Ein bisschen ironisch ist es schon. Die Räumlichkeiten im Technoport in Foetz sind eine funktional gedachte Konstruktion aus Stahl und Beton ohne jeglichen Charme, eine Werkshalle zur Produktion und ein paar kleine abgetrennte: hoch, kalt und aufgrund des Schalls wahrscheinlich sehr laut, sobald hier nur ein Akkuschrauber läuft. Ausgerechnet hier ist das Start-up Leko Labs untergebracht, das den Anspruch erhebt, das Steinzeitalter im Baugewerbe zu beenden, Ziegel und Beton als Baustoff durch Holz zu ersetzen? In den Büros gibt es deshalb möglichst viel unbehandeltes Holz zu sehen; als Tischplatten, als Regale, als Rahmen für bestehende Nischen.
Die Werkshalle ist vorbereitet, damit die Produktion bald starten kann. Zwei sechs mal drei Meter große Tische, wie Riesenpaletten, sind dort installiert. Darauf soll demnächst ein kanadischer Zimmermann die ersten Leko-Panels bauen. Holzelemente, bestehend aus einem mehrschichtigen Rahmen aus massivem Holz, Zellstoffmatten und Luft, die mit wenigen Schrauben und ohne Kleber zusammenhalten, vollkommen wiederverwertbar sind und dabei hohe Dämmwerte erreichen.
Dass der neue Mitarbeiter aus dem hohen Norden kommt, scheint dem französischen Firmengründer François Cordier besonders zu gefallen. Ihn beeindruckt, wie in den USA und in Kanada Zimmermänner ohne Baupläne und vorgeschnittene Teile quasi aus dem Nichts auf der Baustelle ganze Häuser entwerfen und errichten – auch wenn bei Leko strikt nach Plänen gearbeitet wird. Sich selbst und seinen Partner Gaël Defer, der Karohemd à la Lumberjack trägt, bezeichnet er als „Mitglieder der Generation Lego und Mecano“, die als Kinder Baumhäuser gebaut haben. Begegnet sind sich die beiden an der École du Bois in den Vogesen, die Cordier besuchte, um nach abgebrochenen Ingenieur- und BWL-Studien endlich zu machen, was er immer schon wollte: mit seinen eigenen Händen etwas Konkretes erschaffen. Er absolvierte dort eine neu etablierte Ausbildung für den Holzbau, eine Art „Superzimmermann“, die sich auf alle Aspekte des Holzbaus bezieht, nicht nur auf die Struktur, sondern auch auf die Thermik beispielsweise oder die Akustik. Cordier begann als Lehrling auf Baustellen Dachgesperre zu zimmern und stellte fest: „Die Leute geben viel Geld für einen Bau aus und sie bekommen dafür im Gegenzug nicht die beste Lösung.“ Er sah Spielraum, um ein besseres Produkt anzubieten. Nach der Ausbildung, nahm Cordier am Erasmus-Programm für Jungunternehmer teil, arbeitete in Freiburg im Breisgau bei einem Architektenbüro, um sich mit der Passivbauweise vertraut zu machen, die dort bereits 2010 Voraussetzung für eine Baugenehmigung war. Schon damals reifte in ihm das Projekt Leko, erzählt Cordier, doch auf der Suche nach weiteren Erfahrungswerten reiste er umher, nach Slowenien, wo Stararchitekt Philippe Starck ein Projekt für vorgefertigte Niedrigenergie-Holzhäuser betrieb, nach Großbritannien, „weil die Briten immer eine andere Sicht der Dinge haben“, nach Österreich in die Region Vorarlberg, „das Silicon-Valley für Holz“.
