Vor zwei Jahren konnte der damals noch ziemlich frisch gewählte Premier Xavier Bettel (DP) in seiner Erklärung zur Lage der Nation freudig ankündigen, dass ein Hauptanliegen der Koalitionspartner die administrative Vereinfachung darstelle. Deshalb sei eine Plateforme interministérielle gegründet worden, als deren erstes Ergebnis „das sogenannte ‚Omnibusgesetz‘, aus dem wir ein ‚TGV-Gesetz‘ gemacht haben, noch vor den Pfingstferien eingebracht wird“. Dann traf der Gesetzentwurf erst einen Monat nach Pfingsten in der Kammer ein, aber was soll’s? Der Minister der Verwaltungsreform, Dan Kersch (LSAP), hatte der Presse genüsslich mitgeteilt, dass Jean-Claude Juncker dem Unternehmerdachverband UEL zwar im Mai 2013 ein Omnibus-Gesetz versprochen hatte, aber dass nirgends auch nur Vorarbeiten eines entsprechenden Entwurfs zu finden gewesen waren.
Doch zwei Jahre später stehen die Bürger, Unternehmer, Gemeindepolitiker und der bereits vor anderthalb Jahren designierte Berichterstatter Yves Cruchten (LSAP) noch immer auf dem Bahnsteig und warten darauf, dass der TGV einläuft. In dieser Zeit hatte der Staatsrat ein Dutzend formelle Einsprüche erhoben, die Fristverlängerung der kommunalen Bebauungspläne musste vorzeitig Gesetz werden und zum Beginn dieses Jahres schob die Regierung schon ihr zweites Paket Änderungsanträge nach, diesmal zum Wohnungsbaupakt. Seit drei Monaten hat der von Yves Cruchten geleitete parlamentarische Ausschuss des öffentlichen Dienstes und der Verwaltungsreform nicht mehr getagt und sich folglich auch nicht mehr mit dem überdringlichen Omnisbus-Gesetz beschäftigt. Trotzdem kündigte Xavier Bettel vor drei Wochen in seiner Erklärung zur Lage der Nation an, dass „das sogenannte Omnibus-Gesetz“ – er scheint den Namen „TGV-Gesetz“ sicherheitshalber wieder aufgegeben zu haben – „in den nächsten Monaten in Kraft treten“ werde.
Damit den seit zwei Jahren Wartenden die Zeit nicht allzu lang wird, hatte die Regierung ihnen schon in Aussicht gestellt, dass nach dem ersten Omnibus-Gesetz ein zweites folgen würde. Denn, anders als der Name vermuten lässt, richtet sich die im Omnibus-Gesetz vorgesehene administrative Vereinfachung nicht an alle, sondern zielt auf die Flexibilisierung verschiedener Prozeduren der Raumplanung, Bau- und Betriebsgenehmigungen. So dass Handels- und Handwerkerkammer schon vor anderthalb Jahren in ihrem Gutachten bedauerten, dass das Gros der Kommodo-Prozeduren sowie die Bestimmungen des Natur- und Umweltschutzes noch weitgehend unberührt blieben. Offenbar kann auch eine ökosozialliberale Koalition während Jahren erstrittene rigorose und partizipative Umweltschutzprozeduren nur schwer mit deren Verkürzung und Beschleunigung vereinbaren.
Der Regierungsmehrheit fallen schnell Verantwortliche dafür ein, dass eines ihrer wichtigsten Reformprojekte nach der Hälfte der Legislaturperiode noch immer nicht in Kraft ist. Aber möglicherweise gibt es eine ganz einfache Erklärung dafür, dass sich der versprochene TGV mit der Geschwindigkeit eines Omnibusses fortbewegt. Die Regierung wollte die Unternehmerbände und das Wahlvolk mit einem gesetzgeberischen Rundumschlag beeindrucken als Zeichen eines resoluten Voluntarismus, der sie von der müden CSV unterscheiden soll. Aber dafür wurde ihr Gesetzentwurf genau das, was er bekämpfen soll: Statt gezielter und knapper Einzelgesetze kam ein unübersichtlicher Paragrafendschungel von mehr als 70 Artikeln heraus, die ein Dutzend bestehende Gesetze ändern sollen, ein bürokratisches Sammelsurium, das gleichzeitig Bebauungspläne und Betriebsgenehmigungen, die Einstellung von Standesbeamten und Kellnerinnen neu regeln soll.