Muno, Claudine: Dat klengt Buch vun der Doudangscht

Wullewupp

d'Lëtzebuerger Land du 04.02.2010

Ob Kartoffelsupp’ oder „Ierzebulli“ ist sicher nicht das Entscheidende. Hauptsache: So eine Art Heimatgefühl, im Guten wie im Bösen. Die Suppe ist ja mehr als nur sättigender Einheitsbrei. Wie bereits der verehrenswerte Helge Schneider hat nun auch Claudine Muno das – man möch­te fast sagen: universal – Verbinden­de an der Suppe erkannt und würdigt die „Visitenkarte der Hausfrau1“ in ihrer Eigenschaft als einerseits unaufwändige und andererseits vollkommen einsichtige Metapher für die conditio humana. Wer sich so eine Suppe einbrockt, muss sie auch auslöffeln, ganz gleich, wie viele Fliegen er darin findet oder wer ihm von der anderen Seite des Tellerrandes her in hohem Bogen hineinspuckt. Und ob Suppenkaspar oder nicht – am Ende muss jeder seinen Löffel abgeben, da gibt es nichts zu hampeln.

Claudine Munos jüngstes Werk, Dat klengt Buch vun der Doudangscht, ist in der Tat ein sehr kleines Buch, das sich aber gleich im Titel dem existentiellsten aller menschlichen Belange verschreibt. In zehn Geschich­ten geht es, zum Teil auf Luxemburgisch, zum Teil auf Französisch, um ... ja, Existentielles, Geburt und Tod und Lebensentwürfe, um Sorge und Fürsorge, und ein bisschen natürlich auch um die Liebe.

Mit grüner Suppe fängt alles an. Die „jonk Krullesch“ löffelt gerade ihre Erbsensuppe, als die Wehen einsetzen. Eine Katastrophe! Denn die Luft riecht nach Kohl und ist „gring wéi Ierzenzopp“, was natürlich bedeutet, dass das Kind verboten hässlich werden wird und man die Geburt unbedingt verzögern muss, bis der Mond in der Mitte steht. Dann bekäme das Baby nämlich dunkelblaue Augen und genau ein Ohr zu beiden Seiten des Kopfes. Aber „aua aua aua aua“ schreit die „jonk Krul­lesch“, bis der Briefträger kommt und zusieht, dass sie ins Krankenhaus gebracht wird. Dass das Kind dort mit einem dunkelblauen Schädel geboren wird und ihm die Augen zu den Ohren herausschauen, ist nicht verwunderlich. Die Luft roch schließlich nach Kohl und war grün wie Erbsensuppe. Das kann ja nichts werden.

Man ahnt es: Claudine Muno ist ihrer Schreibweise treu geblieben und huldigt dementsprechend auch in ihrem neuen Buch der Sancta Absurditas. So fährt der liebe Gott mit einem Müllwagen vor dem Haus einer Katechetin vor, um höchstselbst den Dreck zu beseitigen, aus einer im Gemüsebeet untergebuddelten Brille wächst ein Brillenbaum mit leckeren Früchten und der „Kacku­ettejohny“ spielt ungeniert Fußball mit dem Akkordeon oder Badminton mit der Tuba. Doch harmlos sollen diese seltsamen Begebenheiten nicht wirken. Gott wird am Ende der Katechetin das Licht auspusten, die ehemalige Brillenbesitzerin Nana wird zusammen mit ihrem Mann, Marcel van der Soup, aufgrund ihrer bodenlosen Hässlichkeit von der Regierung hingerichtet und der „Kackuettejohny“ provoziert mit seiner Spielwut den Metzger bis zu einem Punkt, wo der ihm an die Kinderchen will. Nebenher flicht die Autorin, wie man es von ihr gewohnt ist, gesellschaftskritische Aspekte ein, bemüht zum Beispiel wieder das „Injustizministerium“, nimmt Mobbing, Intoleranz und Spießbürgertum aufs Korn.

Fans von Claudine Muno werden mit Sicherheit auch Dat klengt Buch vun der Doudangscht mit Freude lesen, zumal es mit einer ansprechenden „hand­gemachten“ Optik aufwartet und mit zahlreichen Illustrationen aus der Feder der Autorin versehen ist, die nicht umsonst als begnadete Zeichnerin gilt. Mit diesem neuen Buch festigt Claudine Muno ihre Errungenschaft einer eigenen Sprache, eines wirklich individuellen Stils und eines damit verbundenen hohen Erkennungswerts ihrer Geschichten. Allerdings, und das ist der Haken an der Sache, verhindert in diesem Fall gerade die stilistische Eigenheit der Autorin, die prononcierte Unbedarft­heit, mit der sie Makabres und Geschmackloses in Szene setzt (abgeschnittene Zehen in der Tiefkühltruhe und ähnlich liebevoll ausbuchstabierte Details), einen emotionalen Zugang zu den Figuren und ihren Schicksalen. In diesem kleinen Buch wird zwar ausgiebig gestorben, aber die Angst vor dem Tod spielt in Wahrheit keine Rolle. Die Aussicht der Figuren auf das eigene Ableben wird nicht affektiv aufgeladen oder überhaupt nachvollzogen. Der Tod ist keine Katastrophe, sondern etwas, was einfach auch noch passiert.

Skurrilität kann beides: tiefgründig oder auch lustig sein. Manchmal sogar beides. Dass sie die Möglichkei­ten der Skurrilität beherrscht, beweist Claudine Muno, wenn sie über den Herrgott mit dem Müllauto schreibt: „Seng laang Hoer a säi laange Baart zitt en duerch e Pull Motorsuelech, bis se mausgro a pechschwaarz sinn, wéi déi vum Ayatollah Khoméini.“ Dass dieser Gott am Ende zum eiskalten Gunman wird, ist eine wunderbar freche und doppelbödige Pointe. Doch solche witzigen Pointen sind in diesem Buch die Ausnahme. Die Autorin zieht es offenbar vor, an der Oberfläche ihrer Geschichten zu bleiben und verweigert in den meisten Fällen die Verdrehungen, die aus Seltsamem Komisches machen könnten. Man kann meinen, das sei als poetologische Entscheidung zu respektieren. Man kann aber auch meinen, da fehle das Salz in der Suppe.

1 Vgl. Ketty Thull: Luxemburger Koch-, Back- und Dessertbuch. Luxemburg 1993, S. 44.
Elise Schmit
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