Im März 2014 schließlich gründete Cordier in Metz die Firma Leko. Als ein paar Monate später sein Studienfreund Defer in die Firma einstieg, zogen sie um in die Vogesen. „Dort gab es mehr Möglichkeiten“, sagt Cordier, obwohl es auch damals bereits Kontakte nach Luxemburg gab, zu Neobuild, dem Laboratorium fürs Baugewerbe in Düdelingen und dem Firmeninkubator Technoport. „Der Technoport wollte uns damals nicht aufnehmen. Sie verstanden unser Projekt nicht ganz“, erzählt der Firmengründer, der einräumt, dass sich dieses seither stark verändert hat. Voller Idealismus nahmen sich Cordier und Defer vor, die Wende zum nachhaltigen Bauen voranzutreiben, und zwar indem sie Endkunden Holzhäuser einer neuen Generation anbieten würden. Mit ihrer Technologie, hochwertigen Materialien und einer gepflegten Architektur; „das ist nicht immer eine Stärke der Franzosen“. Sie sammelten Geld via Crowd-Funding, um danach festzustellen, dass sich niemand für ihr Produkt interessierte. „Angebot und Markt passten nicht zusammen. Da mussten wir beide uns fragen, was nach den ganzen Jahren der Arbeit aus uns werden würde“, so Cordier – aus der Traum vom schönen Leko-Haus. Also mussten sie umdenken, vom Endkunden auf die Bauträger. „Das war eine große Wende“, erzählt er. In Paris fanden sie Interessenten, Bauträger, die in urbanen Ballungszentren, auf den Flachdächern von Supermärkten beispielsweise, gerne mit Holzkonstruktionen Wohnraum geschaffen hätten. „Es war wie ein Reset.“ Cordier und Defer begannen, in diese Richtung zu arbeiten. „Aber dann wurde uns bewusst, dass daraus auf absehbare Zeit kein Geschäft werden würde.“ Die beiden Jungunternehmer wandten den Blick wieder auf Luxemburg, kontaktierten erneut Neobuild, fragten nach, ob man sie in Verbindung mit Luxemburger Bauträgern setzen könnte, damit sie
Schons ließ die Leko-Leute reden. Dann meinte er, Häuser bauen könne er selbst, das sei sein Beruf. Aber die Technologie sei interessant. Seit acht Jahren nämlich baue er nach höchsten Energiestandards und stelle dabei fest, dass die Wände immer dicker würden, um die geforderten Dämmwerte zu erreichen, und dadurch gehe im Innenraum immer mehr Wohnfläche verloren. Denn im Vergleich zur traditionellen Bauweise mit Beton und Dämmverkleidung ist eine Leko-Wand bei gleichen Dämmwerten 40 Prozent dünner. „Also haben wir ein bisschen gerechnet und festgestellt, dass wir im Vergleich zur traditionellen Bauweise mit Leko-Wänden bei einem Mehrfamilienhaus eine Menge Geld einsparen könnten“, schildert Cordier den Verlauf der Begegnung. „Dieses Argument hatten wir mit unserem Idealismus, unserem Drang, ein gutes Produkt zu entwickeln, vollkommen übersehen.“ Mit Schons Hilfe entdeckten die Leko-Gründer, dass es in Luxemburg, mit seinen hohen Immobilienpreisen, dem großen Wohnraumbedarf, einen Markt für ihr Produkt gebe.
Die Leko-Technologie, sieht auf den ersten Blick unscheinbar aus. Die Bretter für den Wandrahmen werden an den Querpunkten angesägt, damit auf einem Kontaktpunkt ein Reliefraster aus Dreiecken entsteht, auf dem anderen Dreiecksreihen. Aufeinandergelegt, können die Bretter nicht mehr verrutschen. Vier Schrauben am Kontaktpunkt reichen aus, um das Ganze derart stabil zu befestigen, dass dadurch Hauswände entstehen und zwar mit vergleichsweise dünnen und schmalen Brettern. Leko nutzt, anders als andere Holzbaufirmen, die Nadelhölzer verwenden, Buchenholz für seine Strukturelemente. Das Holz, das Leko verarbeitet, ist Energieholz, das beim normalen Säubern in der Waldwirtschaft anfällt, relativ dünne Stämme von 20 bis 30 Zentimetern Durchmesser, die geschlagen werden, damit andere Bäume weiterwachsen können. Holz, das normalerweise zu Pellets verarbeitet oder als Biomasse verheizt wird. „Eine Ressource, die normalerweise in Rauch aufgeht“, sagt Cordier, und die in der Großregion in rauen Mengen anfällt, wo jährlich elf Millionen Kubikmeter Holz geschlagen werden. 20 Prozent davon sind Energieholz, so Cordier, und davon wiederum zwischen 80 und 90 Prozent Buchenholz.
Da Leko keinen Klebstoff braucht, um die Bretter zu verbinden, und die Zellstoffmatten, die in den Rahmen eingefügt werden, die Leko von Zulieferen bezieht, ebenfalls kaum Bindemittel enthalten, können die Wände der Verwendung auf dem Bau später verarbeitet werden, sagt Cordier. „Aber immerhin hat dann jemand jahrelang darin gewohnt. Dann wurde vielleicht Parkett daraus hergestellt oder Papier, bevor es verbrannt wird.“
Joël Schons forderte Leko heraus. Sie sollten im Neobuild-Gebäude ihr Können beweisen, eine Wand errichten. Gelinge das Proof of conccept, werde er ihnen einen ersten Auftrag geben. Leko Labs zog Anfang 2017 als erstes privates Start-up bei Neobuild ein, verlegte den Firmensitz nach Luxemburg, brachte Mitarbeiter und Patente mit. Vergangenen Herbst wurde nach viel Vorarbeit die Leko-Wand in Düdelingen eingeweiht, das Holz-Cluster von Luxinnovation lud Mitglieder, Architekten und Ingenieure ein. Von Stugalux erhielt Leko den Auftrag für ein Einfamilienhaus in Sandweiler mit einer Grundfläche von 300 Quadratmetern. Im Juni soll es montiert werden. Es sind die Elemente für dieses Haus, die der kanadische Zimmermann demnächst in Foetz verschraubt. „Schons hat Wort gehalten“, staunt Cordier heute noch, „für uns war das, aus Frankreich kommend, etwas völlig Neues, dass jemand den man ansonsten kaum kennt, sein Versprechen einlöst.“
Momentan verhandelt Leko mit Schons und zwei anderen Bauträgern darüber, ihnen die Exklusivrechte für die Leko-Technologie in Luxemburg zu geben, die einen wollen sich auf Wohn-, die anderen auf Bürogebäude konzentrieren, die bis zu acht Stockwerke hoch werden können. Zwar ist die Konstruktion mit Leko-Elementen aus Holz 15 Prozent teurer als die herkömmliche Bauweise mit Ziegeln und Beton, erklärt Cordier. Doch im Schnitt könnten durch die dünneren Wände bei gleicher Energieklasse sechs Prozent Wohnfläche gewonnen werden. Bei einem durchschnittlichen Quadratmeterpreis von über 6 000 Euro geht es dabei für Luxemburger Bauträger um viel Geld. Umso mehr, da die Montage schneller verläuft, die Wohnungen also schneller verkauft oder vermietet werden können. „Zwei Monate weniger Bauzeit sind zwei Monate Miete. Bei einem Mehrfamilienhausprojekt von 30 Wohnungen entspricht das 60 Monatsmieten“, rechnet Cordier vor, er hat das Bauträger-Einmaleins gelernt.
