d'Lëtzebuerger Land: Fand am Sonntag ein Wechsel oder bloß die weitere Erosion der Koalition statt?
Fernand Fehlen: 15 Jahren dieselbe Regierung verursachten wohl mehr einen gewissen Überdruß, als daß die Leute positiv für etwas Anderes gestimmt hätten. Ich fand beispielsweise den Aufruf von Gilbert Trausch zu einem Wechsel bemerkenswert.
Die DP gewann, weil sonst niemand da war?
Die DP verzichtete darauf, im Wahlkampf etwas Neues vorzuschlagen, und wenn sie es dennoch tat - etwa im Pensionswesen - warnte sie gleich davor, daß es mit einem Koalitionspartner doch nicht durchzusetzen sei. Auch ihre Delphin-Kampagne zielte, wie diejenige der anderen Parteien, auf reine Sympathiewerbung statt auf die Vermittlung politischer Inhalte.
Weshalb verlor besonders die LSAP?
Die LSAP machte als Juniorpartner der CSV eine eher farblose Politik. Auf dem Gebiet der Sozialpolitik war sie der Konkurrenz durch Premier Juncker ausgesetzt. Strukturell verschwindet ihr traditionelles Wählerreservoir im Süden, das sie mit dem klammheimlich übernommenen Klammeraffen @" im Namenskürzel zu verleugnen begann.
Die klassische Arbeiterschaft ist kaum noch wahlberechtigt.
Genau. Man darf nicht vergessen, daß nur ein Viertel der Arbeiter überhaupt wahlberechtigt ist. Die anderen sind nicht Luxemburger. Kein Wunder, daß es eine Arbeiterpartei" da schwer hat. Im Süden wählen viele Luxemburger noch aus Familientradition LSAP, obwohl ihre Lebensbedingungen sich nicht von denjenigen der Bewohner anderer Landesteile unterscheiden. Aber diese soziale Homogeneisierung und das Verschwinden von Hochburgen ist auch bei den anderen Parteien zu beobachten. Gleichzeitig schien die Umwerbung von Schülern, Studenten und jungen Angestellten durch die LSAP, etwa mit Cola- und Levis-Wahlspots, erfolglos zu bleiben. Robert Goebbels als frischer, energischer Machertyp überzeugte nach 15 Jahren Regierungsbeteiligung die Wähler nicht mehr.
Die LSAP gab sich innovativ" und wollte Zukunftsthemen ansprechen.
Vielleicht will niemand etwas von Zukunftsthemen hören. Bei den Wahlen steht hierzulande doch kaum mehr auf dem Spiel als die Wahrung und Verteilung eines ungeheuren Reichtums. Umfragen bescheinigen der LSAP Kompetenz in Transportfragen, aber der BTB konnte nicht als zukunftsweisende Investition in die Infrastrukturen vermittelt werden.
Was ändert sich denn nun?
Vielleicht findet eine gewisse Normalisierung statt. Als CSV und LSAP das Land und CSV und DP die Hauptstadt regierten, waren die drei großen Parteien in einem gewissen Sinn staatstragend. Nun wird es mit der LSAP wieder eine richtige Oppositionspartei geben.
Der Einfluß der CSV fällt. Kann sie trotzdem wieder beginnen, alle fünf Jahre ihren Koalitionspartner auszutauschen?
Wir sind derzeit noch immer in dieser Tradition. Ob sich daran etwas ändert, hängt davon ab, ob es der LSAP gelingt, sich in der Opposition zu regenerieren. In diesem Sinne wird die nächste Legislaturperiode wichtig sein.
Fernand Fehlen befaßt sich als Projektleiter des Centre de recherche public Centre universitaire cellule Statistique et décision" mit Wahlanalysen.