Sie sind zwischen 1997 und 2012 geboren, kennen die analoge Welt nicht mehr, hängen stundenlang auf TikTok rum. Sie haben in prägenden Jahren eine Pandemie, mehrere Kriege und eine andauernde Klimakrise zu verdauen: Die Rede ist von der Generation Z. Die ältere Kohorte drängt nun auf den Arbeitsmarkt, wo sie die Boomer ersetzt, die langsam in Rente gehen. Dass sich ihre Ansprüche an die Arbeit verändert haben, darauf deutet nun auch hierzulande eine Broschüre hin, die die Chambre de Commerce kürzlich herausgegeben hat. Auf 13 Seiten wird erklärt, wie diese Generation in die Unternehmen rekrutiert und vor allen Dingen gehalten und weiterentwickelt werden kann. Das Ziel sei deren „Entmystifizierung“, heißt es, als seien es äußerst seltene Tiere, deren Verhaltensweisen erst länger studiert werden müssten.
Ein gängiger Vorwurf der älteren Generation an die jeweils jüngere ist seit jeher Faulheit. Der diesjährigen Shell-Jugendstudie nach, die 2 500 deutsche Jugendliche zwischen zwölf und 25 Jahren befragt hat, strebt Gen Z jedoch genau wie alle anderen vor ihnen ein erfüllendes Berufsleben an. Allerdings wünscht sich lediglich etwas mehr als die Hälfte feste Arbeitszeiten: Gleitzeiten und Homeoffice haben sich zum Must-have gemausert. Besonders interessant an den Resultaten ist, dass vor allem junge Frauen diese Flexibilität einfordern. Mehr von ihnen als befragte junge Männer finden die Möglichkeit des Homeoffice wichtig, ebenso wie Anerkennung der geleisteten Arbeit und sich im Job um andere kümmern zu können. Was die Studie noch herausgearbeitet hat, ist, wie stark sich die Rollenbilder verändert haben. Junge Männer wollen für ihre künftigen Kinder da sein, Frauen wollen das auch – und sie wollen arbeiten. Gleichzeitig äußert etwas mehr als die Hälfte den Wunsch, dass der Vater allein oder zumindest überwiegend die Familie finanziert.
Das Porträt einer Generation zu zeichnen, auch wenn es dabei „nur“ um Arbeit geht, ist voller Fallstricke und Widersprüche. Eine Selbstständige, die ihr eigenes Projekt auf die Beine gestellt hat, hat einen grundlegend anderen Bezug zu ihren Arbeitszeiten als eine Person, die einer Lohnarbeit nachgeht, für die Kapitaleinnahmen von anderen arbeitet und das Gefühl vermittelt bekommt, leicht ersetzbar zu sein. Auch die Gen Z zählt idealistische Weltverbesserer und alleinerziehende Putzfrauen. Und doch scheint es zumindest unter diesen jungen Menschen genug Gemeinsamkeiten zu geben, um Broschüren herauszugeben. Unter anderem sieht man darin die Timeline der Baby Boomer, Gen X, Millennials und Gen Z und ihren prägenden Ereignissen: Mai 68 und die Ölkrise, der Berliner Mauerfall, das Internet, 9/11, Finanzkrise, Social Media, Pandemie, KI. Verglichen werden auch die Ansprüche an die Arbeit, die sich bei den vier Generationen unterscheiden. Aufgrund dieser Unterschiede komme es zu unterschwelligen Urteilen zwischen Angestellten unterschiedlichen Alters sowie zu Konflikten. Während Boomer und Gen X den Millennials und der Gen Z Faulheit, Utopismus und übertriebenen Freiheitsdrang vorwerfen könnten, würden Millennials und die Gen Z den Älteren Psychorigidität, Aufdringlichkeit und übermäßige Druckausübung anlasten.