Seine Firma Leko, die von Neobuild in Düdelingen nach Foetz umgezogen ist, um in Produktion gehen zu können, ist ein Start-up, wie es sich Beamte für Wirtschaftsförderung nur wünschen können. Sie hat nicht nur eigene Technologie entwickelt und sie patentieren lassen. Sie stellt ein konkretes Produkt her, keine Software, die in wenigen Monaten von einer anderen überholt ist. Die Gründer haben schon mehr als eine Realitätsprüfung überstanden, und trotzdem gibt es die Firma noch. Die Firma befindet sich an der Schnittstelle von Handwerk und Digitalwirtschaft. Um die Produktion steigern zu können, läßt Leko einen Produktionsroboter entwickeln, der später, wenn ins Ausland expandiert wird – der Leko-Bau lohnt sich ab einem Quadratmeterpreis für Wohnfläche von 2 500 Euro –, an anderen Standorten eingesetzt werden kann, um jeweils den lokalen Markt zu bedienen. Die Firma nutzt ein natürliches Abfallprodukt, das erst aufgewertet wird und danach recycelt werden kann. Ihr Produkt trägt zur Energiewende bei, auch weil die Häuser nachher nicht beheizt werden müssen.
Jeremy Rifkin wäre stolz, dabei hat Leko, abgesehen von der Unterbringung im Technoport, bisher keinen Euro Luxemburger Wirtschaftsförderung erhalten. Derzeit absolviert das Start-up eine Finanzierungsrunde für 2,4 Millionen Euro. Ein Drittel davon werden angelsächsische Investoren aufbringen, die zwei restlichen Drittel über Bankkredite aufgenommen werden, jeweils mit einer Garantie von der EU und einer von der Mutualité des PME ausgestattet. Andere Faktoren sind ebenso wichtig wie Fördergelder, erklärt Cordier, auf die im Bau übliche zehnjährige Nachhaftung angesprochen. In Frankreich und anderen Ländern müsste das Produkt erst vollständig zertifiziert sein, bevor es auf den Markt darf. „Da wären wir jetzt blockiert. In Luxemburg ist das anders geregelt. Sie sind freier zu tun, was Sie wollen, allerdings übernehmen Sie dann selbst die Haftung.“ Zwei Mitarbeiter von Leko sind derzeit damit beschäftigt, die Berechnungsmethoden, den Herstellungsprozess, Eigenschaften und Belastbarkeit der Leko-Produkte in Bezug auf Mechanik, Dämmung, Feuchtigkeit, Akustik, Seismik und Feuerschutznormen zusammen mit der belgischen Zertifizierungsgesellschaft Seco und dem Testlabor CSTC zu prüfen. Im Labor, zeigen die Werbevideos, geht es dabei in etwa zu wie im Belastungstest für Ikea-Sessel.
Bis zu 10 000 Quadratmeter Leko-Wände können derzeit in Foetz produziert werden. Der Produktionsroboter wird notwendig werden, weil sich Stugalux und Partner engagiert wollen, Ware für den Bau von rund 500 Wohnungen jährlich abzunehmen. Bei einer Durchschnittswohnfläche von 90 Quadratmetern entspreche das 150 000 Quadratmetern Leko-Elementen. Für das Modellhaus in Sandweiler werden 700 gebraucht, in 70 verschiedenen Einzelteilen, alle nach Maß angefertigt. Für die Demonstrationswand bei Neobuild wurden bisher 50 Quadratmeter hergestellt. In zehn Jahren, so Cordiers Traum, wenn alles vollautomatisiert ist und der künstlich intelligente Roboter die Produktion übernimmt, soll es möglich sein binnen 24 Stunden ab Architektenplänen eine neue Wohnung fertig zu montieren. Ganz aufgegeben hat er den Traum von der Revolution im Bauwesen also doch nicht.