Tabakreklame? François Bausch reagiert ausgesprochen gereizt auf dieses Wort. „Alle“ würden nur über die Zigarettenplakate reden, die am Dienstag vergangener Woche in den Mupi-Schaukästen der Hauptstadt zu sehen waren. „In Bushaltestellen hing die Werbung vorher schon, und das hat keinen gestört!“
Was den grünen Finanz- und Verkehrsschöffen so aufregt, ist ja nicht nur, dass letzte Woche der Eindruck entstand, ausgerechnet in einer unter grüner Beteiligung regierten Stadt werde illegal für Tabak geworben. Als am 13. Juli 2006 das Anti-Tabak-Gesetz von der Abgeordnetenkammer verabschiedet wurde, enthielt sich die von Bausch geführte grüne Fraktion, weil ihr die neuen Regeln nicht weit genug gingen. Es ist das Fahrradkonzept, das Bausch persönlich am Herzen liegt, das durch die Tabakaffäre ins Lächerliche gezogen wurde: Tabakwerbung werde den Vel’oh-Fahrradverleih finanzieren, den Bausch gewollt und den die Stadt bei JCDecaux eingekauft hat – so kam die Geschichte an. Um so mehr, da die Mupi-Tafeln zwei Wochen vorher ohne ausreichende Genehmigung aufgestellt und bereits dadurch zum Gesprächsthema geworden waren. Dass die Zigarettenwerbung schon in der nächsten Nacht aus den Mupi entfernt wurde, half da nicht mehr.
Wahrscheinlich lässt sich kaum ein besserer Start denken für die Markteinführung der neuen Zigarettenmarke von Heintz van Landewyck. „Sogar abends im Fernsehen war sie zu sehen“, schwärmt HvL-Marketingdirektor François Elvinger. Ob die effiziente Pressearbeit der Stater CSV um Laurent Mosar dazu am stärksten beitrug, oder eher jene Jungsozialisten, die in einer nächtlichen Aktion einige der frisch bestückten Mupi verhüllt hatten? Wer weiß. Monroe mécht vill Onrou, habe der Finanzdirektor der Hollericher Tabakfabrik gereimt, erzählt Elvinger amüsiert. „So viel kann ich sagen: Das war ein guter Start!“
Denn immerhin hatte Gesundheitsminister Mars Di Bartolomeo am 13. Juli 2006 vor dem Parlament verkündet: „Das Gesetz verbietet die Werbung in allen Formen für den Tabak.“ Was sich anhört, als seien die Bedingungen zum Lancieren einer neuen Zigarettenmarke hierzulande seitdem denkbar schlecht – noch dazu für eine Marke, mit der man sich im oberen Preissegment ganz neu etablieren will. Aber so total ist das Verbot nicht: Vor Inkrafttreten des Gesetzes abgeschlossene Werbeverträge dürfen zu Ende geführt werden – allerdings nicht über den 5. September dieses Jahres hinaus. Dann jährt sich das Inkrafttreten der Anti-Tabak-Bestimmungen zum zweiten Mal. Und da die Ausnahme für „activités de publicité“ gilt, bezieht die Klausel sich nicht zwangsläufig auf eine einzelne Kampagne, sondern möglicherweise auf die Nutzung eines Werbeträgers. Das war der Fall für die Zeitschriftenreklame, die Heintz van Landewyck vor ein paar Monaten noch schaltete, die nun aber weggefallen ist. Das gilt nicht für die Bestückung der Mupi-Tafeln, für welche die Verträge erst nach dem Gesetz zu Stande kamen, und über die François Bausch wie François Elvinger sagt: „Wir haben das nicht bestellt.“
Die Plakatierung in den Bushaltestellen aber bleibt möglich bis Anfang September. Elvinger nennt sie „extrem wichtig“ für die am 29. Februar gestartete Kampagne. Mit dem bevorstehenden Start von Monroe im Hinterkopf brachte Heintz van Landewyck sich seinerzeit „ein in die Arbeit am Gesetz“, wie der Marketingchef es nennt. „Wir waren ja damals noch in der Konzeptionsphase der neuen Marke.“
Und einem einheimischen Traditionsbetrieb unnötig das Leben schwer machen, das wollte damals niemand. Auch der 800 Arbeitsplätze allein im Großherzogtum wegen, aber auch wegen der Akziseneinnahmen für den Staat: An die 700 Millionen Euro im Jahr nimmt der Staat an Akzisen und Mehrwertsteuer auf Tabakwaren ein. Dann sollte Heintz van Landewyck nicht schlechter gestellt sein als die Big Four, auf welche die größeren Tabakfirmen der Welt mittlerweile zusammengeschrumpft sind.
