Das Land hat sich mit Schülern unterhalten, die sich über Donald Trumps Wiederwahl freuen. Was stimmt sie zuversichtlich?

Auf seiner Seite

Schüler vor einem Pizza-Imbiss auf dem Limpertsberg
Photo: Sven Becker
d'Lëtzebuerger Land du 15.11.2024

Letzte Woche wurde Donald Trump zum 47. Präsidenten der USA gewählt. Wie steht die luxemburgische Jugend zu diesem Wahlergebnis? Vor einem Pizza-Imbiss am Limpertsberg hält am Dienstag eine Gruppe von drei Jugendlichen, alle in schwarzen Daunenjacken, ein Pizzakarton in der Hand. „Ich wusste, dass Trump gewinnen würde und war auf seiner Seite. Trump wird den Ukraine-Krieg beenden“, meint einer der drei Schüler aus der Quatrième-Classique. „D’Kamala huet keng Ahnung“, pflichtet ihm ein Mitschüler bei. Sie würden Trump „besser kennen“. Kamala Harris hingegen hätten sie nicht so oft gesehen und wüssten kaum, „was sie so macht.“ Wo informieren sie sich – ging Harris Programm in ihrem Feed unter? „Vor allem auf TikTok.“ Und im Französischunterricht habe man über die Wahl diskutiert. „Unser Lehrer ist sehr cool, aber er hat eine andere Meinung – er findet Trump bescheuert“, erklärt der gesprächigste Schüler. Zwar „spackt den Trump vill“, aber er sei ein Macher; ein erfahrener Businessmann.

Hinter ihnen stehen zwei Schülerinnen aus dem gleichen Jahrgang. „Ech sinn iwwerhaapt keen Trump-Fan“, empört sich eine der beiden Schwarzhaarigen. „Und ich bin sehr enttäuscht von den Frauen, die ihn gewählt haben.“ Im Unterricht habe man mehrmals über Harris und Trump diskutiert. „Die Jungs wollten Trump besser darstellen, als er ist“, sagt die Quatrième-Schülerin. Trotzdem hätten die wenigsten in der Klasse sich eindeutig hinter ihn gestellt. „Bei uns in der Klasse tendierten alle eher zu Trump“, meinen hingegen zwei Jungen, die auf einer Bank sitzen und Pizza essen. Auch die Mädchen? „Wir haben keine Mädchen in der Klasse. Wir sind neun Jungs in der Mechatroniker-Ausbildung“, erklären sie. Trump stehe für Frieden, Harris für Eskalation, sind sich die beiden sicher. Außerdem werde er die illegale Migration stoppen und uns reich machen. „Dass Trump gegen Abtreibung ist, finden wir nicht gut.“ Aber es fällt bei ihren politischen Überlegungen nicht ins Gewicht. Auch nicht, dass er vor Gericht schuldig gesprochen wurde für eine Schweigegeldzahlung an einen Pornostar und die Fälschung von Geschäftsunterlagen. Auch nicht, dass er die europäische Wirtschaft durch Zölle schwächen will. Auch nicht, dass er die europäische Sicherheitsgrammatik schädigen könnte.