„‘Dat war nach ëmmer sou’ funktioniert nicht mehr“, sagt Muriel Morbé, CEO des House of Training, der Weiterbildungseinheit der Chambre de Commerce. Das House of Training hat sich der vielbeschworenen Suche nach Talenten verschrieben. Derzeit seien der Finanzsektor und Berufe der Horeca aufgrund von einem Mangel an Flexibilität weniger interessant für die Gen Z, sagt sie. Auch erinnert sie sich an eine Frau, die bei einer Tagung darüber sprach, dass die Gen Z die erste ist, die mit zwei zum Teil in Vollzeit erwerbstätigen Eltern aufgewachsen ist und die das nicht wiederholen will – die sich insgesamt mehr Zeit wünscht. Auf die Hire-and-Fire Praxis, die in den Big Four verbreitet ist, antwortet sie, dass auch die Firmen sich neu erfinden und ihren Management-Stil anpassen müssen. „Die Machtposition der Firmen hat sich verändert, es geht vermehrt darum, einen Match zwischen Unternehmen und Kandidat zu finden“, erklärt sie. Tatsächlich hat sich auch für die Gen Z nicht verändert, dass Geld verdient werden muss und die Allermeisten sich in einem starken Abhängigkeitsverhältnis zu ihrem Arbeitgeber befinden. Vielleicht sind sie fordernder geworden. Doch hat diese Generation nicht mehr die Möglichkeit, mit einem Gehalt ein Einfamilienhaus und zwei Kinder zu finanzieren. Gleichzeitig seien die Zoomer, wie die Gen Z noch genannt wird, am wenigsten an eine Firma gebunden und respektierten Autorität weniger als die vorangegangenen Arbeitnehmer/innen. Also eine ordentliche Portion Me, myself and I.
James*, ein 24-jähriger Softwareentwickler, der bei den Big Four angestellt war, berichtet von seiner dortigen Probezeit, die gut verlief. Doch nach dieser Phase sei ihm gekündigt worden, wohl auch, weil er mehr von zuhause arbeiten wollte. Es gehe dem Management viel mehr darum, eine gewisse Art des Arbeitens durchzusetzen, als um die Arbeit an sich. „Das Level an Mikromanagement im privaten Sektor ist unfassbar. Flexibilität kam zu kurz, dabei ist das für uns das Wichtigste.” Für ihn spielt das Homeoffice etwa eine entscheidende Rolle; in Wiltz wohnen zu können und von dort aus zu arbeiten, um von den billigeren Mieten zu profitieren, ohne stundenlang im Zug sitzen zu müssen. „Firmen scheren sich nicht um dich, also musst du dich selbst um dich kümmern, first things first.“ In seinem neuen Job sei es möglich, von zuhause zu arbeiten, und die getane Arbeit sei wichtiger als festgelegte Arbeitszeiten, was ihm viel Genugtuung gebe und ihn zufrieden stimme. „Wir haben den Bullshit durchschaut. Ich definiere mich nicht mehr über meine Karriere.“ Unternehmen hätten den Angestellten vermittelt, sie müssten loyal sein, doch sie seien es selbst nicht. „Auch wer sich in einem Job ein bis zwei Jahre tot ackert, bekommt keine Gehaltserhöhung. Nur die Firma schreibt Rekordprofit.“ Die einzige Möglichkeit, dem zu entkommen, sei Jobhopping, also oft die Stelle zu wechseln.
Muriel Morbé stellt weniger Angst vor Jobverlust fest. „Früher hätten viele erst gekündigt, wenn sie eine andere Stelle haben. Das hat sich verändert. Es gibt eine größere Risikobereitschaft.“ Um die Beziehung der Gen Z zur Arbeit zu verstehen, lohnt es sich, ihre Auffassung von Zeit zu analysieren. Elisabeth Soulé, Autorin von La génération Z aux rayons X, definiert sie als eine, die sich viel weniger in die Zukunft projiziert. „Die Gen Z ist in einer Art neuen Verzauberung der Welt. Die Wahrnehmung der Zeit ist explodiert, das Digitale hat das Gefühl von Dauer zunichte gemacht. Dadurch, dass junge Menschen in realer Zeit kommunizieren und Informationen bekommen, leben sie in der Augenblicklichkeit, im jetzigen Moment.“
In Luxemburg leben derzeit knapp 115 000 junge Menschen der Gen Z (Stand Januar 2024). Knapp 24 000 unter 25-Jährige sind auf dem Arbeitsmarkt, Grenzgänger/innen einberechnet. Allen voran halten sie den Handel am Laufen, gefolgt vom Gesundheits- und Sozialwesen und der Verwaltung. 27 Prozent der Arbeitskräfte der OECD-Länder werden bis 2025 von der Gen Z besetzt sein. Gleichzeitig meldet die Adem 2 666 Arbeitslose zwischen 16 und 27 Jahren (Stand September 2024), weniger unter jenen, die einen höheren Bildungsabschluss haben. Doch nur in dieser Sparte gibt es mehr arbeitssuchende Frauen als Männer.
