Haut Comité pour le soutien, le dévelopement et la promotion de l‘Industrie au Luxembourg

Komitologie

d'Lëtzebuerger Land vom 01.03.2013

Zwei Wochen ist es her, dass das Kabinett die Schaffung des Haut Comité pour le soutien, le développement et la promotion de l’Industrie au Luxembourg guthieß. So barbarisch der Name, so vielfältig die Aufgaben des neuen Komitees1, und angesichts der langen Auftragsliste, drängt sich die Frage auf, wie sich seine Arbeiten in die aller bereits bestehenden Gremien einfügen sollen.

Beispiel Promotion und Außenhandelsförderung, die auf der Aufgabenliste des neuen Komitees stehen. Dafür wurden in vergangenen Jahren einige Instrumente geschaffen. Die Trade and Investment Offices (TIOs) sind ein internationales Netzwerk und Anlaufstelle für ausländische Investoren. Das Comité pour la promotion des exportations luxembourgeoises und das Office du Ducroire unterstützen Luxemburger Firmen, die Exportmärkte erobern wollen. Luxembourg for Business, die Promotionsagentur der Luxemburger Wirtschaft und Interessenverband zwischen Regierung, Arbeitgeber- und Branchenverbänden, rührt die Werbetrommel für den Standort Luxemburg. Fragt man Nicolas Soisson, Direktor der Fedil, deren Forderung das Komitee war, nach der Hierarchie der Gremien, erklärt er, das Komitee solle künftig dafür zuständig sein, die Ideen zu geben, LFB und TIOs für deren praktische Umsetzung.

Von der Vielzahl privater, öffentlich-privater oder halbstaatlicher Initiativen abgesehen, den Observatorien für Wettbewerbsfähigkeit oder Preisentstehung, Ausbildung, Komitees für Beschäftigung, Abwesenheit am Arbeitsplatz, den 5vir12, Solep, Nexpros, 2030.lu und anderen, die sich Gedanken über Wettbewerbsfähigkeit und die wirtschaftliche Entwicklung Luxemburgs, Zukunftschancen und die Arbeitsmethoden zur Ausarbeitung dieser Chancen machen, ist die brisantere Frage wahrscheinlich die, wie sich das neue Komitee zum Wirtschafts- und Sozialrat (CES) verhält. Ersteres hat keine legale Basis, wird vom Wirtschafts- und vom Finanzminister zusammen präsidiert, und die Mitglieder sollen aus der Industrie kommen, von Arbeitgeberseite. Letzteres hat einen legalen Rahmen, ist ein Gremium von Sozialpartnern und Regierung, in dem die Gewerkschaften gleichberechtigte Partner sind. Und das derzeit an einer Sektoranalyse der Luxemburger Wirtschaft arbeitet, die sich prioritär mit der Industrie und der Finanzbranche beschäftigt. In der Arbeitsgruppe Industrie wird derzeit eine Matrix erstellt, nach der die Analyse erfolgen soll. Auf dem Programm stehen beispielsweise Energiefragen, Qualifikationen, Innovation und Forschung, alles in allem ungefähr die gleichen Stichworte, wie auf der Auftragsliste des Hohen Komitees. „Der Wirtschafts- und Sozialrat hat sich darauf geeinigt, in einer langfristigen Optik zu arbeiten, nachdem die Zusammenarbeit in der kurzfristigen Optik nicht möglich war“, sagt Soisson. Das soll seiner Ansicht nach nun das Haut Comité machen. In das die Gewerkschaften, wie Wirtschaftsminister Etienne Schneider Radio 100,7 nach dem Regierungsrat sagte, nur punktuell eingeladen werden, um nicht gleich wieder in die gleiche Situation zu kommen wie im CES, wo die Fronten zwischen den Sozialpartnern verhärtet seien und man nicht voran komme, weil sich niemand bewegen wolle. Wundert es da, dass die Gewerkschaften sauer sind und das Gefühl haben, solche Gremien dienten vor allem einem Zweck: sie, die Arbeitnehmervertreter auszubooten? „Die Frage ist, ob man in Luxemburg Richtung politischer Lobbyismus geht, und die müssen sich all jene stellen, die immer sagen, es muss mehr Sozialdialog geben“, sagt André Roeltgen, OGBL, bis vor zwei Wochen Präsident des CES.

„Wir werden hier nicht einseitig mit der Regierung den Index abschaffen“, wiegelt Soisson ab. „Das hier ist ein Gremium zwischen Regierung und Industrie, das Anregungen geben soll, die gegebenenfalls mit den Sozialpartnern verhandelt werden. Strukturen dafür gibt es genug.“ Doch mit Anregungen sparen die Arbeitgeberverbände auch jetzt nicht, weshalb davon auszugehen ist, dass sie durchaus erwarten, sich im Komitee neues Gehör für altbekannte Positionen zu verschaffen. Zumal Etienne Schneider dem 100,7 sagte, das Gremium soll nicht nur think tank sein, sondern Schlussfolgerungen ziehen, die in Regulierungs- und Gesetzesinitiativen einfließen.

Was die grundsätzliche Frage nach der Einflussnahme aufwirft. Um Lobbyisten unter Kontrolle und auf Distanz zu halten, wurde in Brüssel 2011 ein Register eingeführt, in dem sich Interessenvertreter identifizieren und beispielsweise auch für den Zugang zum Europaparlament akkreditieren. Lobbyisten-Beiträge zu öffentlichen Konsultationen der EU-Kommission können im Netz nachgelesen werden. Die Luxemburger Hohen Komitees, ob für die Industrie oder die Finanzbranche, das Finanzminister Luc Frieden 2009 ins Leben rief, vereinfachen hingegen den Zugang von Lobbyisten zur Regierung und institutionalisieren ihn quasi.

