Sie gelten als „zweite Säule“ der Altersvorsorge: Zusatzrenten, die ein Betrieb für seine Mitarbeiter/innen einrichtet. Ende 2022 bestanden in 2 193 Unternehmen „Rentenpläne“. Schreibt die Generalinspektion der Sozialversicherung (IGSS), die seit 1. Januar 2000 den zweete Pilier inspiziert. Von den 2022 insgesamt gezählten 35 346 Betrieben wären das 6,2 Prozent. Von damals insgesamt 480 230 gehaltsabhängig Beschäftigten hatten 68 933 einen Rentenplan, in den eingezahlt wurde. Was 14,38 Prozent aller salariés zum Jahresende 2022 entspricht.
6,2 Prozent der Betriebe und 14,38 Prozent der Beschäftigten klingt nach nicht viel. Und nach Luft nach oben. Auch politisch, wenn man bedenkt, dass die Regierung im Koalitionsvertrag angekündigt hat, die „promotion accrue“ der zweiten Säule, „notamment par une amélioration des allégements fiscaux“ prüfen zu wollen. Die der dritten Säule, der privaten Renten-Sparverträge, auch. Als CSV-Sozialministerin Martine Deprez Anfang des Jahres noch freimütig über ihre Renten-Reformideen sprach, meinte sie, Säule zwei und Säule drei sollten „in der Architektur der Altersvorsorge eine größere Rolle spielen“ (d’Land, 5.1.2024).
Doch das wird nicht einfach werden, was die zweite Säule angeht. Die IGSS veröffentlicht über sie in Abständen Berichte. Unlängst erschien wieder einer. An ihm fällt unter anderem auf: In erster Linie bieten Unternehmen in der Finanz- und Versicherungsbranche ihren Mitarbeiter/innen Betriebs-Zusatzrenten an. Ende 2022 taten das 29 Prozent der 3 351 der in diesem Sektor tätigen Unternehmen. Mit 974 entsprach ihre Zahl 44 Prozent aller 2 193 Betriebe mit Zusatzrentenregimes. An zweiter Stelle rangierten 464 Betriebe aus dem großen Sektor rund um die Finanzindustrie, der auch die Wissenschaft einschließt. Lauter Branchen auf der Suche nach „Talenten“, für die eine Zusatzrente den Arbeitgeber attraktiver macht. Dagegen waren unter den 1 129 Firmen der Immobilienbranche nur 34 mit Zusatzrenten, und unter den 1 626 Betrieben in Land- und Forstwirtschaft war nicht einer.
Konsequenterweise differiert der Anteil der Beschäftigten, die von einem Rentenplan profitieren, von Sektor zu Sektor stark. Konnten 2022 mehr als 56 Prozent der in der Finanz- und Versicherungsbranche Beschäftigten auf einen solchen Vertrag zählen, sowie 30 Prozent im Sektor ICT, waren es in Handel, Transport und Horeca nur knapp zehn Prozent, im Bauwesen drei Prozent. Wo die Gehälter häufiger in der Nähe des Mindestlohns liegen, werden die Zusatzrentenpläne seltener.
Erstaunlich ist das nicht. Zusatzrenten in der zweiten Säule finanziert in erster Linie der Betrieb. Die Mitarbeiter/innen können freiwillig zuzahlen. Laut IGSS-Bericht flossen 2022 aus den Betrieben 245,7 Millionen Euro in die Rentenpläne. Die Mitarbeiter/innen steuerten 37 Millionen bei. Der „grand écart“, notiert die IGSS, rühre daher, dass die Betriebe ihre Ausgaben bis zu einem Limit von 20 Prozent des Jahres-Bruttogehalts der Mitarbeiter/innen mit Rentenplan als Betriebsausgaben von der Gewinnsteuer absetzen können. Die Mitarbeiter/innen dagegen können höchstens 1 200 Euro in der Einkommensteuererklärung geltend machen.
Für die Betriebe haben die Zusatzrenten aber noch einen Kostenpunkt. Er hängt zusammen mit dem besonderen Clou des zweete Pilier: Wird das im Rentenplan Angesparte ausgezahlt, ist das steuerfrei. Sogar dann, wenn das Kapital auf einen Schlag abgerufen wird. Das ist ein wesentlicher Unterschied gegenüber dem drëtte Pilier, den privaten Altersvorsorgeverträgen mit einem Versicherer oder einer Bank. Lässt der private Rentensparer sich dieses Kapital auf einmal auszahlen, was seit der Steuerreform von 2017 erlaubt ist, schlägt die Einkommensteuer mit dem halben Steuersatz zu. Bei den Betriebsrenten nicht. Das geht, weil der Betrieb auf seine Einzahlungen in einen Rentenplan pauschal 20 Prozent Steuern zahlen muss. Das macht die Pläne zu den womöglich interessantesten Sparbüchsen hierzulande.
Wie viel aus den Betriebsrentenplänen am Ende bezogen wird, lässt sich aus dem IGSS-Bericht nur im Durchschnitt schätzen. Diese Beträge sind durchaus nennenswert. 2022 wurde für 453 Betriebsrenten-Versicherte, die sich ihren Plan auf einmal auszahlen ließen, ein Kapital von rund 44,2 Millionen Euro entnommen. Im Schnitt 97 500 Euro pro Person. An 322 Versicherte, die sich eine Rente auszahlen ließen, flossen 3,43 Millionen Euro. Pro Person durchschnittlich 10 652 Euro im Jahr oder 887 Euro im Monat.
