Wer derzeit vom Fonds du Logement etwas will, sollte wohl besser nicht dort anrufen: Zu den offiziellen Bürozeiten, die auf halb neun bis halb zwölf Uhr morgens beschränkt sind, führte der telefonische Weg dieser Tage auch bei mehrmaligen Versuchen nur in eine Warteschleife. Dort verspricht eine sonore Männerstimme, man werde gleich mit dem nächstbesten freien „Agenten“ verbunden, doch selbst eine halbe Stunde später ist noch immer nichts geschehen.
Wird der größte öffentliche Wohnungsbauträger im Lande von derart vielen Telefonaten bombardiert, dass seine Mitarbeiter mit Antworten nicht nachkommen, oder ist er so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass niemand den Hörer abhebt?
Letzteres ist nicht nur deshalb gut möglich, weil seit zwei Wochen ein seit zwei Jahren angekündigtes neues Gesetz über den Wohnungsbaufonds in Kraft ist. Es hat das frühere Direktionskomitee in einen Verwaltungsrat umgewandelt, der für Strategiefragen zuständig ist, und unter ihm eine Direktion für das Tagesgeschäft neu eingeführt. Per Stellenannonce wird seit vergangener Woche der neue Direktor gesucht. An der Anzeige fällt auf, dass offenbar viel Wert auf Betriebs- und Mitarbeiterführung gelegt wird: Der künftige Fonds-Direktor soll ein „leader reconnu“ sein, der „intelligence relationnelle“ besitzt und „mobiliser et fédérer les équipes autour d’une dynamique collective“ würde. Er wüsste mit seinen Gesprächspartnern zu interagieren, um „relations constructives“ aufzubauen und bewiese einerseits „rigueur“, andererseits „diplomatie“ – der „différents enjeux de l’établissement“ wegen.
Welche „enjeux“ das genau sind, weiss vielleicht sogar der neue Verwaltungsratspräsident Claude Wagner noch nicht so richtig. In einem Interview mit dem Radio 100,7 räumte der hauptamtlich im Wohnungsbauministerium angestellte Ingenieur ein, den Fonds du Logement noch zu „entdecken“. Dass der Fonds seit Wochen „extrem im Fokus der Öffentlichkeit“ steht, weiß Wagner aber und wünscht ihm „Ruhe, damit er seine Aufgaben erfüllen kann“.
Doch ob es mit Ruhe allein getan sein wird, scheint nicht so sicher. Gut zwei Jahre nachdem die damalige DP-Wohnungsbauministerin Maggy Nagel im Frühjahr 2015 den über ein Vierteljahrhundert hinweg starken Mann des Fonds, Daniel Miltgen, als Präsident des Direktionskomitees entließ, ist die Unruhe nicht nur größer geworden, weil immer wieder Fonds-Interna an die Öffentlichkeit gerieten und geraten, die nicht gerade auf friedliche Verhältnisse im Betrieb schließen lassen. Wie vor einer Woche, als RTL einen Auszug aus einem Sitzungsprotokoll des Direktionskomitees von Mitte Mai veröffentlichte. Aus ihm geht hervor, dass die Komitee-Chefin und Miltgen-Nachfolgerin Tania Fernandes betriebsinterne Ermittlungen eingeleitet hatte, in deren Visier auch Mario Schweitzer, der Generalkoordinator des Fonds, stand. Klagen des Personals wegen „Mobbing“ und „missbräuchlichem Management“ hatten Fernandes zu dem Schritt veranlasst. Fünf Wochen später legte sie ihr Amt nieder. Offiziell aus „persönlichen und gesundheitlichen Gründen“, aber es halten sich Gerüchte, sie sei – bis 21. Juni immerhin Fonds-Chefin – selber „rausgemobbt worden“. Der neue Verwaltungsratspräsident bemühte sich vorige und diese Woche, alle Fragen um das Ermittlungsverfahren als beantwortet und die Sache als erledigt darzustellen. Er will in die Zukunft schauen und bittet um Ruhe.
