Ausstellung/Technik

Raubvogelroboter

d'Lëtzebuerger Land du 01.11.2019

Die ersten Begegnungen von Mensch und Fluggerät waren nicht immer schön: Am
27. August 1787 ließ der Physiker Jacques Charles in Paris einen mit Wasserstoff gefüllten Ballon aufsteigen. Als die „Charlière“ – vier Meter Durchmesser, neun Kilo Nutzlast – im benachbarten Dorf Gonesse landete, stürzten sich darauf die Bauern unter Führung der Geistlichkeit und schlugen das nach Schwefel stinkende „Teufelsgerät“ kurz und klein. Vor weiteren Versuchsflügen startete die französische Regierung dann erst einmal eine Aufklärungskampagne.

Vielleicht wäre es aber durchaus vernünftig gewesen, Mistgabeln und Misstrauen auch weiterhin griffbereit zu halten. Die Zahl der Drohnen explodiert geradezu, während das Bewusstsein für mögliche Folgen und Gefahren hoffnungslos hinterherhinkt. Allein über Deutschland sind derzeit bereits rund 400 000 Flugroboter unterwegs – für nächstes Jahr werden 1,2 Millionen prognostiziert. Wobei Paketdienst- und Briefträger-Drohnen da wahrscheinlich gar nicht mitgezählt sind und erst noch geplant werden.

Es kommt schon mal vor, dass unbemannte Flugobjekte als harmlose Spielzeuge dienen, Waldbrände aufspüren, Stromleitungen inspizieren oder der Landwirtschaft helfen. Ganz überwiegend wird ihre Entwicklung aber von Militär und Geheimdiensten vorangetrieben. Jedenfalls geben die dafür das meiste Geld aus. Das zeigt derzeit in Friedrichshafen eine Ausstellung zu Geschichte und Gegenwart der Drohnen. Zu sehen sind dort vor allem Spionage- und Schießgeräte, etwa Produkte der ortsansässigen Rüstungsfirmen Dornier oder Airbus Defence. Die Bezeichnung „Drohnen“ für Flugapparate entstand übrigens um 1936, zuerst für Ziel-Simulationen der US-Luftwaffe. Flugzieldarstellung ist bis heute eine Hauptanwendung.

Wunder der Technik: Eine einzige Drohne, ein unscheinbarer Punkt am Himmel, reicht aus, um die gesamte Telefon-, E-Mail-, Internet-Kommunikation einer großen Stadt zu überwachen. Kameras können durch Wände schauen. Mittlerweile lässt sich mit Infrarot sogar der zurückgebliebene Wärmeabdruck erfassen, wenn ein Mensch schon längst nicht mehr an der anvisierten Stelle sitzt. Besonders beunruhigend ist das Zusammenwachsen von Drohnentechnik, Gesichtserkennung und Künstlicher Intelligenz: zu autonomen Waffensystemen, die unermüdlich patrouillieren und selbstständig abknallen, was sie für Feinde halten. Um Afghanen ferngesteuert zu Hackfleisch zu verarbeiten, wird es in Zukunft nicht mehr die moralische Urteilskraft von „Piloten“ brauchen, die Tausende Kilometer entfernt im CIA-Hauptquartier in Langley, Virginia, vor einem Bildschirm sitzen.

Präsentiert werden in Friedrichshafen aber auch Videos, Installationen und Objekte von einem Dutzend Künstlern. Tapfer versuchen sie, die Menschheit aufzurütteln. Die meisten der jetzt im Zeppelin-Museum gezeigten Kunstwerke waren schon vor drei Jahren im ZKM in Karlsruhe unter dem Titel Global Control and Censorship zu sehen. Sie können allerdings gar nicht oft genug ausgestellt werden. Denn bislang waren Raubvögel nur für Mäuse und Hasen ein ernsthaftes Problem – uns dagegen fehlt ein angeborener Sinn für Bedrohungen von oben. „Wir schlafwandeln in das Drohnen-Zeitalter“, bedauert der Menschenrechtsaktivist Clive Stafford Smith.

Die amerikanische Künstlerin Martha Rosler zum Beispiel veranschaulicht Statistiken. Ihr zufolge wurden unter den US-Präsidenten Bush und Obama allein in Pakistan über 3 000 Menschen von US-Drohnen getötet. Davon seien nur weniger als zwei Prozent „high-profile targets“ gewesen, aber rund ein Viertel Kinder und andere Zivilisten. „Unbemannte Fluggeräte werden immer allgegenwärtiger, bleiben selbst jedoch weitgehend unsichtbar, weil sie hoch in der Atmosphäre fliegen oder geheim gehalten werden“, sagt James Bridle aus London. Er malt die Umrisse von Drohnen im Maßstab 1:1 auf Straßen und Fassaden. „RQ-4 Global Hawk“ von Northrop Grumman, die derzeit größte Drohne, hat eine Spannweite von fast 40 Metern. Die bewaffnete „MQ-9 Reaper“ von General Atomics ist mit 20 Metern auch nicht gerade klein.

An praktische Abwehr denken Adam Harvey und Johanna Bloomfield, die unter dem Namen Stealth Wear mit Metall legierte Anti-Drohnen-Tarnkleidung entworfen haben. Der Amsterdamer Designer Ruben Pater hat einen „Drohnen-Überlebensführer“ gezeichnet. Zusammen mit dem Komponisten Gonçalo F. Cardoso hat er auch eine Geräusch-Datenbank eingerichtet: „Drohnen sind eine Form akustischer Gewalt.“ Nur selten gelingt es bislang, Drohnen gegen Regierungen und Konzerne einzusetzen. Immerhin konnten Filmaufnahmen schon Demonstranten einen gewissen Schutz gegen Übergriffe verschaffen, zum Beispiel bei Protesten gegen Pipelines in den USA oder gegen Minenprojekte in Schweden.

Die Bewohner gemäßigter Breiten sind meist nicht zum Abschuss freigegeben. Sie müssen sich selbst terrorisieren – gerne mit Kamera-Fliegern, die bei Ausflugszielen immer mehr zur Landplage werden. In Deutschland wird versucht, das Phänomen mit allerhand Vorschriften einzudämmen: Flugverbot in Naturschutzgebieten, in Wohnsiedlungen, über Menschenansammlungen. Dabei kann möglicherweise die Natur mit kleinen Krachmachern besser fertig werden: Zum Schutz von Flughäfen, Atomkraftwerken und anderen empfindlichen Einrichtungen setzt die französische Armee auf dressierte Steinadler. Den Greifvögeln macht es Spaß, Drohnen bis zu einem Gewicht von etwa vier Kilo zu packen, auf den Boden herunter zu holen und in Kleinteile zu zerlegen.

Die Ausstellung Game of Drones ist in Friedrichshafen noch bis 3. November 2019 zu sehen: www.zeppelin-museum.de
Drone Shadow Handbook und andere Projekte von James Bridle: booktwo.org/on-drones/
Anti-Drohnen-Mode von Adam Harvey: ahprojects.com/stealth-wear/
Killermaschine, Spionagegerät oder bloß Spielzeug? Grafiken von Ruben Pater helfen bei der Unterscheidung: www.untold-stories.net/?p=Drone-Survival-Guide. Die Terror-Apparate sind auch am Geräusch zu erkennen: www.untold-stories.net/?p=The-Sounds-of-Violence

Martin Ebner
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