Eher Zufriedenheit als Überraschung verursachte Finanzminister Luc Frieden am Freitag, als er, wie während der Krise abgemacht, dem parlamentarischen Finanz- und Haushaltsausschuss eine Abrechung über den aktuellen Stand der laufenden Staatseinnahmen vorlegte. Am Fuß der 20 Posten langen Tabelle war nämlich zu lesen, dass die Steuereinnahmen am 31. Dezember nicht, wie im Staatshaushalt für 2010 vorgesehen, 8 683 Millionen Euro ausmachten, sondern 9 479 Millionen. Der Staat hatte rund 800 Millionen Steuern mehr eingenommen, als geplant. Rechnet man auch noch die anderen Einnahmen der Staatskasse hinzu, belaufen sich die laufenden Einnahmen sogar auf 9 825 Millionen, rund eine Milliarde Euro oder zehn Prozent mehr als im Budget geplant. Eine halbe Milliarde Euro mehr als geplant wurde an direkten Steuern eingetrieben, welche die Hälfte aller Einnahmen ausmachten. Der befürchtete weitere Rückgang der Körperschaftssteuereinnahmen gegenüber dem Krisenjahr 2009 hatte nicht stattgefunden. Die Besteuerung der Löhne und Gehälter, der Kapitaleinkünfte und Vermögen brachte ebenfallsmehr ein, wie auch Mehrwertsteuer und Taxe d’abonnement.
Der begonnene Wirtschaftsaufschwung, Banken, die in der Bankenkrise gar nicht so schlecht verdienten, und ein strenger eintreibendes Steueramt mögen die eine Seite der Erklärung sein. Die andere Seite war eine Fehleinschätzung der wirtschaftlichen Lage Ende 2009: Das Budget für 2010 war von einem weiteren Rückgang der Staatseinnahmen gegenüber den Krisenjahren 2008 und 2009 ausgegangen. Das kann man der Regierung in diesem Fall nicht einmal verübeln, auch wenn Anhänger von Komplotttheorien sie verdächtigen, vor jeder Tripartite-Runde ihr Defizit aufzublähen. Diesmal hatte sie es schließlich mit einer der schlimmsten Wirtschaftskrisen seit Jahrzehnten zu tun. Außerdem hatten internationale Organisationen vor einem Rückgang der Nachfrage am Ende der Konjunkturprogramme gewarnt, und die Schuldenkrise im Euro-Raum zeichnete sich erst ab.
Dass die Staatseinnahmen nicht unter, sondern über dem Niveau der Krisenjahre liegen würden – 5,3 Prozent mehr als 2009 – , zirkulierte schon im vergangenen Sommer als gute Nachricht. Deshalb brachte die Regierung die Tripartite-Verhandlungen in Einzelgesprächen doch noch zu einem Abschluss, indem sie auf einen Teil der angekündigten Steuererhöhungen verzichten konnte, wie auf die Halbierung der Kilometerpauschale, die Krisensteuer für nächstes Jahr, die Einschränkung des Bëllegen Alt und der Zinsvergütung. Gleichzeitig konnte sie den Betrieben höhere Zuschüsse gewähren.
Dass der Staat eine Milliarde mehr einnahm als geplant, machte selbstverständlich die Gewerkschaften hellhörig, zudem sie den Verdacht hegen, dass die im Dezember beschlossenen Zuschüsse an die Unternehmen den Staat deutlich teurer zu stehen kommen, als anfangs vermutet. Folglich fragte sich der OGB-L am Dienstag, ob nicht nur die Krisensteuer für 2012, sondern auch die in diesem Monat erstmals eingetriebene für dieses Jahr überflüssig ist, und er forderte kurzerhand, jedem Steuerpflichtigen einen Steuerkredit von 50 Euro zu gewähren. Die CGFP meinte einen Tag später, wenn es dem Staat so gut gehe, bestünde auch kein Grund, die Anfangsgehälter seiner Beamten zu senken.
Wie die Debatte in den nächsten Monaten weitergeht, lässt sich unschwer absehen. Denn für 2011 plant der Staatshaushalt Einnahmeerhöhungen um 1,2 Milliarden oder satte 13,7 Prozent. Eine zehnprozentige Fehlerquote wie 2010 noch nicht einmal eingerechnet..