Die Unruhe aber hat auch Partner des Fonds du Logement erfasst, Architekten und Baufirmen zum Beispiel. d’Land hatte in den letzten beiden Wochen mit rund einem Dutzend Kontakt. Namentlich will niemand sich äußern. Und nicht alle der Angesprochenen erklärten sich für unzufrieden. Die Unzufriedenen jedoch erwähnen nicht nur, dass sich der Fonds seit Ende der Miltgen-Ära mehr Zeit lasse mit der Auszahlung von Honoraren. Mehrere Architekten stellen fest, „immer häufiger kommen auf die Baustellen Leute vom Fonds, denen der richtige Durchblick fehlt“. Sie mögen, so ein Architekt zum Land, „gute Architekten oder Stadtplaner sein, aber damit ist man nicht automatisch auch ein guter Baustellenleiter“.
Letzteres stellen auch Baubetriebe fest. Entscheidungen auf den Baustellen würden „immer länger dauern“, erklärt ein Firmenchef. „Das hat zwar schon kurz vor Daniel Miltgens Rauswurf begonnen, sich seitdem aber immer mehr verschlimmert.“ Ein anderer Betriebsleiter sieht das ganz ähnlich: „Normalerweise kommt jemand auf den Bau und sagt, so und so geht es weiter.“ Das lasse nach beim Wohnungsbaufonds. „Stattdessen geht es immer ums Budget. Sie kürzen überall.“ Er weiß von einem Baubetrieb, der unlängst entschieden habe, für den Fonds du Logement nicht mehr zu arbeiten.
Diese Klagen könnten auch mit der anscheinend großen Personal-Fluktuation beim Wohnungsbaufonds zu tun haben. Meldungen in den Me-dien über Entlassungen beim Fonds gab es immer wieder; in dem RTL-Bericht vergangene Woche war ebenfalls die Rede von Entlassungen.
Traditionell arbeitet der Fonds zur Projektentwicklung stark mit externen Architekten und Stadtplanern zusammen – im Unterschied zu dem anderen öffentlichen Wohnungsbauträger, der Socitété nationale des habitations à bon marché (SNHBM), die das weitgehend hausintern erledigt. Von den aus diesem Grunde wenigen Wohnungsbaufonds-Architekten aber ist nur noch einer aus Daniel Miltgens Zeiten übriggeblieben. „Und die neuen“, sagt ein Architekt, „sind oft junge Leute, die auf den Baustellen auf weltfremde Art Macht auszuüben versuchen.“
Andere Architekten haben die Erfahrung gemacht, in Projektbesprechungen „immer anderen Leuten vom Fonds“ zu begegnen, weil die zur jeweils vorhergehenden Sitzung zuständige Person mittlerweile entlassen wurde.
Nach Daniel Miltgens Entlassung wurde nicht nur die Führung des Fonds neu besetzt – mit Regierungsattachée Tania Fernandes aus dem Wohnungsbauministerium an Miltgens Stelle an der Spitze des Direktionskomitees und mit dem früheren stellvertretenden Direktor des Fonds Belval, Mario Schweitzer, als Generalkoordinator auf einem Übergangsposten, bis die Änderung des Wohnungsbaufonds-Gesetzes einen Verwaltungsrat und eine Direktion schaffen würde. Von diesen Stellenbesetzungen abgesehen aber sei, so empfinden das Architekten und Baubetriebe, der Fonds du Logement quasi „eingefroren“ worden.
Soll heißen: Mit der Ära Miltgen sollte endgültig gebrochen werden. Unverständlich ist das nicht. Ohne Daniel Miltgen konnte seinerzeit kaum eine Entscheidung beim Fonds du Logement getroffen werden. Der Spitzenbeamte mit CSV-Parteibuch vereinigte aber viele Ämter auf sich. Vor allem unter der letzten CSV-LSAP-Regierung warern es so viele, dass er selbst für die Geschäftspartner des Fonds nicht ohne weiteres zu erreichen war. Da war er nicht nur Erster Regierungsrat im Wohnungsbauministerium, sondern koordinierte auch das Umweltressort des delegierten Ministers Marco Schank (CSV), weil der obendrein Wohnungsbauminister war. Im Jahr vor den vorgezogenen Wahlen wurde Daniel Miltgen sogar Generalkoordinator aller Ressorts im Superministerium für Nachhaltigkeit und Infrastrukturen von Claude Wiseler (CSV) und Marco Schank.