Amerikanische Podcasts strömen mittlerweile in die Schlafzimmer der luxemburgischen Jugend. Besonders Joe Rogan ist beliebt; er habe „Ahnung von Politik“, beschreibt ihn ein Schüler der Deuxième. Rogan macht Podcasts über alles mögliche, ein roter Faden ist nicht auszumachen: Er interviewt Freunde, renommierte Fachleute, Verschwörungsgurus und Politiker – unter anderem Donald Trump kurz vor den Wahlen. Rogans Zuhörer sind zu über 80 Prozent männlich. 2016 unterstützte er noch Bernie Sanders, doch durch seine Freundschaft zu Elon Musk und seine Ablehnung von Transgender-Rechten hat er sich inzwischen dem Trump-Lager zugewandt. Vor allem junge Amerikaner zwischen 18 und 29 Jahren haben sich auf seine politische Seite geschlagen. Die Kluft im Wahlverhalten zwischen jungen Männern und Frauen war letzte Woche in den USA besonders in dieser Altersgruppe auffällig. Untersuchungen aus Nachbarländern zeigen ein ähnliches Bild: In Sachsen und Thüringen wählten Jungwähler zu über 31 beziehungsweise 38 Prozent die AFD. Der Leiter der Shell-Studie, Politikwissenschaftler Mathias Albert, erläuterte gegenüber dem Spiegel, unter jungen Männern sei derzeit ein Rechtsruck zu beobachten, allerdings zugleich auch eine Bewegung von der Mitte nach links. In Belgien wurde nach den Wahlen vor einem Monat bekannt, dass vor allem junge Männer Vlaams Belang und junge Frauen die Grünen wählten. Daraufhin posteten Belgier in sozialen Netzwerken halb im Scherz, halb als bittere Prophezeiung: Bald daten junge Flamen nicht mehr. Die Postdoc-Forscherin Agnes Darabos von der Universität Luxemburg kann den Trend ins rechtspopulistische Lager für Luxemburg bisher jedoch nicht bestätigen. In der Polindex-Umfrage, die im Juni veröffentlicht wurde, kam die ADR bei Erstwählern auf lediglich 2,5 Prozent. Gleichzeitig war dies die Altersgruppe, die sich mit 17,5 Prozent am häufigsten unentschieden zeigte. Die trumpistische Kultur und ihre Ideale werden über soziale Medien, das „Wohnzimmer“ der Jugend, weitergetragen. Vielleicht gelingt es ihr, künftig einen Teil der hiesigen Unentschlossenen nach rechts zu ziehen.

Trumps Wahlkampfstrategie hat zumindest zwei Schüler der Deuxième auf dem Campus Geeseknäppchen überzeugt: Trump sei gemeinsam mit Elon Musk aufgetreten, dem die Wähler Expertise zuschreiben, während Kamala Harris sich mit den Rapperinnen Megan Thee Stallion und Cardi B umgeben habe. Das sei unseriös. Ein fataler Fehler sei außerdem gewesen, dass sie kein Studio-Interview mit Joe Rogan aufgenommen hat – dabei hatte er sie eingeladen. Harris’ Fokus auf Identitätspolitik empfinden die Schüler zudem als hohle Show, eine bloße Strategie. „Immer wieder wiederholte Joe Biden, sie sei eine schwarze Frau“, unterstrich ein Deuxième-Schüler und wundert sich, weshalb Identitätspolitik das einzige Angebot der Demokraten gewesen sei. Aber nicht alle sind von Elon Musk begeistert. Eine Gruppe von fünf Schülern in einer Nebenstraße des Fieldgen lacht: „Er baut Elektroautos. Batterien sind sehr schädlich für die Umwelt, Elektroautos sind doof.“ Die fünf Jungs besuchen eine Quatrième und lernen für den Erzieher-Abschluss. Die befragten Jungs auf dem Limpertsberg sind gleicher Meinung, Musks Autos seien „uncool“. Aber er wolle die Menschheit zum Mars bringen – „das ist faszinierend“. In den Gesprächen herrscht dabei kein aggressiver Tonfall, geschweige Böswilligkeit, sondern eher eine Art Aufbruchstimmung. Trump wirkt subkutan, er bringt innere Emotionen zum Schwingen.

