Kino

Motoröl, Schweiß und Klassenkampf

d'Lëtzebuerger Land du 29.11.2019

Le Mans: Das ist der 24-Stunden-Rennwettbewerb am gleichnamigen Ort im Nordwesten Frankreichs. Der italienische Motorhersteller Enzo Ferrari beschwört eine rivalisierende Situation herauf: Er beleidigt nach einem geplatzten Deal den Motorhersteller Ford und degradiert ihn als zweitklassig. Dieser will nunmehr alles daran setzen, den italienischen Konkurrenten beim nächsten Rennen zu schlagen. Dafür braucht es freilich einen neuen Wagen, der Ingenieur und Ex-Rennfahrer Carroll Shelby (Matt Damon) soll ihn herstellen und dessen Freund, der Mechaniker und Rennexperte Ken Miles (Christian Bale), soll ihn fahren. Doch der Weg zu Ruhm und Glanz erweist sich hürdenreicher als gedacht...

Bis der zweieinhalbstündige Film erst richtig in die Gänge und es zum allesentscheidenden Rennen kommt, braucht es vorerst einmal viel umfangreiche Exposition. Die sich zuspitzende Story ist sozusagen die Maschine des Films, sie bringt ihn auf Touren und setzt seine Figuren in Bewegung. Le Mans (1971) zeigte den Rennsport auf der französischen Strecke noch mit einem fast dokumentarischen Charakter unter der Regie von Lee H. Katzin und mit Steve McQueen in der Hauptrolle. Doch am Rennsport ist Regisseur James Mangold wenig interessiert. Viel eher fokussiert er die Gewichtung dieser rivalisierenden Gegensatzpaare Ford-Ferrari, die im Hintergrund ihren eigenen Kampf ausfechten, bei dem es ebenfalls um Gewinnen um jeden Preis geht. Das mag fürs erste genretypisch daherkommen, erinnert sei da nur an den von Ron Howard inszenierten Rush (2013), der das Konkurrenzverhältnis zwischen James Hunt und Nikki Lauda während der Grand Prix-Saison von 1976 dramatisch schilderte. Le Mans 66 (bzw. Ford v Ferrari unter diesem treffenden Titel wird der Film ebenfalls vertrieben) zeigt aber viel stärker, wie sich der Antagonismus verlagert, weg von der Straße hoch in die Ebenen der Konzernpolitik. Es gib keine Schonung in diesem Kampf der Klassen: Unten werden Autos von Männern gebaut, deren Arbeit sich in die Körper eingeschrieben hat. Sie sind geprägt vom Öl und Schweiß auf ihren Körpern, der Arbeitsteilung und der Fließbandproduktion des Fordismus. Anzugträger betreten die Werkstatt dann bezeichnenderweise von oben, der „Monarch“ mit dem vielsagenden Namen Henri Ford der II. überschaut seine Arbeiterschaft. Wer nicht mit Ideen aufwarten kann, der muss die Werkstatt verlassen. Dabei ist diese Haltung Fords freilich auch als Ausdruck eines gekränkten Männerstolzes zu verstehen. Er selbst nämlich befindet sich im Zwist mit Ferrari, einer Marke, die für erstklassige Schönheit und Eleganz steht.

Christian Bale und Matt Damon wirken im Zusammenspiel unmittelbar miteinander verbunden. Sie erleben gemeinsam ihre Erfolge oder prügeln sich im Angesicht der Niederlage. Le Mans 66 präsentiert sich als Männerfilm, der sowohl die Seiten des harten Kerls zeigt, als auch die der sich kindlich-raufenden Jungs. Es sind Männer, die sich nur bewähren können, wenn sie auf die Rennstrecke gehen und erst da zu sich selbst finden können. Einer der Konflikte in der Story legt nahe, dass dieser Held Ken Miles gerade das, woraus er aussteigen will, um für jeden Preis in einer bürgerlichen Umgebung zu leben, bewahren muss, um seine eigene Identität zu sichern. Da heißt es dann, dass ein Mann sich erst dann die Frage nach der Identität stellen kann, wenn er im Wagen sitzt und bei 7 000 Umdrehungen angelangt ist. Diese Idee wird dann im wahrsten Sinne plakativ ausgestellt. Le Mans 66 ist gleichsam die nostalgische Verklärung eines Männerbildes, das nicht mehr zeitgemäß erscheint. Diese Herren Shelby und Miles sind nur noch Werkzeuge für ein größeres Getriebe. Entsprechend sind die Fähigkeiten der Männer nicht mehr wahrhaftig gefragt, weil der Sport per se seinen idealistischen Wert verloren hat, er dient nur noch als Katalysator für kapitalistische Einflussnahme und Marktgewinn.

Marc Trappendreher
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