Fortis-Übernahme

Letzte Staffel

d'Lëtzebuerger Land du 16.04.2009

Seit über sechs Monaten dauert die Seifenoper um die Übernahme der Fortis-Bankgesellschaften nun schon an. Jetzt hat die voraussichtlich letzte Staffel der Saga begonnen. Vergangenen Freitag hatte das Brüsseler Berufungsgericht Miskaël Mondrikamen, dem Vertreter der Kleinanleger und Verfechter eines stand alone der belgischen Fortis Bank – im Gegensatz zur vorgeschlagenen Übernahme durch BNP Paribas –, eine herbe Schlappe zugefügt. So zumindest sah es bis Donnerstag aus. Das Gericht hatte entschieden, dass auch solche Aktionäre, die ihre Anteile an der Fortis-Holding nach dem 14. Oktober erworben haben, anlässlich der Anlegerversammlungen am 28. und 29. April an der Abstimmung über das nachgebesserte Angebot der BNP für 75 Prozent der Fortis Bank Belgien und nunmehr lediglich 25 des belgischen Versicherungsgeschäftes teilnehmen dürfen. 

Mondrikamen hatte versucht, dies durch einen entsprechenden Gerichtsbeschluss zu verhindern – und sich in erster Instanz durchgesetzt. Der Kleinanlegervertreter wollte den Verwaltungsrat zudem durch ein Urteil zwingen, einen weiteren Abstimmungspunkt auf die Tagesordnung zu setzen. Unter dem Punkt 2bis hätten die Aktionäre die Möglichkeit erhalten, den Verwaltungsrat anzuleiten, eineRückführung des gesamten Bank- und Versicherungsgeschäfts in die Holding in die Wege zu leiten; sprich ein stand alone einer in die Holding integrierten Fortis Bank vorzubereiten. Allerdings hat sich Mondrikamen diesmal schlecht angelegt. Der Anwalt hatte es versäumt, den Verwaltungsrat ganz simpel um die Aufnahme eines solchen Punktes auf die Tagesordnung zu bitten und konnte deshalb vor Gericht keine Dringlichkeit geltend machen. Das wurde ihm zum Verhängnis. Das Gericht wehrte sich ebenso gegen die Annahme, alle Anleger, die ihre Aktien erst nach dem 14. Oktober erworben hätten, würden automatisch für die Übernahme durch BNP stimmen. Überhaupt sei es angesichts des regen Handels mit Fortis-Aktien relativ schwierig festzustellen, wer zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt Anteilseigner sei oder nicht. Anders gesagt, ob sich darunter viele BNP-Bekannte befinden, die den Franzosen bei einer Abstimmung einen Freundschaftsdienst erweisen könnten.

Durch das Urteil steigen die Chancen, dass die Versammlung der Transaktion mit BNP Paribas zustimmt, da sich bei der letzten Abstimmung im Februar nur eine hauchdünne Mehrheit dagegen ausgesprochen hatte. Wie sich allerdings der größte bekannte Akti­onär, der chinesische Versicherungs­konzern Ping An, diesmal verhalten wird, ist noch unklar. Die letzte öffentliche Aussage des ehemaligen Verwaltungsratmitglieds Louis Cheung dazu war höflich, neutral und schleierhaft: „Unsere Einstellung ist weiterhin eine offene, und wir begrüßen einen verbesserten Plan, der die Interessen der Anleger besser schützt“, so Cheung vergangene Woche in Shanghai. Ob dies seiner Meinung nach auf das aktuelle Angebot von BNP zutrifft, sagte er nicht. Baudouin Prot, Vorsitzender von BNP Paribas, kündigte am Samstag in einem Interview mit der belgischen Tageszeitung Le Soir jedenfalls an, dies sei das letzte Mal, dass BNP nachgebessert und neuverhandelt habe. 

Werde dieses Angebot abgelehnt, steige BNP definitiv aus. Und dann? Ist ein stand alone für Fortis Bank tatsächlich machbar? Die belgischen Abgeordneten, die Anfang dieser Woche ihren Untersu­chungsbericht über die Bankenkrise in Belgien vorlegten, scheinen es jedenfalls für möglich zu halten. Falls es nicht zu einer Fusionmit BNP komme, „(...) Fortis devrait être capable de fonctionner en stand alone grâce au soutien des états belge et luxembourgeois et par sa position dominante sur ces deux marchés.“ 

Allerdings müsste die Bank dann ihre Liquiditätssituation dringend verbessern, eine Bedingung, welche die Abgeordneten durch den Verkauf der niederländischen Filialen erfüllt sehen. Fortis Bank, nicht die Holding, teilte hingegen am Dienstag mit, der Großteil des Jahresverlusts 2008 über rund 20 Milliarden Euro sei auf die Übernahme der ABN-Amro-Aktivitäten und den anschließenden erzwungenen Verkauf der niederländischen Filialen zurückzuführen. 

Ob allein oder unter der Führung von BNP, Bedarf in der Fortis aufzuräumen, gibt es augenscheinlich genug. In ihrer Dokumentation verweisen die belgischen Abgeordneten wiederholt auf einen Fortis-internen Bericht, der im Juli 2008 gravierende Mängel beim Liquiditäts-Management offen legte. Die Entwicklung der für die Ermittlung des Liquiditätsbedarfs erforderlichen Instrumente, Stresstests inklusive, habe nicht die nötige Aufmerksamkeit erhalten, heißt es darin. 

Unterdessen arbeitet Mondrikamen anscheinend an einer Fortsetzung des Drehbuchs. Belgische Medien meldeten, er versuche nun im Rahmen eines parallelen Gerichtsverfahrens, das er angestrengt hatte, um die Veräußerung der niederländischen Filialen anzufechten, sein stand-alone-Projekt zu verteidigen und über diesen Weg den geforderten Punkt doch noch auf die Tagesordnung der Versammlungen Ende des Monats zu bringen.

Michèle Sinner
© 2024 d’Lëtzebuerger Land