Im Gesprächen mit dem Land relativieren Lehrerinnen das Meinungsspektrum der Jugendlichen: Trump-Befürworter seien in den jeweiligen Klassen – wenngleich eine lautstarke – nur eine Randerscheinung. In den meisten Klassen sei eine deutliche Mehrheit der Schüler apolitisch. Und obwohl die Rogan-Show populär sei, nehmen die Hörer/innen das dort Gesagte nicht für bare Münze. Noch zwielichtigere Figuren wie Andrew Tate und seine Alpha-Male-Kopien empfinden die Jugendlichen als „zu extrem“, sie lehnen deren Gewaltverherrlichung ab. Die meisten Schüler/innen hätten einen soliden moralischen Kompass, heißt es aus dem Leherzimmer. Der Unternehmer und Influencer Tate behauptet, Frauen seien das Eigentum des Mannes und Gewalt in Beziehungen normal. Der Psychologe und Sexologe Walid Meghrabi vom Verein Info-Mann mahnt deshalb: „Die sozialen Netzwerke müssen dringend hinsichtlich Hate-Speech reguliert werden.“ Der Verein setzt sich für Männer ein, die Gewalt erfahren haben, und führt Sensibilisierungskampagnen an Schulen durch. Wenn auch Alpha-Male-Influencer kein Massenphänomen seien, verbreiteten sich über Internetplattformen zunehmend falsche Vorstellungen über Männlichkeit und Beziehungen, erläutert Meghrabi in seinem hellen Büro in Hollerich. „Unsere Pädagogen haben im Kontakt mit Jugendlichen festgestellt, dass Influencer wie Tate in den letzten Jahren populärer wurden. Jungs und Mädchen verinnerlichen zunehmend die Idee, Männer müssten Frauen dominieren. Über die sozialen Netzwerke zirkulieren völlig verdrehte Vorstellungen von Beziehungen. Da blicken wir nicht optimistisch in die Zukunft“, führt er aus. Der Schaden, der in künftigen Beziehungen entstehen könnte, sei nicht zu unterschätzen: Gewaltbeziehungen machten alle Beteiligten – Opfer und Täter – unglücklich. Das Team von Info-Mann stellt zudem fest, dass Männer noch allzu häufig der Ansicht seien, Konflikte notfalls mit Gewalt lösen zu müssen. „Wir brauchen Räume, in denen Männer offen über ihre Ängste und Fragen sprechen können“, sagt Meghrabi. Kaum bekannt sei auch das Ausmaß des Pornografiekonsums unter jungen Männern. Es gibt nur wenige Studien dazu. „Der Anteil der Männer mit Pornografiesucht scheint jedoch durch die intensive Smartphone-Nutzung zuzunehmen.“

Männer schneiden außerdem nicht immer besser ab als Frauen: Zwar gehören Männer oft zu den Hochverdienern, zugleich gibt es mehr Bildungsverlierer unter ihnen; Männer haben häufiger schwere Arbeitsunfälle und es gibt mehr obdachlose Männer. Ihre Körper werden an Kriegsfronten verheizt, und sie begehen deutlich öfter Suizid. Männer sind in der Mehrheit der Gewaltverbrechen Täter, aber auch häufiger Opfer von Gewalt. „Männer können in Gewaltspiralen gefangen sein – aus Opfern werden Täter“, erklärt der Psychologe. Der Männlichkeitsforscher Richard Reeves kritisierte mehrfach im Guardian, dass es den Demokraten nicht gelingt, die Herausforderungen junger Männer ernst zu nehmen. Sowohl linke als auch rechte Stimmen sprächen mittlerweile über Geschlechterverhältnisse, als handele es sich um ein Nullsummenspiel: Wer Frauen empathisch gegenübertrete, könne dies nicht gleichzeitig bei Männern tun – ein folgenschweres Denken, das in der politischen Debatte zu beobachten sei.

Dass manche Männer sowohl gegenüber Frauen als auch gegenüber Männern gewalttätig sind, war in einem Radiokommentar der RTL-Journalistin Annick Goerens vernehmbar. Der Fußball-Nationalspieler Gerson Rodrigues wurde in drei Fällen der Körperverletzung schuldig gesprochen, führte sie aus. Seine Ex-Freundin Emilie Boland hatte ihn verklagt, nachdem sie durch einen Schlag von ihm ohnmächtig geworden war. Nach einer chaotischen, alkoholgetränkten Nacht wurde er laut; sie schloss sich im Schlafzimmer ein, aber der Fußballspieler trat die Tür ein. Zudem brach er einem Mann den Kiefer und schlug einem weiteren einen Zahn aus. Auf Instagram zählt Rodrigues 380 000 Follower. Er sieht sich nicht zu klein: In einigen Posts nennt er sich selbst „the King“. Seine fast ausschließlich männlichen Fans applaudieren ihm mit Kommentaren wie „the boss“ oder „well done bro.“ In einem Insta-Beitrag verkündete der Nationalspieler: „I like people who talk behind my back because that’s exactly their place – behind me.“

