Als im März 2008 an einer verkehrspolitischen Diskussionsrunde des Mouvement écologique auch Transportminister Lucien Lux (LSAP) und der für den Straßenbau zuständige Bautenminister Claude Wiseler (CSV) teilnahmen, plädierten dort beide für die Fusion ihrer Ressorts zu einem „Mobilitätsministerium“. Planungen für den öffentlichen Verkehr, den Straßenbau und die „sanfte Mobilität“ von Radfahrern und Fußgängern könnten dann „aus einer Hand“ erfolgen. Die derzeitige Verteilung der Zuständigkeiten auf zwei Ministerien sei nämlich „wenig effizient“.
Hinter den Kulissen von politischen Parteien und Regierungsverwaltungen setzten umgehend Spekulationen ein, welche weitere Verschiebungen in der Ressortverteilung der nächsten Regierung diese Fusion auslösen könnte. Da ein Mobilitätsministerium enorme Ausgaben für den Staatshaushalt planen würde, dürfte eine Regierungspartei CSV es vermutlich für sich beanspruchen, lautete ein Szenario. Dann aber hätte der Koalitionspartner etwas gut bei ihr. Nur was? – Aus dieser Frage leiteten sich weitere Gedankenspiele ab.
Ungeachtet der Aussagen von Lux und Wiseler vor einem Jahr ist in den Wahlprogrammen von CSV und LSAP aber keine Rede von dem Zusammenschluss. Dabei ist die Idee nicht neu. Vor fünf Jahren trug sich Wiselers Vorgängerin Erna Hennicot-Schoepges ebenfalls mit ihr. Erwogen wurde damals auch eine Zeitlang der Zusammenschluss von Bautenministerium und Landesplanung zu einem Raum- und Infrastrukturplanungsministerium.
Die Erfahrung lehrt jedoch, dass es von einer Regierung zur nächsten nicht unbedingt zu einem Zuwachs an Effizienz durch Ressortfusionen kommen muss. Als 1999 die schwarz-blaue Juncker-Polfer-Regierung gebildet wurde, versprach Formateur Jean-Claude Juncker, sie werde „effizienter, gründlicher und kohärenter“ funktionieren als ihre schwarz-rote Vorgängerin (d’Land, 6.8.1999). Tatsächlich speckte sie die Zahl ihrer Ministerressorts auf 19 ab. Im Juncker-Poos-Kabinett hatte es 26 gegeben.
Dass die CSV-DP-Regierung dennoch einen Minister und einen Staatssekretär mehr zählte als ihre Vorgängerin und damit so viele Mandatsträger wie nie zuvor, lag aber nur zum Teil daran, dass nicht länger sehr disparate Ministerien in Personalunion geleitet werden sollten und man einfach mehr Regierungsmitglieder brauchte. Mady Delvaux-Stehres zum Beispiel war von 1994 bis 1999 Transport-, Sozial- und Kommunikationsministerin gewesen, Jean-Claude Juncker Staats-, Finanz- und Arbeitsminister. Bei der Regierungsbildung 1999 wurden auffällig viele zuvor von sozialistischen Ministern geleitete Ressorts mit anderen fusioniert: Die Landesplanung kam ins Innenministerium, die Jugend ins Familienministerium, der Sport ins Bildungsministerium, die Energie ins Wirtschaftsministerium. Dagegen behielt die CSV mit dem Mittelstands- und Tourismusminister einen zweiten Wirtschaftsminister. Und man gliederte Hochschulwesen und Forschung – und damit nicht zuletzt die Zuständigkeit für die Bildung der Universität – aus dem einst CSV- und nun DP-geführten Bildungsministerium aus und dem CSV-geführten Kulturministerium an.
Wie in Koalitionsverhandlungen die Ressorts verteilt und anschließend die Posten besetzt werden, hat deshalb auch mit Machtverhältnissen zu tun. Die sind manchmal so ausgeprägt, dass sie persönliche Ambitionen unterstützen: Dass Luc Frieden 2004 als Justizminister auch für die Polizei zuständig und obendrein Verteidigungsminister wurde, war nicht allein eine Reaktion der Koalitionäre auf die „menace terroriste“ nach 9/11, wie Formateur Juncker sagte (d’Land, 6.8.2004), sondern hatte viel damit zu tun, dass Frieden ein Super-Sicherheitsminister werden wollte. Manchmal wiederum resultiert die Ressortbildung aus internen Rivalitäten bei einem der Koalitionspartner: Als 1999 DP-Präsidentin Lydie Polfer für sich das Außenministerium errungen hatte und der einst maßgeblich von ihr aus dem Amt gedrängte Ex-Parteichef Charles Goerens, der landesweit bestgewählter Liberaler geworden war, sich für das Entwicklungshilferessort interessierte, aber nicht nur Staatssekretär sein wollte wie seine beiden sozialistischen Vorgänger Georges Wohlfart und Lydie Err, schuf man den „zweiten Außenminister“ mit der nicht unproblematischen Kombination Entwicklungshilfe, Verteidigung und humanitäre Interventionen.
