ZUFALLSGESPRÄCH MIT DEM MANN IN DER EISENBAHN

17 Flicken

d'Lëtzebuerger Land vom 09.02.2024

Seit 2010 stieg der Lohnindex um 30 Prozent. Die Haus- und Grundstückspreise stiegen um mehr als 100 Prozent (Observatoire de l’Habitat, Note 32, S. 4.). Die steigende Nachfrage und die niedrigen Zinsen heizten die Immobilienspekulation an. Die Immobilienblase erreichte im Sommer 2022 ihre höchsten Preise.

Dann erhöhte die Europäische Zentralbank die Zinsen. Der Blase ging die Luft aus: Binnen eines Jahres nahm die Zahl der Immobilienverkäufe um 40 Prozent ab. Die Preise fielen um 13,6 Prozent (Statec, Conjoncture Flash, 24/1). Theoretisch fallen die Preise, bis das Angebot der Nachfrage begegnet. Bis sich Wohnungssuchende wieder eine Wohnung leisten können.

„Jiddereen kennt d’Evolutioun vun de Präisser an Zënsen déi lescht Joren, déi et schwiereg an oft onméiglech maachen, [...] eng Wunneng ze fannen.“ Klagte CSV-Premier Luc Frieden am 22. November in seiner Regierungserklärung. Dann beschloss die Regierung, einen weiteren Preisrückgang zu verhindern.

Die Interessen sind widersprüchlich. Jener, die wohnen müssen: Mieter und Eigenheimkäufer. Und jener, die am Wohnen verdienen wollen: Banken, Bauträger, Privatinvestoren, Bauindustrie, Immobilienhandel. Die einen wollen niedrige, die anderen hohe Immobilienpreise.

Vergangene Woche begann die Regierung, die Immobilienblase abzudichten. Sie klebte 17 Flicken darauf. Die 17 Bestimmungen geben den Preisen „neie Schwong“. Sie will eine Entwertung der Hypothekensicherheiten der Banken verhindern. Eine Entwertung des Immobilienbesitzes großer Bauträger. Und der in Ertragshäusern angelegten Ersparnisse des CSV und DP wählenden Kleinbürgertums. Pech für die Wohnungssuchenden.

„Eng nei Dynamik“ für die Bauindustrie soll die Preisstütze rechtfertigen. Bauunternehmer und Regierung nehmen die Bauarbeiter als Geiseln, um eine Marktbereinigung zu verhindern. Jene Bauarbeiter, die laut Autorité de la concurrence Opfer sind einer „concertation illicite entre les grands acteurs du secteur, qui se seraient entendus pour maintenir de bas salaires“ (Enquête sectorielle immobilier résidentiel, 2023, S. 65).

Um einen weiteren Preisrückgang zu verhindern, bezuschusst die Regierung die Nachfrage. Mehr Wohnungssuchende sollen Wohn- und Mietzulagen, Erwerbsprämien, verbilligte Einregistrierungsgebühren erhalten. Damit sie teurer mieten oder kaufen, als sie sich leisten können. Für Ertragshausbesitzer uninteressanten Kleinstverdienerinnen verspricht die Regierung „erschwinglichen Wohnraum“. Wenig, damit keine Konkurrenz das Preisniveau gefährdet.

Die Investoren werden für den bisherigen Preisrückgang entschädigt: Die Regierung verbilligt die Einregistrierungsgebühren, halbiert die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen, beschleunigt die steuerliche Abschreibung. Als „Vefa“ verkauften Bauträger ungebaute Häuser. Und wälzten die Investitionsrisiken auf die Kundschaft ab. Mangels Käufer will der Staat das Investitionsrisiko übernehmen. Mehr ungebaute Häuser kaufen.

Die Banken vorfinanzieren Eigenheime, Ertragshäuser, Baufirmen. „Les charges d’intérêt des ménages au Luxembourg ont ainsi été multipliées par 5 sur un an et les revenus d’intérêts multipliés par 4“ (Statec, Note de conjoncture 23/2). Der Staat subventioniert die vervierfachten Zinsmargen durch Zuschüsse und steuerliche Absetzmöglichkeiten für die Haushalte. Mit Bürgschaften nimmt er den Banken das Kreditrisiko ab.

Steigende Mieten verlangen höhere Löhne. Deshalb sollen Unternehmen Wohnzulagen für Beschäftigte von den Steuern absetzen können. Die so erhöhte Kaufkraft der Wohnungssuchenden landet in der Kasse der Vermieterinnen.

„L’UEL et ses membres apprécient le ton résolument positif envers l’investissement immobilier.“ Und: „Die Fédération des Artisans und die Chambre des Métiers [...] begrüßen die auf ein Jahr ausgelegten steuerlichen Anreize, um die Investitionen in den Stein zu dynamisieren“ (1.2.24). Die Unternehmer fühlen sich bestätigt: Ihre Lobbyisten triumphierten nicht zu früh auf der Wahlparty vom 8. Oktober.

Romain Hilgert
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