Am 5. Mai ist es endlich soweit: der Geburtstag „des bedeutendsten Denkers des 19. Jahrhunderts“ jährt sich zum 200. Mal. Die große Karl-Marx-Ausstellung wird dann feierlich eröffnet. Mit dabei zahlreiche Kommunisten: Jean-Claude Juncker himself, die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer, der Oberbürgermeister der Stadt Trier, Wolfram Leibe (SPD) und Dr. Stephan Ackermann, Bischof im Bistum Trier, sowie Kurt Beck, Vorstandsvorsitzender der Friedrich-Ebert-Stiftung. Denn ob in Trier oder Luxemburg (siehe etwa die Karl-Marx-Lesung im Kasemattentheater am
5. Mai) stehen die sozialdemokratischen Liebhaber in der ersten Reihe, wenn es darum geht, den Autor der Kritik des Gothaer Programms zu feiern.
Trier hat nicht viele „große Söhne“, das Andenken seines geliebt-gehassten einstigen Bürgers soll also für das Stadtmarketing so gut es geht genutzt werden. In der Fußgängerzone locken nicht nur Souvenirshops mit Marx-Büsten und Devotionalien aller Art. Auch Ampelmännchen – wie es sie bald in jeder deutschen Stadt von irgendwem gibt – mit dem Konterfei von Genosse Karl blinken vor sich hin. Hinter dem Museum Simeonstift an der Porta Nigra steht jetzt die noch verhüllte, sechs Meter hohe Statue aus China. Da jährlich 150 000 chinesische Touristen den Weg nach Trier fänden und es in Zukunft noch viel mehr werden könnten, war selbst der Trierer Baudezernent Andreas Ludwig (CDU) bei der Abstimmung für die Schenkung zu haben. Trier wolle im Jubiläumsjahr 2018 mit der ganzen Welt in eine Diskussion treten – auch mit den chinesischen Besuchern, hieß es. Unter dem Titel Wir sind Marx sind seit dem 10. April zudem rund 30-Personen-Porträts von Menschen mit dem Familiennamen „Marx“ aus Trier und Umgebung in der Trierer Fußgängerzone zu sehen. Der solide Name eines Weltbürgers!
Partizipatives Entertainment ist den Ausstellungsmachern wichtig. So zog bereits letzten Sommer und Herbst ein „Marx-Container“ durch die Städte Saarbrücken, Metz und Luxemburg (Rotunden). In dem Container, konnten Passanten ihre Gedanken zu Marx loswerden und in ein Mikrofon sprechen. – Ein Ort der heimlichen Beichte für die letzten Marxisten oder ein Container zur Entsorgung kommunistisches Gedankenguts?
„Nie zuvor gab es eine so umfassende Auseinandersetzung mit dem Leben, Werk und Wirken des bedeutenden Denkers und Philosophen“, liest man ganz unbescheiden in der Vorankündigung zur großen Ausstellungsschau im Rheinischen Landes- und im Stadtmuseum. Sie verspricht, Einblicke in Marx’ wichtigste Schriften zu gewähren, will zeigen, was an den Ideen des herausragenden Analytikers seiner Zeit bis heute aktuell ist, und natürlich den „Menschen Marx und seine Familie“ präsentieren. „Wer war Karl Marx? Ein Revolutionär, Gelehrter, Romantiker, Philosoph oder Journalist?“, fragen die Ausstellungsmacher. Auf jeden Fall offenbar: ein großer Deutscher! „Im Jahr 2003 landete Karl Marx bei der TV-Ranking-Show „Die größten Deutschen“ auf dem dritten Platz, vor ihm nur Adenauer und Luther!“ liest man in der Pressemappe.
In der Ausstellung wird jedoch darauf hingewiesen, dass er – im Visier der preußischen Polizei – Ende 1845 seine preußische Staatsbürgerschaft aufgab und bis zu seinem Lebensende Staatenloser blieb ... „Über Paris ging er nach London, das zu seinem Aufenthaltsort bis zum Lebensende wurde. Dort entwickelte sich Marx nicht nur zum Universalgelehrten, sondern auch zum aufmerksamen Beobachter des Weltgeschehens“, entnimmt man der Pressemappe, in der zugleich das Bild von Marx als armem Schlucker bemüht wird, der Zeit seines Lebens auf Beihilfen von Freunden angewiesen war und insbesondere Friedrich Engels am Rockzipfel hing.
Getreu dem Sendung-mit-der-Maus-Prinzip (Wieso? Weshalb? Warum?) soll in der Schau deutlich werden, welche Rolle Trier, Paris und London im Leben von Marx spielten und wer oder was den jungen Denker geprägt hat ... Persönliche Zeitdokumente von Marx und zeichnen „so ein lebendiges Bild des Menschen hinter der Ikone“. Damit reihe sich die große Schau ein in die Tradition der großen Einzel-Ausstellungen berühmter Herrscher, wie „Konstantin, der Große“ (2007) und „Nero – Kaiser, Künstler und Tyrann“ (2016).
Flüchtlingsgeschichten sind in der heutigen Zeit en vogue, deshalb ist eine wichtige Etappe der Ausstellung (s)einem Leben auf der Flucht gewidmet. Vielleicht ist dies ja der Weg, sich politisch zu geben, ohne über Kapitalismus, Warenfetisch und Klassenkampf sprechen zu müssen ... Da Karl Marx schon 1849 mit Ehefrau Jenny nach London fliehen musste, wird sein Lebensweg eingebettet in ein epochales Ereignis: die Flucht Tausender im 19. Jahrhundert. „Es war mit die unangenehmste Epoche in unserem Flüchtlingsleben“, wird Ehefrau Jenny Marx’ zitiert.
Ein bisschen wird sich Marx Lebensweg in der Trierer Ausstellung wohl wie der eines Überlebenskünstlers aus der Spätromantik lesen, erinnert sein Parcours an Joseph von Eichendorffs Aus dem Leben eines Taugenichts: „K.M. war es schon früh gewohnt, seine Zelte abzubrechen und an einem anderen Ort neu anzufangen. (...) Mit Beginn seines politischen Engagements begann jedoch Karl Marx’ Odyssee (...) Sein Weg führte ihn nach Brüssel, wo er Anfang 1848 gemeinsam mit Friedrich Engels das Manifest der Kommunistischen Partei schrieb ... Ein philosophisch universalgebildeter Bohemien („mit einem entspannten Verhältnis zu Alkohol“ (Radio 100,7) aus dem kleinen Trier, der weit herumgekommen ist. Viel Diskussionsstoff also auch für die chinesischen Gäste – Trier, let’s make it happen!