Schon vor den Wahlen Überlegungen zur Struktur der nächsten Regierung anzustellen, und sei es nur zur nicht neuen Idee „Mobilitätsministerium“, ist aus all diesen Gründen so sinnlos wie potenziell verhängnisvoll für jene Parteien, die bereits an der Macht sind und mit Vorab-Überlegungen ihre Spielräume bei späteren Koalitionsverhandlungen unnötig einschränken könnten. Nicht umsonst gab es Ende 1999 keine Einigung, als kurzzeitig darüber diskutiert wurde, ob man vor den Wahlen 2004 nicht tatsächlich parteiübergreifend hätte klären können, wie die nächste Regierung beschaffen sein sollte.
Da verwundert es nicht, dass die Opposition besonders viel Vorstellungskraft über die neue Regierung entwickelt; mit Ausnahme der KPL, die darüber sogar noch weniger sagt als CSV und LSAP. Die Grünen wollen das Energieressort ins Umweltministerium, Landesplanung, Transport und Wohnungsbau in ein „Ministerium für Raum- und Verkehrsplanung“ geben. Außerdem soll für Kinderbetreuung statt dem Familien- das Bildungsministerium zuständig sein.
Letzteres will auch déi Lénk, ebenfalls ein Umwelt- und Energieministerium und darüber hinaus ein Ministerium für Landes- und Mobilitätsplanung – jedoch ohne den Wohnungsbau, der zum Innen- und Urbanismusministerium kommen sollte. Entwicklungshilfe und Verteidigung will déi Lénk wieder voneinander trennen.
Die ADR will das Chancengleichheitsministerium abschaffen und von einer nicht näher beschriebenen „Verwaltungseinheit auf einer niedrigeren Ebene“ übernehmen lassen, ein eigenständiges Immigrationsministerium einrichten, den Außenhandel aus dem Wirtschafts- zurück ins Außenministerium verlegen und die Polizei nicht länger dem Justizminister unterstellen.
Weitaus zurückhaltender verhält die DP sich. In ihrem Wahlprogramm verspricht sie, ein „Verbraucherschutzministerium“ neu einzurichten, und wie Déi Gréng wollen auch die Liberalen den Bereich Kinderbetreuung dem Bildungsministerium unterstellen. Abgesehen davon kündigen sie lediglich vage an, „verschiedene Ministerien zusammen[zu]legen, die heute allein aus parteipolitischen Gründen getrennt sind“.
Koalitionsverhandlungserfahrung ist es, die sich hier äußert. 1999 hatte die DP ihren spektakulären Wahlsieg eingefahren, der sie zur damals zweitstärksten Partei werden und 15 Abgeordnetenmandate erringen ließ, während die CSV zwei Sitze verlor. Dennoch kostete es die DP wochenlange Verhandlungen, bis die CSV bereit war, ihr acht der 19 Ressorts sowie zusätzlich zwei Staatssekretäre zuzugestehen, damit fast Ämterparität herrschte. Denn eigentlich halten die Liberalen die Trennung von Wirtschafts- und Mittelstandsministerium für ebenso falsch wie die von Hochschulwesen und Forschung vom Bildungsministerium und die Unterstellung der Polizei unter den Justizminister. Sie sagen es nur nicht so laut.
Dagegen ist die Aussage in ihrem Wahlprogramm, ein „Super-Nachhaltigkeitsministerium“ ergebe „keinen Sinn“, nicht nur eine taktische. Parteiintern ist das nicht ganz Konsens. Die eine Seite kann sich ein Super-Umweltministerium vorstellen, dem neben dem Energieressort auch das für Transport und das für Landwirtschaft zugeschlagen würde. Andere Politiker, darunter der frühere Umweltminister Charles Goerens, würden einem Umweltminister eher „horizontale Kompetenzen“ geben.
Das berührt einen Punkt, der sonst eher die Regierungsparteien interessiert. Im Wahlprogramm der LSAP gibt es statt Fusionsvorschlägen viele Hinweise, wo eine ressortübergreifende Zusammenarbeit wünschenswert wäre. Und die CSV hat „bewusst kein Wahlprogramm individuell pro Ressortministerium“ erstellt und hofft: „Die verstärkte Vernetzung der Ministerien soll die Kohäsion der verschiedenen Politikbereiche intensivieren und administrative Hürden verschwinden lassen.“
Fragt sich nur, wie. Erst am Montag sprach der für Nachhaltigkeit zuständige Umweltminister Lucien Lux (LSAP) sich dafür aus, dass es in diesen Fragen erlaubt sein müsse, den Ministerkollegen „auf die Zehen zu treten“. Andererseits erklärt die Verfassung jedes Regierungsmitglied ausdrücklich für „responsable“. Alles weitere regelt ein von 1857 datierender königlich-großherzoglicher Erlass. Weil er festhält, dass jedes Regierungsmitglied für ein Ressort zuständig ist, sind ressortübergreifende Kooperationen oder gar horizontale Kompetenzen eines Regierungsmitglieds gegenüber anderen schwer festzuschreiben.
Bis heute wird bei jeder Regierungsbildung dieser Erlass abgeändert und in der allerersten Sitzung des neuen Regierungsrats verabschiedet. Er enthält allerdings nicht nur die Zuständigkeiten der Regierungsmitglieder, sondern schreibt auch die Unterstellung der Verwaltungen unter bestimmte Ministerien fest. Dadurch aber entscheidet sich die Frage, welche ressortübegreifende Kooperation oder gar Einflussnahme man verbindlich machen will, um so mehr in den ohnehin schon mit viel taktischem Kalkül beladenen Koalitionsverhandlungen: Was die Partner dort nicht zu vereinbaren vermögen, ist später kaum noch durchsetzbar.