Doch der Bruch mit der Vergangenheit und die nach dem Ausscheiden Maggy Nagels aus der Regierung von Marc Hansen (DP) verordnete „Umstrukturierung“ führten den Wohnungsbaufonds stark zur Beschäftigung mit sich selber. Der Bestand des Fonds an Mietwohnungen, dessen Vergrößerung laut Minister Marc Hansen die neue Kernaufgabe sein soll, nahm laut den Jahresberichten des Wohnungsbauministeriums zwischen 2015 und 2016 lediglich von 1 781 auf 1 851 Einheiten zu. Architekten sagen, habe man den Generalkoordinator des Fonds gefragt, weshalb es nicht schneller vorwärtsgehe, habe Mario Schweitzer geantwortet, „wir sind am Umstrukturieren“. Währenddessen wuchs die Warteliste der Antragsteller auf eine Wohnung von 1 800 zum Zeitpunkt von Daniel Miltgens Entlassung auf 2 500 Mitte Mai dieses Jahres. Dem standen zu dem Zeitpunkt rund 1 900 Mietwohnungen gegenüber.
Das zu langsame Vorankommen scheinen nicht wenige Architekten und Baufirmenchefs auch Mario Schweitzers Führungsstil anzulasten. Tenor: Er sei ein guter Beamter, aber kein Macher. Das könnte auch deshalb stimmen, weil Schweitzer sich als stellvertretender Direktor des Fonds Belval eine Zeitlang Hoffnungen machen konnte, Nachfolger von Direktor Alex Fixmer zu werden, als 2015 dessen Pensionierung nahte. Fixmer war als „Macher“ bekannt. Der Verwaltungsrat des Belval-Fonds aber stimmte Schweitzers Beförderung nicht zu. So wurde er Generalkoordinator im Fonds du Logement und ist nun einer der Bewerber auf den durch die Gesetzesänderung dort neu zu vergebenden Direktorenposten. Schweitzer sei „ein Macher“, erklärte Fonds-Verwaltungsratspräsident Claude Wagner im 100,7-Interview.
Für ein Gespräch mit dem Land über die Aktivitäten des Wohnungsbaufonds stand Mario Schweitzer nicht zur Verfügung. Die Pressesprecherin des Fonds ließ er per E-Mail wissen, man ziehe es vor, schriftlich zu antworten und richtete aus, der Fonds „erfüllt seine Mission, mehr zu bauen“. Bis 2019/2020 seien rund 350 Wohnungen „in Entwicklung“ und „die nächsten Jahre“ würden „geprägt von der Realisierung zweier großer Vorhaben, ‚Wunnen mat der Wooltz‘ in Wiltz und ,Neischmelz‘ in Düdelingen“, wobei „jedes für sich die Schaffung von mehr als tausend neuen Wohnungen“ vorsehe. Zu diesen Projekten kämen „in den kommenden Jahren noch weitere hinzu“.
Das klingt nicht schlecht. Allerdings hatte Tania Fernandes in einem Interview, das sie Mitte Mai dem Paperjam gegeben hatte und welches das Magazin in seiner Juli-Ausgabe veröffentlichte, vorgerechnet, das Wiltzer und das Düdelinger Projekt seien so groß, dass beide bis Anfang der 2030-er Jahre „phasiert“ werden müssten und bis dahin an den beiden Standorten nur jeweils 80 bis 100 Wohnungen pro Jahr enstehen würden. Schulen, Maisons relais, ein Kindermuseum in Wiltz, ein Hotel und einen Startup-Inkubator in Düdelingen baut der Fonds auch; eigentlich zwei neue kleine Städte. Warteliste und derzeitigen Mietwohnungsbestand eingedenk, müsste der Fond schon jetzt sein Angebot mehr als verdoppeln, sagte Tania Fernandes im Mai.
Auf Nachfrage konnte der Fonds du Logement zumindest bis zum Redaktionsschluss dieses Artikels nicht erläutern, wie viele der Projekte, die gegegenwärtig „en cours“ sind, noch unter Da-
niel Miltgen angeschoben wurden. In der Planer-
Szene erzählt man sich, es könnten womöglich alle sein. Falls das stimmt und der Aufholbedarf derart groß ist, erklärt das vielleicht auch, weshalb beim Wohnungsbaufonds dieser Tage niemand ans Telefon ging.