Soll heißen: Ein bisschen Tabakwerbung wird es auch weiterhin geben. Für Raucher und solche, die es unbedingt werden wollen, dürften demnächst vermehrt Gadgets mit Zigarettenmarken-Aufdruck in Umlauf kommen: Streichholzpäckchen, Feuerzeuge und ähnliches Zubehör, das im unmittelbaren Nutzungszusammenhang mit dem Rauchen steht. Zum letzten Austragungsort für das Direktmarketing werden die Tabak- und Zeitungsläden. Hier sind Plakate zulässig, Bandenwerbung über dem Ladentisch ist es ebenfalls. Und könnte umkämpfter werden, weil der Platz begrenzt ist: Wo im Verkaufsregal die Zigaretten platziert werden, ist bereits zur Kostenfrage geworden. Heute schon werden ganze Regalfächer vermietet. Wer am meisten zahlt, dessen Sorten stehen „auf Augenhöhe“ für den Kunden, der Rest fällt sozusagen unter den Ladentisch. Strategisch wichtige Läden werden von Heintz van Landewyck bereits seit dem Jahr 2000 in einem „Netzwerk“ gepflegt. „Wir haben äußerst gute und stabile Beziehungen zu unseren Weiterverkäufern“, sagt François Elvinger. Zum Glück für die Hollericher interessieren sich die großen Tabakkonzerne in erster Linie für das Tankstellengeschäft. Jedenfalls noch.
Da scheint es für den Hersteller umso wichtiger, dass so manches aus der traditionellen Ikonographie in die immer rauchfreiere Zukunft hinüber gerettet wird. Die im Treppenhaus des Luxemburger Hauptbahnhofs am Ausgang zum Bahnsteig 3 großflächig angebrachte Wandbemalung für Ducal Café etwa fällt ganz sicher nicht unter das Werbeverbot des Anti-Tabak-Gesetzes, das in Artikel 3, Paragraf 1, Absatz 2 mit viel Formulierungsaufwand festhält: „Cette interdiction englobe l’utilisation de l’emblème de la marque ou le nom de la marque du tabac ou des produits du tabac ainsi que l’utilisation de toute autre représentation ou mention susceptible de s’y référer sur des objets autres que ceux qui sont directement liés à l’usage du tabac.“ Denn einen Absatz später werden davon all jene Produkte ausgenommen, die vor dem 9. April 1989 auf dem Markt waren, „und Ducal Café“, sagt François Elvinger, „lassen wir schon seit den Achtzigerjahren herstellen“. Es gebe noch ein paar solche Produkte, doch „ins Detail“ will der Marketingchef lieber nicht gehen.
Werden die geltenden Werbe-Einschränkungen des Anti-Tabak-Gesetzes konsequent genug durchgesetzt? Möglicherweise nicht. Hauptstadtschöffe Bausch meint, dass „überall im Land“ noch Tabakläden mit einem Ducal-Schild über der Tür zu finden seien: „Es ist Sache des Gesundheitsministers, diese Geschäfte kontrollieren zu lassen.“ Auch Marie-Paule Prost, die Vorsitzende der Krebsstiftung, beobachtet noch immer wie zu Zeiten vor dem Anti-Tabak-Gesetz beschilderte Läden und würde sich vom Gesundheitsminister mehr Einsatz wünschen. Mars Di Bartolomeo dagegen meint im Land-Gespräch, Heintz van Landewyck werde zu gegebener Zeit die Beschilderungen demontieren. Zu gegebener Zeit wäre gegebenenfalls der 5. September, meint François Elvinger. Dieser Stichtag gelte auch für die große Maryland-Leuchtreklame am hauptstädtischen Bahnhofsplatz, sagt der Minister: „Die muss dann weg!“ Im übrigen funktioniere die Zusammenarbeit zwischen Gesundheitsministerium und Polizei „sehr gut“. Vom Land auf ihren Anti-Tabak-Kontrollansatz befragt, hatte die Pressestelle der Polizeidirektion jedoch die Suche nach einer Antwort nach zwei Tagen noch immer nicht abgeschlossen.
So dass vielleicht doch der eine oder andere Laden auch nach dem 5. September noch eine HvL-Beschriftung tragen könnte. Zumal Marketingchef Elvinger gar nicht ausschließen will, dass für derartige Schilder die 1989-Klausel gelten könnte. Zwar scheint die Lektüre des Anti-Tabak-Gesetzes eine solche Ausnahme nicht herzugeben – aber wer weiß, vielleicht bleiben Insignien der einheimischen Tabakwarenproduktion dem Großherzogtum ja als kulturelles Erbe erhalten.
Dem Schöffenrat der Hauptstadt, und vor allem dem grünen Koali-tionspartner, bleibt die Hoffnung, dass nach dem endgültigen Start des Vel’oh-Verleihs heute in einer Woche niemand mehr von dem Tabak-Missgeschick mit den Mupi-Tafeln spricht.