in die internationale Bühnenarbeit übernommen: Prosperos Regie der Geschehnisse, der in jeder Hinsicht gestrandete Adel (unter anderen Manfred-Paul Hänig und Klaus-Michael Nix), der sich allmählich zur Religionskritik hochschaukelnde Auftritt der Spaßmacher Trinculo (herrlich: Luc Feit) und schließlich Fernando (Jan Brunhoeber), Sohn des Königs. Keine Gruppe weiß vom Überleben der jeweilig anderen. So werden neue Machtgefüge gesponnen in diesem vermeintlichen Vakuum einer politischen Stunde Null.
Zwischen den Szenen bewegt sich die Figur des Luftgeists Ariel (Carlos Pereira), verlängerter Arm von Prosperos Zauberspiel, hin und her. Shakespeare wäre nicht Shakespeare, versammelte er seine zentralen Figuren nicht zum schließenden Höhepunkt, in der Prosperos Vernunft über dessen Rachgelüste siegt. Die ehemaligen Klüngel auf europäischem Boden werden nach nahezu klassischem Muster in den Hintergrund gestellt, nachdem der vormals unrechtmäßig entthronte Herzog Prospero seine Rache auf spielerischer Ebene im Sand dieser naiv verklärten Insel geübt hat. Der Sturm/A Tempestade ist eine überaus wahrmherzige Inszenierung, die Shakespeares Themen der Machtkritik, der Phantastik und naturbewussten Vernunft in den Vordergrund schiebt.