Neue Vorlagen, um Gewalt in zwischenmenschlichen Beziehungen und Familien zu normalisieren, werden im Trump-Lager bereits geschmiedet. Ende Oktober behauptete Tucker Carlson, Medienpersönlichkeit und Mitglied der republikanischen Partei, in Georgia: „There has to be a point at which dad comes home!“ Der Saal brüllte ihm eine halbe Minute lang zustimmend zu. Er fuhr fort: „Und falls dieser Vater verärgert ist, weil die Tochter oder der Sohn sich unartig benommen haben“ – dann helfe nur eines: seine Kinder zu schlagen. Das sei kein Problem, da es „aus einem Gefühl der Gerechtigkeit“ geschehe – Gerechtigkeit, „the purest thing there is.“ Danach lacht er; dafür stünden die demokratischen Kandidaten Tim Walz und Kamala Harris natürlich nicht: „Because it is the party of weak men and unhappy women.“ Dort, wo es schwache Männer gebe, gebe es auch unglückliche Frauen – beides sei miteinander verwoben. In der republikanischen Sphäre wird damit zugleich signalisiert: Nicht nur Frauen und Kinder sind zu bedrohen, sondern ebenfalls alle Männer, die ihre Ideologie ablehnen. Joe Rogan, der Podcast-Liebling auch hiesiger Kids, redet mittlerweile ähnlich wie Carlson: „Soft men create hard times.“

Wird Carlsons Happy Family-Narrativ unter luxemburgischen Politikern Nachahmer finden? Es ist noch zu früh, um die Auswirkungen der US-Wahlkampagne auf Parteiprogramme und Reden der luxemburgischen Politik zu analysieren. Zumindest aber sympathisiert der ADR-EU-Abgeordnete Fernand Kartheiser mit Trump: „Ich freue mich über das Ergebnis,“ sagte er nach der Wahl gegenüber dem Tageblatt. Er habe ein Gratulationsschreiben nach Mar-a-Lago geschickt; es sei ein „bedeutender und hoffnungsvoller Tag für die Vereinigten Staaten und alle friedliebenden Völker weltweit“. Der ADR-Abgeordnete Fred Keup äußert sich auf seiner Facebook-Seite etwas zurückhaltender: „Faire und demokratische Wahlen zeigen, dass Trump beim Volk beliebt ist (...).“ Von den ADR-Abgeordneten Alexandra Schoos, Dan Hardy und Jeff Engelen war bisher kein Zuspruch zu vernehmen. Der ADR-Parteiideologe Tom Weidig äußerte sich nach Trumps Wahlsieg auf Facebook besorgt über die abgehängte europäische Raumfahrt. Der Präsident der Jugendorganisation Adrenalin, Maksymilian Woroszylo, schrieb seinerseits auf Facebook: „Fair gewonnen.“ Auf dem Nationalkongress im Frühling behauptete er, die Jugendlichen seien in den Schulen auf die Adrenalin-Mitglieder zugerannt, um mit ihnen zu diskutieren „oder sogar Fotos zu machen.“ Die Jugend mache sich Sorgen „iwwer d’Kriminalitéit.“ Deshalb sei er sich sicher: „D’Jugend hei am Land wielt ADR.“ Befragt, ob sie und ihre Mitschüler Maksymilian Woroszylo kennen, entschuldigen sich die Schüler/innen am Limpertsberg: „Wir kennen den nicht.“

Which man’s world

Der 19. November gilt als Internationaler Männertag. In diesem Zusammenhang werden Ende des Monats verschiedene Veranstaltungen organisiert. Am 22. November eröffnet der Verein Info-Mann die Ausstellung Les vrais hommes?, die Männerstereotype hinterfragt. Die Eröffnungsfeier findet im House of Startups in Luxemburg-Stadt statt und bietet die Gelegenheit, verschiedene am Thema interessierte Akteure zusammenzubringen. Unter anderem wird Ulrick Lemarchand, Gründer des Vereins SOS Hommes Battus, aus Frankreich anreisen. Der Dokumentarfilm Dans le noir, les hommes pleurent wird am 27. November in der Kulturfabrik in Esch/Alzette gezeigt. Im Anschluss an den Film wird eine Diskussion mit dem Filmemacher Sikou Niakaté stattfinden. Für seinen Film interviewte er Freunde über Männlichkeit, Emotionen und Beziehungen. Auch die soziale Frage beschäftigt ihn: Spielt der durchtrainierte Männerkörper in der Arbeiterklasse eine bedeutendere Rolle als in der Oberschicht? Der Autor Tobias Ginsburg wird am 29. November im Cercle Cité aus seinem Buch Die letzten Männer des Westens (Rowohlt Verlag) vorlesen und von seinen Undercover-Recherchen in deutschen, polnischen und US-amerikanischen Männerbewegungen berichten. Eingeladen wurde der Journalist und Theaterregisseur Ginsburg vom CID Fraen an Gender.

Stéphanie Majerus
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