Gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht. Wie zutreffend dieses Sprichwort ist, zeigte sich zu Beginn dieser Woche, als Erziehungsminister Claude Meisch (DP) gemeinsam mit dem Direktor des Office national de l’enfance (ONE) die neue Kampagne für Pflegefamilien vorstellte. Ihr Anliegen ist lobenswert und lange überfällig: Weil Luxemburg im Vergleich zu anderen EU-Ländern Kinder in Not immer noch vornehmlich in Heime platziert, soll die Pflegefamilie beworben, ihr rechtliches Statut verbessert und so hoffentlich eines Tages mehr Kinder in Pflegefamilien untergebracht werden.
Doch bei der Vorstellung fiel sofort auf: Die Betroffenen waren abwesend. Jugendamtsleiter Jeff Weitzel begründete dies mit dem Schutz der Privatsphäre. Die Pflegeelternvereinigung Flek allerdings bedauert seit Jahren, dass sie nicht stärker in Initiativen, die sie betreffen, eingebunden werde. Die Werbekampagne ist nicht mit ihr abgesprochen. Länder, wie Belgien oder Deutschland, machen vor, wie so eine Gemeinschaftsaktion aussehen kann. „Sie haben keine eigenen Kinder, aber Sie haben genügend Platz, um sich um ein Kind zu kümmern?“, heißt es fragend in der neuen Infobroschüre. Pflegekinder brauchen besondere Zuwendung, nicht wenige stammen aus zerrütteten oder benachteiligten Familien. Ersatz für ein eigenes Kind, wie die Broschüre missverständlich andeutet, sind sie sicher nicht. Auf die Frage von Journalisten, wer sich als Pflegemutter oder Vater bewerben kann, fehlte eine klare Aussage: alle, die sich für die Interessen dieser Kinder einsetzen, sich pädagogisch eignen und die bestimmte Kriterien, unter anderem bei der Unterbringung, erfüllen. Dass homosexuelle Paare genauso gut Kindern in Not ein Zuhause geben können wie Alleinerziehende, kam dem ONE-Direktor in aller Eindeutigkeit nicht über die Lippen. Er wies vielmehr daraufhin, in sechs Jahren nie eine solche Anfrage bekommen zu haben. Das wundert nicht: 2008 hatte ein Jugendrichter einem lesbischen (Therapeutinnen)-Paar eine Pflegschaft verweigert. Die zwei Frauen zogen jenseits der Grenze – wo ihnen das örtliche Jugendamt mit Freude ein Kind in Obhut gab.
Dieselbe Unbeholfenheit zeigte sich, als der ONE-Direktor meinte, auch aus Pflegekindern „könne etwas werden“. Manche würden sogar studieren. Das war sicher nicht böse gemeint, es gibt hierzulande Journalisten, Ärzte, Anwälte, die in Pflegefamilien aufwuchsen. Doch in der ungelenken Sprache zeigt sich die soziale Technokraten-Distanz, die Pflegeeltern beim Gang zu den Behörden oft beklagen. Claude Meisch wies treffenderweise darauf hin, dass Pflegekinder die gleichen Lebensphasen durchlaufen und ähnliche Problemen haben „wie andere Kinder auch“; nur dass sie wegen ihrer Geschichte vielleicht mehr Zuwendung, Verständnis und Ermutigung brauchen.
Diesen Halt zu geben, ist die eigentliche Herausforderung einer Pflegeelternschaft, die rechtlich noch dazu auf wackeligen Füßen steht: Wie soll der Spagat gelingen, Kinder in Not aufzunehmen, ihnen stabiles Zuhause und Bezugsperson zu sein, wenn leibliche Eltern die Pflegschaft fast jederzeit in Frage stellen können – und die Verbindung zu den biologischen Eltern Bestandteil des Pflegeauftrags ist? Ermunternde Erfahrungsberichte, die nicht nur Probleme betonen, sondern auch die Bereicherung zeigen, die Pflegekinder bringen können, hätten hier geholfen.
Meisch hat versprochen, die rechtliche Situation von Pflegefamilien rasch zu klären und zwischen Kurzzeitpflege und Langzeitpflege, bei weitem die Regel in Luxemburg, zu unterscheiden. Noch liegt kein Entwurf für ein neues Pflegeelterngesetz auf dem Tisch, das soll im Herbst geschehen. Für eine erfolgreiche Kampagne sind konkrete spürbare Verbesserungen jedoch ein Muss.