Kommenden Montag wird Wohnungsbauminister Fernand Boden (CSV) den "Wohnungsbaupakt" veröffentlichen, den die Regierung mit den Gemeinden abschließen will. Dessen politische Bedeutung ist groß: Zwar hat sich laut Berechnungen des "Observatoire de l'habitat" der Preisindex auf dem freien Wohnungsmarkt im zweiten Halbjahr 2005 nach unten bewegt, und Ende 2005 kamen die Preise wieder beim Stand von Ende 2004 an.
Doch das ist eine Stabilisierung auf hohem Niveau; es liegt in Euro ausgedrückt für Häuser um knapp zehn und für Apartments um rund acht Prozentpunkte über dem Stand von Ende 2003. Ende 2003 aber war 20 Monate nach der Erklärung zur Lage der Nation vom 7. Mai 2002, in der Premier Jean-Claude Juncker feststellte: "Wir bauen zu wenig und zu teuer!" Worauf die damalige Regierung ein Maßnahmenbündel aus steuerlichen Erleichterungen für Käufer wie für Promoteure formulierte, die sozial gestaffelten Beihilfen für Käufer neu fasste und die Ausgaben für den staatlichen sozialen Wohnungsbau erhöhte. Wenn Juncker am 12. Oktober letzten Jahres in seiner ersten Erklärung zur Lage der Nation nach den Wahlen eine persönliche Verantwortung für die "gescheiterte" Wohnungsbaupolitik übernahm und den "Wohnungsbaupakt" versprach, den er in seiner 2006-er-Erklärung am vergangenen Dienstag zur baldigen Veröffentlichung ankündigte und hinzufügte, bei einem erneuten Scheitern wisse er sich "keinen Rat" mehr - dann ist der Pakt ein großes Versprechen der CSV im Hinblick auf die Wahlen 2009.
Allerdings besteht die Gefahr, dass sich bis dahin nicht viel tut. Das kleinere Problem sind die verschiedenen zuvor nötigen Gesetzesänderungen im Pachtrecht, im Steuerrecht und im Baurecht. Sie sind bereits formuliert und könnten sich wohl ähnlich rasch verabschieden lassen wie das 2002 geschnürte Reformpaket. Im Gegensatz zu damals aber wird der Erfolg der Aktion sich diesmal wesentlich an der Mitarbeit der Gemeinden messen lasssen. In den letzten Jahren betrug das landesweite Bevölkerungswachstum im Jahresmittel 1,2 Prozent. Kanalisiert werden soll dieser Zuwachs in Gemeinden, die mit dem Staat eine Konvention abschließen und ihre Einwohnerzahl innerhalb von zehn Jahren um mindestens 15 Prozent steigern wollen. Als Anreiz soll eine zusätzliche staatliche Kapitalhilfe an die konventionierten Gemeinden dienen. Regeln soll die Konvention auch, in welchem Umfang eine solche Gemeinde Bauland erwerben und in Erbpacht auf den Markt bringen könnte - zum Aufkauf soll der Staatsbeitrag von zurzeit 40 auf 50 Prozent steigen. Festlegen soll die Konvention einen Zeitplan zur Realisierung konkreter Wohnungsbauprojekte; festschreiben soll sie, dass der betreffende Gemeinderat nicht nur bei Verschleppung des Baubeginns ein Baugebot verhängen, sondern bei Nichtnutzung von Wohnbauland eine "Spekulationstaxe" erheben kann.