Wie stark diese Beträge streuen und warum, weil in welche Rentenpläne mit welcher Laufdauer wie viel eingezahlt wurde, ist dem IGSS-Bericht nicht zu entnehmen. Er informiert noch, um wie viel Prozent 2022 eine Rente aus der ersten Säule, der gesetzlichen Rentenversicherung, durch eine Betriebsrente aufgebessert wurde: 53 Prozent der Rentner/innen mit Zusatzrentenplan brachte die Betriebsrente höchstens fünf Prozent zusätzlich. 29 Prozent der Empfänger/innen brachte sie zehn bis 30 Prozent mehr und knapp jedem Zehnten 30 bis 50 Prozent. Für jeden Fünfzigsten lag die Aufbesserung bei 50 bis 70 Prozent, und etwa der jeweils gleiche Anteil bekam 70 bis 90 Prozent, beziehungsweise mehr als 90 Prozent obenauf.
Doch diese Prozentangaben sagen nicht viel aus. In Luxemburg erwirbt Anspruch auf eine gesetzliche Altersrente, wer mindestens zehn Jahre lang Beiträge gezahlt hat. Also müssen prozentual hohe Zusätze zur gesetzlichen Rente nicht mit hohen Gesamt-Renten verbunden, sondern können auch Ausdruck „gemischter Karrieren“ sein, von denen ein Teil hierzulande absolviert wurde, der Rest anderswo in der EU. Und längst nicht alle Berufstätigen mit Betriebsrentenplan bleiben lange in dem Unternehmen, das ihn bietet: Bei „vielen“, erklärt die IGSS auf Nachfrage, sei die Dauer der Mitgliedschaft im Rentenplan eines Unternehmens kurz. „Dadurch fallen die Leistungen für sie niedriger aus.“
Wenn das Gros der Betriebsrentenpläne in Sektoren besteht, in denen hohe Gehälter gezahlt werden, sind sie natürlich weit davon entfernt, Volks-Zusatzrentenversicherungen zu sein. Wollte die Regierung das im Rahmen einer Rentenreform ändern und den zweiten Pfeiler steuerlich stärker begünstigen, würde sich zwangsläufig die Frage stellen, welchen Steuerausfall die Staatskasse hinnehmen soll. Und ob die Besteuerung der Beiträge der Betriebe zu den Rentenplänen bleiben soll, wie sie ist, damit auf Kapital wie Rente keine Einkommensteuer fällig wird und die Betriebsrenten attraktive Sparbüchsen bleiben.
Einerseits ist der Steuerausfall für die Staatskasse schon jetzt beachtlich. Die Absetzbarkeit der freiwilligen Zuzahlungen in die Rentenpläne von bis zu 1 200 Euro im Jahr habe 2022 einen déchet fiscal von sieben Millionen Euro verursacht, antwortete CSV-Finanzminister Gilles Roth im Mai auf eine parlamentarische Anfrage. 2023 habe er bei acht Millionen gelegen und dieses Jahr werde das voraussichtlich auch so sein. Dem Land teilte das Finanzministerium diese Woche auf Anfrage mit, dass der Steuerausfall durch die Absetzbarkeit der Beiträge der Betriebe in die Rentenpläne 2022 bei rund 94 Millionen Euro gelegen habe. Was in jenem Jahr zusammengenommen 101 Millionen zur Förderung von 68 933 Rentenplänen ergibt oder an die 1 500 Euro pro Plan.
Dagegen verursachte 2022 die Absetzbarkeit der Einzahlungen in einen privaten Renten-Sparvertrag von bis zu 3 200 Euro im Jahr einen Steuerausfall von 43 Millionen Euro. Was 134 500 Verträge im drëtte Pilier förderte, die allein mit Versicherungsgesellschaften abgeschlossen worden waren und sich in der Aufbauphase des Sparkapitals befanden. Vielleicht ist die Förderung der Betriebsrenten ja schon jetzt sehr großzügig.
Auf der anderen Seite schöpft die Staatskasse Einnahmen aus der Pauschalbesteuerung der Betriebs-Beiträge zu den Rentenplänen, damit die am Ende steuerfrei für die Nutznießer sind. 75,43 Millionen waren das 2022. Mit den 101 Millionen Steuerausfall zusammengebracht, bleiben unterm Strich 26 Millionen déchet fiscal und weniger als zur Förderung der privaten Renten-Sparverträge. Doch daraus folgt auch, dass eine Diskussion über mehr Betriebsrenten und über die mit ihnen begünstigten happy few am Finanzplatz und seiner Peripherie hinaus die Frage beantworten müsste, was das Betriebe kosten darf, deren Erlöse deutlich kleiner sind als die von Banken, Fonds-Managern, Big Four und Geschäftsanwaltskanzleien. Vielleicht muss am Ende Schluss sein mit den steuerbefreiten Sparbüchsen. Oder der Staat muss mehr Steuerausfall hinnehmen. Oder man diskutiert, die Förder-Millionen in die erste Säule zu stecken. Was natürlich weniger business friendly gegenüber dem Finanzplatz wäre, als die Bezuschussung der Talente-Attraktion und der Nachfrage am Rentenversicherungsmarkt.