Ohne dass es einen großen Geist gestört hätte, fand das statistische Amt des Wirtschaftsministeriums vergangenen Monat in seiner Konjunkturnote heraus, dass das Wirtschaftswachstum 2013 doppelt so hoch war, wie es noch im Juni geglaubt hatte. Vergangenes Jahr sei das Bruttoinlandsprodukt nicht, wie bisher angenommen, um 3,3 Prozent, sondern um 4,1 Prozent gewachsen. Solche Wachstums- und Fehlerquoten tragen vielleicht dazu bei, dass die jüngste Prognose, laut der im laufenden Jahr mit 3,2 Prozent statt der erhofften 3,7 Prozent Wachstum zu rechnen sei, nur mäßige Aufregung verursacht.
Die Unternehmer im weitgehend vom Export abhängigen produzierenden Gewerbe erklären sich weiterhin in Meinungsumfragen zuversichtlich, was die Geschäfte in diesem und im nächsten Jahr angeht, von der Finanzindustrie gar nicht zu reden. Wie könnten sie auch anders? Die Wachstumsraten erinnern an die Zeiten vor der Finanz- und Wirtschaftskrise, die Erdöl- und anderen Rohstoffpreise sowie die Transportpreise sind so niedrig wie seit Jahren oder Jahrzehnten nicht mehr, die Zinsen tendieren gegen null, der billige Euro fördert den Export, Inflation gibt es keine, die Europäische Zentralbank hat das Deflationarisiko abgewendet, Indexanpassungen werden seit Jahren aufgeschoben, mit Ausnahme des Gehälterabkommens im öffentlichen Dienst stagnieren die Löhne, sogar die Arbeitslosigkeit geht zurück...
Auch die Handelskammer meldete einen zumindest „vorsichtigen Optimismus“ und dass die Warnleuchten wenigstens „kurzfristig auf grün“ stehen, als sie diese Woche ihre „Wirtschaftsperspektiven für 2016“ vorstellte. Allerdings musste sie einräumen, dass die Unternehmen sich „vorsichtig zeigen, wenn es heißt, einzustellen und vor allem zu investieren“. Dass ihre Mitglieder trotz der guten Geschäftslage nicht so viel einstellen und investieren, wie man erwarten könnte, dafür gibt die Handelskammer unter anderem der Regierung die Schuld.
Denn wenn die Handelskammer ihre Wirtschaftsperspektiven vorstellte, dann war es wohl vor allem, um ihre Unzufriedenheit mit der Regierung auszudrücken. Zwei Jahre nach dem Regierungswechsel sind viele Unternehmer enttäuscht über die liberale Koalition, in die sie große Hoffnungen gesetzt und für die sie sich zum Teil persönlich engagiert hatten. Sie hatten von der für wirtschaftsfreundlich geltenden DP und dem ebenso liberalen Wirtschaftsminister all die Reformen des Arbeitsrechts, der Einwanderungspolitik, der Berufsausbildung, der Entbürokratisierung und der Besteuerung erwartet, zu denen die CSV/LSAP-Koalition nicht fähig war. Doch davon ist auch zwei Jahre nach Antritt der von DP, LSAP und Grünen noch nicht viel zu merken. Einige Steuererhöhungen oder die Trennung von Kirche und Staat waren sicher nicht der Beweggrund für die Unternehmer, liberal zu wählen.
Doch nun befürchten die Unternehmer, dass auch nicht mehr viel nachkommt. Denn laut dem Ergebnis des Referendums und der Meinungsumfragen ist die Regierung zu unpopulär, um den Mut zu bei vielen Wählern unpopulären Wirtschaftsreformen zu finden. Vielmehr ist sie geneigt, das hohe Wirtschaftswachstum und die stabilen Staatseinnahmen zu nutzen, um sich – etwa mit der angekündigten Steuerreform – wieder in die Herzen der Wähler einzukaufen. Wenn die Unternehmer noch einmal zum Jahresende ihre Forderungen anmelden, dann nicht nur, um Gegendruck zu der vom OGBL begonnenen Mobilisierungskampagne aufzubauen. Sie fürchten auch, dass die Zeit knapp wird, bis in einem Jahr der Dauerwahlkampf bis zum Ende der Legislaturperiode beginnt – und dass die Regierung angesichts der guten Konjunktur keinen Handlungsbedarf mehr erkennen könnte.