CSV-Armeeminister vs. Generalstabschef

Reformresistent

d'Lëtzebuerger Land vom 06.01.2011

Die großherzoglichen Streitkräfte laufen derzeit Gefahr, in der Lächerlichkeit zu versinken, und niemand will die politische Verantwortung dafür übernehmen. Denn so wie sich 1414 auf dem Konzil von Konstanz drei verschiedene Päpste an der Spitze der katholischen Kirche befehdeten, soll die Armee von drei verschiedenen Generalstabschefs befehligt werden: Bis zum 16. Dezember von General Gaston Reinig, danach von seinem vom Verwaltungsgericht wieder eingesetzten Vorgänger Colonel Nico Ries und seit Mittwoch dieser Woche auch noch vom beigeordneten General­stabschef Colonel Alain Duschène – obwohl sich Ries, anders als Reinig, nicht vorübergehend beurlauben ließ, wie es Armeeminister Jean-Marie Halsdorf den beiden schriftlich mitteilte. Zum Glück herrscht während dieser Trinitas maledicta gerade kein Verteidigungsfall.

Nachdem Ries am Montag Halsdorfs Angebot abgelehnt hatte, vor Ende des Monats mit einer schmissigen Militärparade auf dem Herrenberg rehabilitiert und anschließend gleich in den Ruhestand verabschiedet zu werden, will er weiter um seinen Platz auf dem Diekircher Feldherrenhügel kämpfen und täglich Präsenz im Büro markieren. Der Armeeminister redet sich unterdessen weiter um Kopf und Kragen, sein Vorgänger, der ihm die Suppe eingebrockt hat, hält sich vornehm zurück, und Ries geht vielleicht wieder vor Gericht – auch wenn vor seiner endgültigen Pensionierung im Sommer nicht mehr mit einem weiteren Urteil zu rechnen sein dürfte.

Auf Vorschlag von Minister Halsdorf soll die Regierung am heutigen Freitag noch einmal beschließen, was sie am 9. November 2007 auf Vorschlag von Minister Jean-Louis Schiltz schon einmal beschlossen hatte: dass Nico Ries als General­stabschef abberufen wird. Im Unterschied zum Versuch vor drei Jahren soll es diesmal formal richtig geschehen, nämlich so, wie es das Verwaltungsgericht in seinem rezenten Urteil vorschlägt, unter Berufung auf die Artikel 11, 12 oder 16 des Militärgesetzes von 1952. Auch wenn der grüne Abgeordnete Felix Braz inzwischen in einer parlamentarischen Dringlichkeitsanfrage befürchtet, dass die Regierung „einen neuen Formfehler begeht“. Doch wie vor drei Jahren soll noch immer kein Wort darüber verloren werden, weshalb die beiden CSV-Minister unbedingt den ranghöchsten Soldaten loswerden wollen. Und ihm deshalb eine unsinnige „Planungsmission“ im Armeeministerium auftrugen, wo er unter Beibehaltung von Rang und Gehalt bis zum Rentenalter Zeitung lesen sollte. Das ist zumindest der Preis, den sie für die Umsetzung der Armeereform von 2007 zu zahlen bereit waren. Denn an der Reform war ein Jahrzehnt lang herumgedoktert worden, sie sollte nicht nur zur Verbesserung des außenpolitischen Ansehens die Armee für Einsätze außerhalb des Nato-Vertragsgebiets vergrößern und professionalisieren, sondern auch die höheren Kosten innenpolitisch legitimieren.

Erste Versuche hatte der liberale Armeeminister Charles Goerens mit der Betonung „humanitärer Einsätze“ gemacht, doch nach den Anschlägen vom 11. September 2001 wurde der Schwerpunkt dann auf den Kampf gegen den Terrorismus und „friedenserhaltende Einsätze“ gelegt. Trotzdem hatte Armeeminister Luc Frieden allerlei Schwierigkeiten, der Armeeführung eine Reform schmackhaft zu machen, so dass der damalige Superminister für Law and order im Zuge einer Regierungsumbildung Anfang 2006 das Ressort an Jean-Louis Schiltz abtreten musste. Schiltz konnte mit einer Reihe Zugeständnissen einen Großteil der Armeeführung für die Reform gewinnen, welche vor allem die Udo, Unités de disponibilité opération­nelle, für Einsätze in Krisengbeiten schuf. Aber es gelang ihm nicht einmal mit dem Versprechen, den Colonel zum General zu befördern, den Mann an der Spitze, Generalstabschef Nico Ries, für seine Udo-Politik zu begeistern. So dass er sich im November 2007 von seinen Kabinettskollegen so gut wie diskussionslos die Abberufung des Ober­kommandie­renden absegnen ließ.

Dass Schiltz dabei „das Parlament hintergangen“ habe, um Ries „unbemerkt aufs Abstellgleis zu schieben“, wie die ADR diese Woche meinte, stimmt so nicht, denn er hatte die Abberufung schon öffentlich angekündigt (d’Land, 16.11.07). Hört man genau hin, merkt man auch, dass bis heute weder Mehrheit noch Opposition dem damaligen Armeeminister das Recht absprechen wollen, sich von einem Generalstabschef zu trennen, den er verdächtigt, eine vom Parlament beschlossene Reform nur unzureichend zu unterstützen. Auch wenn DP und Grüne nun verlangen, dass Jean-Marie Halsdorf endlich die Beweggründe für die delikate Personalentscheidung öffentlich zugibt.

Erstaunlich bleibt, wie wenig politisches Aufsehen die Kaltstellung des Armeechefs seinerzeit provozierte. Immerhin gibt es eine jahrzehntealte Tradition brisanter Konflikte zwischen der Armeeführung und insbesondere den CSV-Armeeministern sowie von Koalitionskrisen um Armeereformen. Allerdings erhielt Ries, der seit seinem 20. Lebensjahr Soldat ist und an der Königlichen Militärschule in Brüssel studiert hatte, auch kaum Unterstützung aus den eigenen Reihen. Seit er Anfang 2002 Guy Lenz als Generalstabschef ablöste, hat sich mit seinem selbst in Militärkreisen bemerkenswerten Starrsinn nur wenige Freunde auf dem Herrenberg gemacht. Entsprechend hielt sich die Enttäuschung über seine überstürzte Abberufung im Offizierskorps und bei der Truppe in Grenzen.

Romain Hilgert
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