Als problematisch könnte sich jedoch schon erweisen, dass die "Wohnungsbauentwicklungspläne" zu einer Zeit abgeschlossen werden sollen, da die Gemeindefinanzen unter Druck stehen und ein parlamentarischer Spezialausschuss eine Grundsatzdiskussion über das künftige Verhältnis zwischen Staat und Kommunen führt. Mag auch die Kfz-Steuer, aus deren Einnahmen automatisch 20 Prozent an den "Fonds communal de dotation financière" (FCDF) fließen, Anfang nächsten Jahres erhöht werden und dem FCDF voraussichtlich 32 Millionen Euro mehr zum Verteilen einbringen; mögen auch verschobene Indextranchen und "Nullrunden" im öffentlichen Dienst - falls es sie geben wird - die Personalkosten der Gemeinden in den kommenden Jahren dämpfen: Eine tief greifende Gemeindefinanzreform soll erst erfolgen, wenn im Spezialausschuss Klarheit herrscht über die "Basisdienste"einer "Gemeinde des 21. Jahrhunderts" an ihren Bürgern und anschließend über die territoriale Neuordnung des Landes und den Weg hin zu Gemeindefusionen und "Communautées des communes".
Noch vor den Sommerferien, wie von Innenminister Jean-Marie Halsdorf (CSV) gehofft, wird der Ausschuss seine Diskussionen über die Basisdienste aber nicht abschließen, meinen sowohl der Ausschussvorsitzende Michel Wolter (CSV) wie Ausschussmitglieder aller Chamber-Fraktionen. Die Gräben verlaufen nicht nur zwischen den Fraktionen, sondern auch fraktionsintern, wenn es um die Interessen größerer beziehungsweise kleinerer Gemeinden geht.
Angesichts dieser komplexen Lage dürfte vor allem in kleineren Gemeinden ein intensives Abwägen einer Beteiligung an Wohnungsbauentwicklungsplänen einsetzen. Eigentlich setzen sie starke Gemeinden voraus: Bauland per Erbpacht auf den Markt zu bringen, erfordert angesichts kaum vorhandener kommunaler Grundstücksreserven einen Finanzaufwand beim Aufkauf, den Syvicol-Präsident Jean-Pierre Klein auf einem Rundtischgespräch mit dem Innenminister vor einer Woche selbst bei einem von 40 auf 50 Prozent erhöhten Staatsbeitrag noch als hoch einschätzte, sodass "nicht viele Gemeinden darauf springen" würden. Hinzu kommt, dass eine Gemeinde, die nach einem mit dem Staat vereinbarten Zeitplan auf ihrem Territorium bauen ließe, gewissermaßen die Rolle eines Promotors übernehmen müsste. Ausgeschlossen ist es nicht, dass eine große Zahl von Gemeinden davor zurückschreckt - nicht nur, weil sie organisatorisch, sondern auch in der Vorfinanzierung der Bauprojekte überfordert zu werden meint.
Zum großen Rechnen wird die "4 500-Euro-Offerte" führen. Im Gegensatz zur etwas verkürzten Darstellung durch den Premierminister am 2. Mai, sollen einer konventionierten Gemeinde nicht pauschal 4 500 Euro pro Extraeinwohner winken. Fällig wird die Prämie nur, wenn der Einwohnerzuwachs innerhalb eines Jahres mindestens ein Prozent betrug, und gezahlt wird pro Extraeinwohner jenseits der Ein-Prozent-Schwelle. Das Einwohnerwachstum soll Jahr für Jahr neu berechnet und die im Vorjahr erreichte Einwohnerzahl als Sockel genommen werden. Darauf müsste erneut ein Wachstum um mindestens ein Prozent folgen, damit jeder neue Extraeinwohner wiederum 4 500 Euro einbringt, die als Kapitalhilfe ein Beitrag zum Investitionsbudget der Kommune sind.
Wahrscheinlich hofft die Regierung insgeheim, dass sich das Interesse an den Konventionen über Wohnungsbauentwicklungs- pläne in erster Linie auf die 42 so genannten "IVL-Gemeinden" beschränken möge. Das sind die größten Gemeinden des Landes, beziehungsweise Kommunen, die sich in einer Agglomeration um die Hauptstadt, Esch-Alzette oder in der "Nordstad" befinden, oder im Alzettetal zwischen Luxemburg und Mersch. Ihnen wird eine Kapitalhilfe von 50 Prozent mehr als 4 500 Euro in Aussicht gestellt, und die mit ihnen abzuschließenden Konventionen sollen Extrakriterien enthalten, beispielsweise zu dichterer Bebauung.