Ein weiterer – vielleicht nicht ganz so neuer – Trend ist bei den akademisch orientierten Zoomern zu beobachten: Sie studieren weiter, weil sie entweder keine Arbeit finden oder Unsicherheit empfinden, wo die Reise hingehen soll. Léo Liégeois (kürzlich Praktikant im Land, Anm. d. Red.), ist 23 Jahre alt und hat nach einem Bachelor-Studium und diversen Praktika den Weg zurück in die Aula gewählt. Das Ziel ist ein Master in Nahoststudien. „Die Suche nach einer richtigen Stelle war anstrengend. Ich saß monatelang an den Bewerbungen, wurde zu Gesprächen eingeladen und dann wurde trotzdem nichts daraus.“ Er erhofft sich, einen Job im Einklang mit seinen Werten zu finden – „mindestens zu 70 Prozent“, sagt er – allerdings ist er realistisch: „Nichts zu tun, ist finanziell nicht lange eine Option.“ In dem Fall würde er einer Vollzeitstelle, die die Rechnungen zahlt und nicht zu viel Energie kostet, damit er seinen Herzensprojekten in seiner Freizeit nachgehen kann, zustimmen. Geld sei nicht ausschlaggebend, sondern dass es irgendwie passt. Er beobachte in seinem Umfeld, dass Leute viele Praktika machen und sehen, wie langweilig Aufgaben schnell werden können. „Ich kann mir nicht vorstellen, drei Jahre lang das Gleiche zu machen.“ Innerhalb der gleichen Organisation würde er dann eine neue Aufgabe anstreben. Wenn es darum geht, sich irgendwo für mehr als ein oder zwei Jahre niederzulassen und ein Leben aufzubauen, müsse die Arbeit zu 100 Prozent stimmen, sagt er. Industrien, die eher junge Arbeitnehmer gewohnt sind, seien es auch gewohnt, diese gekonnter auszubeuten.
Auch Annabel* kann man zu den Idealisten zählen, die die Übereinstimmung mit den eigenen Werten im Beruf priorisieren. Als Absolventin eines Sciences Po und Urbanismus-Masters und an Fragen der ökologischen Transition interessiert, erklärt sie, der Mangel an praktischer Ausbildung ihres Studiums sei nun zum Grund zur Sorge mutiert. „Da ich Themen und Ideen studiert habe, muss ich immer up-to-date sein, ein Praktikum nach dem anderen machen. Ich habe Angst, keine Arbeit zu finden, die meinen Auffassungen entspricht.“ Auch deshalb hat sie noch ein weiteres Jahr studiert. Die Vier-Tage Woche befürwortet sie, Zeit sei ihr wichtiger als Geld: acht Stunden am Tag zu arbeiten und einen Tag zu haben, an dem man die Wäsche und die Einkäufe erledigen kann. „Ich weiß nicht, wie die Welt in 20 Jahren überhaupt aussehen wird, deswegen plane ich lieber kurzfristige Abschnitte.“ Die Leute, die irgendwie finanziell klarkämen, würden Entscheidungen verschieben. Ihrer privilegierten Position ist sie sich bewusst, andere hätten viel weniger Möglichkeiten als sie. Trotzdem sagt sie mit einer gewissen Resignation: „Viele von uns haben das Gefühl, es ist nichts mehr für uns da.“
Anders sieht das Luca Dalvecchio, 21 Jahre alt und Angestellter in einer Gemeindeverwaltung. Für ihn hat sich nach dem Sekundarschulabschluss die Frage, ob er studieren geht, gar nicht erst gestellt. Er wollte Polizist werden – als das nicht klappte, hat er nach einem Jahr Arbeitssuche seinen Job gefunden. „Stabilität ist mir am wichtigsten: Eine feste Stelle beim Staat.“ Homeoffice, Flexibilität und Geld sind eher zweitrangig. Die Arbeit gefällt ihm, auch der Austausch mit seinen Arbeitskollegen. „Ein Freund von mir hat jetzt zum vierten Mal den Studiengang gewechselt. Meiner Ansicht nach ist meine Generation zu wählerisch.“ Die Welt brauche ja nicht nur Ärzte und Architekten, sagt er.