Die kleine Zeitzeugin

This is the End (My only Friend)

d'Lëtzebuerger Land vom 15.11.2024

So eine erwartungsvolle Weltuntergangsstimmung. Wie wir so dasitzen und uns vorfreuen, es wird schrecklich werden, schrecklich, so schrecklich! Die Welt geht unter, endlich, mit einem Faustschlag (einem dröhnenden) versinken Kultur, Westen, Zivilisation im Schlund des Ungeheuers. Nichts ist mehr geheuer. Der wilde Westen übernimmt, mit einem irren Kapitän in einem trunkenen Schiff, es heißt Kapital, prost! Das wird so schrecklich werden.

Zuerst wird es lang. Weilig. Seufz. So viele Staaten, wozu, warum, wo kommen die alle her, vom Mond? Idaho Iowa Utah Ohio, alles Indianernamen, Indianer darf nicht mal mehr der alte weiße Mann Udo Lindenberg singen, aber jetzt kommt der Große Alte Weiße Mann zurück, dann bestimmt wieder doch. All diese Staaten, durch die müssen wir durch, uns würden ja New York Kalifornien Florida reichen, Arizona geht auch noch, die Kulisse! Aber wozu all dieses Monotone, Mormonen, Evangelikale, diese Ebenen gespickt mit kleinen Kirchen in denen kleine Gemeinden kuscheln, dort haben die Menschen eine Bibel vor dem Kopf. Bible Belt und Rust Belt und all das. North Dakota, oho, aha, oha, Truthahn, Sonnenblumenkerne, einst stolze Heimat der Sioux, Bevölkerung jetzt weiß wie die Unschuld, Hauptstadt heißt Bismarck. Wie die wohl wählen werden?

Dazwischen immer wieder die dicken Menschen aus Pennsylvania, in ihren abgehalfterten Siedlungen, alle paar Jahre müssen sie ins Rampenlicht um Nachhilfe zu erteilen über das andere Amerika, das, mulmigmulmig, vielleicht gar nicht das andere ist. Immer der garantierte Kulturschock, wegen der Ausgewogenheit, sie können ja nicht nur Central Park Jogger/innen zeigen oder Romanschreiber*innen aus den Gehegen oder appetitliche Rentner/innen aus New England.

Ziemlich zäh, diese Zählerei, auf den Balken geht nichts weiter, der CNN-Moderator deutet zwangsneurotisch auf die Karte, das Gequassel prasselt ein, auf den Balken verschieben sich Millimeter im Stundentakt, ja, wie lange denn noch, Amerika, wie stellt ihr euch das vor wie lange wir eurer Erbsenzählerei noch beiwohnen? To trump or not to trump? Im Sessel abrutschen, uns prophylaktisch betrinken, uns vorher zuprosten, weil morgens früh um sechs kommt die alte Hex, bzw. hockt sie immer noch da, ein leeres Glas in den Klauen, und wer weiß welche Dämonendämmerung über sie hereinbricht? Gute Nacht, Amerika, Welt, ich igel mich ein, ich zieh mir die Decke über den Schädel, ein paar Städtchen sind blau, dort sind die Menschen wie wir, europäisch, mit Werten. Alles Große ist rot.

Und ich falle in den Schlaf während der Schatten des Alten Großen Weißen Mannes fällt. King Kong Kasperl Krokodil tauchen auf der Gruselclown reißt Witze in denen Kuscheltiere gegessen werden alles lacht Frauen mit Entenschnäbeln und Cowboyhüten jubeln ihm zu und Latinas sind überhaupt nicht empört, obschon es sich ja gehört. Kamala lacht über dem Abgrund und der Abgrund lacht zurück und Kamala tanzt über dem Abgrund mit coolen Frauen und den richtigen Menschen, aber der Abgrund klafft weiter, erst recht, die Wunde reißt ihr Maul auf. LoveLove sagt Er, es ist Woodstock, er träufelt Liebe auf die Wunden seiner Anhänger/innen, von anderen Abgehängte genannt, seine Kuschelstimme schmeichelt sich in die Herzen. Ein anderer Clown hüpft über die Bühne, er jongliert mit Kohle, bald wird Bitcoin in die Höhe schnellen, alles wird gut. Schlechter kann es nicht werden, sagt ein junger Mann mit Hautfarbe.

Und dann ist es der Tag danach, der Schock wie bestellt, Schnauze voll, danke, ich geh, ich kündige, Welt, ohne mich. Wird mir zu blöd. Aber schnell ist es ein Tag, doch ein Tag, noch ein Tag, danke Tag! Und in den Medien rappeln sie sich auf und richten die Mimik und es kommen nüchterne Befunde. Es war nicht nur wegen den Flüchtlingen. Oder weil die Seinen nur bis zwei zählen können bei Geschlechtern. Es war wegen Wirtschaft. Hast du Bitcoin?

Michèle Thoma
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