Nötig ist eine solche Prioritätensetzung schon deshalb, weil bereits vor über vier Jahren regierungsoffiziell erklärt wurde, dass die Zersiedelung des Landes ein Hauptverursacher des steigenden Autoverkehrs ist und man anschließend das IVL-Konzept in Auftrag gab. Nähme die jetzige Regierung Abschied von den Leitgedanken des IVL-Konzepts, indem sie Wohnungsbau "egal wo" zuließe, müsste man ihr vorwerfen, alle Vernunft fahren gelassen zu haben.
Das ist so nicht der Fall, denn auch die Konventionen mit Nicht-IVL-Gemeinden sollen sich am IVL orientieren. Immerhin erreicht so manche Landgemeinde Bevölkerungszuwächse um acht bis zehn Prozent. Und dieser Tage zeigte eine vom "Observatoire de l'habitat" veröffentlichte Studie, in welchem Maße umzugswillige Haushalte, die eine eigene Wohnung oder ein eigenes Haus zu kaufen beabsichtigen, angesichts hoher Preise Mobilität entwickeln: Rund ein Fünftel aller Befragten war zum Umzug in eine andere Region bereit, acht Prozent sogar zum Umzug ins grenznahe Ausland. Erhoben wurden diese Angaben 2003. Damals aber lagen die Preise niedriger als heute.
Die entscheidende Frage wird sein, ob Baugrund tatsächlich zum Aufkauf durch die Gemeinden und zur Weitergabe per Erbpacht mobilisiert werden kann. Eine "Spekulationstaxe" einzuführen, die wichtige Wähler verärgern könnte, werden kleine Gemeinden mit Sicherheit zögern, und kleinere IVL-Gemeinden womöglich auch. Und selbst wenn Bauland stärker als bisher an Gemeinden und Staat übertragen würde, bleiben Flächen, die in den Bebauungsplänen als Wohnbauflächen ausgewiesen sind, teure Flächen, weil sie vom Zeitpukt ihrer Ausweisung als Wohnbauland der Spekulation ausgesetzt waren. Sollen sie in Erbpacht vergeben werden, muss die öffentliche Hand nicht nur den Aufkauf subventionieren, sondern anschließend auch den Pachtzins, der eine Verzinsung des Preises ist.
Dies im großen Stil zu tun, ist womöglich eine Last, an der sich sogar ein noch einigermaßen reiches Land wie Luxemburg überheben könnte. Die Alternative wäre nur, billigere Grundstücke außerhalb ausgewiesener Wohnbauzonen zu erwerben. Davon ist im Wohnungsbaupakt zwar die Rede, aber nicht als konzertierte Aktion. Obwohl die Chancen dafür eigentlich gerade jetzt organisatorisch nicht schlecht stehen: Alle Gemeinden sind aufgefordert, ihre allgemeinen Bebauungspläne neu aufzustellen. Da ist es möglich, die Bauperimeter zu ändern und Wohnflächen frisch auszuweisen.
Vielleicht fand die für einen solchen Ansatz nötige Kooperation zwischen Wohnungsbauministerium und Innen- und Landes- planungsministerium nicht statt. Aber einen Vorteil hat es immerhin, den Erfolg der Initiative weitgehend den Gemeinden zu überlassen: Gibt es bis zu den nächsten Wahlen keine zufrieden stellenden Ergebnisse, können die CSV-Minister Boden, Halsdorf und Juncker die Schuld daran von sich weisen. Dabei braucht Luxemburg dringend eine Strategie in der Frage, wo eine wachsende Bevölkerung wohnen soll und wie dafür gesorgt werden kann. Und wachsen sollen Bevölkerung und Wirtschaft ja. Andernfalls müsste man den Bürgerinnen und Bürgern schon heute erklären, dass die Renten, die seinerzeit der Rententisch beschloss, in 30 Jahren nicht mehr sicher sind. Der Wohnungsbaupakt macht sie jedenfalls nicht sicherer.