„Das Hohe Komitee ist kein Entscheidungs-, sondern ein Beratungsorgan“, betont Sarah Khabirpour, Kabinettschefin im Finanzministerium und Mitglied im Haut Comité pour la place financière (HCPF). Doch die Linien sind schwammig und nicht immer ist klar zu sagen, wer wem die Richtung vorgibt. Die Privatbranche der Regierung oder umgekehrt. Ein Mitglied im HCPF beschreibt einen der Vorteile wie folgt: Ohne Komitee versuchten alle Akteure einzeln im Ministerbüro vorstellig zu werden und ihre Agenda zu pushen. Im Komitee stünden alle unter gegenseitiger Aufsicht, sollte da jemand versuchen, Einzelinteressen durchzusetzen, könne er leicht von den anderen neutralisiert werden.

In den Arbeitsgruppen des HCPF wurden Gesetzvorlagen für das Statut der Professionals du secteur financier, die Family Offices, die Umsetzung der Richtlinie für Manager von Alternativen Investmentfonds AIFMD ausgearbeitet, es folgen die Fondation patrimoniale und die Trusts. Auch den Aktionsplan für den Finanzplatz hat der Minister mit dem Komitee ausgearbeitet. Eine Handlungsweise, zum Teil aus der Not geboren. Im Finanzministerium, darüber sind sich alle Beteiligten einig, fehlt es an Ressourcen, um die Flut der Aufgaben, ausgelöst durch die Finanz- und Wirtschaftskrise, die darauffolgenden Haushaltsprobleme in Europa, die folgende Steuerpolemik und die Finanzregulierungswelle in Eigenregie zu meistern. Das Hohe Komitee, so die Logik, gibt Zugang zu Ressourcen. Denn dass mit der Privatbranche zusammengearbeitet wird, wenn Gesetzvorlagen ausgearbeitet werden, ist nicht neu. Auch an Gesetzen, die außerhalb des HCPF entstehen, ist der Privatsektor über projektspezifische Kommissionen eingebunden. Ob das HCPF dann aber wirklich nur Beratungsgremium ist?

Kritisch ist das vor allem, weil die Mitgliederliste, wenn auch nicht geheim gehalten, aber bisher auch nicht veröffentlicht wurde2, so dass nicht nachvollziehbar ist, wer woran gearbeitet hat. „Die wichtige Frage ist, was wir von diesen Vorlagen zurückbehalten“, unterstreicht Khabirpour. „Wir überprüfen diese Vorlagen natürlich ministeriumsintern, dann werden daraus die Gesetzentwürfe des Ministers.“

Doch wer wen überprüft, darüber gehen die Meinungen auseinander. Denn wie ein HCPF-Mitglied mit Verweis auf eine rezente Gesetzesvorlage im Bereich der Steuerpolitik meint, gegen die der Staatsrat formale Einwände einbrachte: „Das wäre nicht passiert, wenn die Vorlage im HCFP ausgearbeitet worden wäre.“ Weil Anwaltskanzleien und Beratungsfirmen über breites Expertenwissen verfügten, hält er das HCPF für ein unabdingbares Instrument, um alle Kräfte zu mobilisieren, um den Standort Luxemburg zu verteidigen. Baustellen gibt es genug: Transaktionssteuer, Bankenunion, Steuerharmonisierung.

Um zu messen, inwiefern dieser Luxemburger Pragmatismus förderlich oder schädlich ist, kann man wieder das Beispiel Steuergeheimnis heranziehen. Im Finanzmilieu wird mitunter gegrummelt, Luxemburg hinke mit der Schweiz mit der Entwicklung einer Weißgeldstrategie hinterher. Dabei hat die Regierung auf Betreiben der Branche immer nur die Zugeständnisse gemacht, die unumgänglich waren. So stellt sich durch die Schaffung der Hohen Komitees wiederum grundsätzlich die Frage danach, wie ein gepflegter, korrekter Umgang zwischen Regierung und Privatwirtschaft auszusehen hat und wer wem die Marschroute vorgeben soll. Dabei sollten die Arbeitgeberverbände in ihrer Freude über den direkten Zugang zum Minister einen Aspekt nicht vergessen: den der Verantwortungsverschiebung. Wenn sie künftig die Passivität der Regierung beanstanden, weil sich trotz Hohen Komitees viele der Probleme auf ihrer Prioritätenliste nicht von heute auf morgen lösen lassen, wird ihnen der zuständige Minister antworten können: „Ihr wart doch dabei, wir haben das doch gemeinsam besprochen“. Und dadurch die Verantwortung für die Misere, die sie beklagen, an sie weiterreichen.

1 Zu den Aufgabenfeldern des Gremiums gehören laut Kabinettsmitteilung: d’identifier, d’évaluer et de soutenir les secteur porteurs et niches potentielles futures de l’industrie luxembourgeoise ; de promouvoir l’emploi et les compétences industrielles (marché du travail); de soutenir la compétitivité des entreprises industrielles (environnement réglementaire, énergie et changement climatique, infrastructures); d’évaluer et de compléter le dispositif des aides en faveur de l’industrie (R&D, financement, capital-risque, infrastructures); de coordonner les actions et mesures décidées entre ministères et de se concerter afin de défendre la position luxembourgeoise envers les initiatives législatives européennes ayant un impact sur l’industrie ; de promouvoir le Luxembourg comme site d’implantation pour les entreprises manufacturières (prospection économique); d’encourager l’internationalisation des entreprises industrielles (commerce extérieur) ; de suivre et de coordonner l’implantation de projets d’investissements majeurs ou stratégiques ; de soutenir l’innovation et les activités de R&D.
Michèle Sinner
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