Die heutigen Gaspreise deuten strukturell auf eine Erhöhung hin, sagt der CEO von Enovos Luxemburg

Der volatile Markt

d'Lëtzebuerger Land du 08.03.2024

Am Montag trafen sich in Brüssel die Energieminister der EU. Und einigten sich darauf, dass die Mitgliedstaaten auch weiterhin ihren Gasverbrauch mindestens 15 Prozent unter dem Durchschnitt des Zeitraums 1. April 2017 bis 31. März 2022 halten sollten. Mit „weiterhin“ ist der 31. März 2025 gemeint.

Man könnte das für übertrieben halten. Am niederländischen Terminmarkt TTF, der als Referenz für den Gas-Großhandel in Europa gilt, lag Mitte dieser Woche der Preis für eine Megawattstunde Gas bei rund 26 Euro für Bestellungen über einen bis zwei Monate im Voraus. Das ist seit November so, und nicht viel mehr als im Juli. Selbst in Deutschland, wo seit dem Wegfall billigen Gases aus Russland die Sensibilität besonders hoch ist, wurde vor vier Wochen von „Entspannung am Gasmarkt“ gesprochen und diskutiert, ob so viele Terminals zum Import von LNG-Flüssiggas neu zu bauen, wie geplant, tatsächlich nötig ist.

Wie der Generaldirektor von Enovos Luxemburg, Erik von Scholz, die Sache sieht, müsse man allerdings unterscheiden, ob Gas physisch knapp werden könnte oder teurer im Handel. „Ich halte Knappheit weniger in physischer Hinsicht für möglich als im Preis“, sagt von Scholz dem Land. Die in Europa neugeschaffene Infrastruktur bringt LNG ins System. Die 2022 in Kraft getretene Verpflichtung, die Gasspeicher bis zum Beginn der Wintersaison stets auf mindestens 90 Prozent Füllstand zu bringen, wirkt. EU-weit sind die Speicher gegenwärtig immer noch zu 65 Prozent gefüllt, in Frankreich, Belgien, Deutschland und den Niederlanden beträgt der Füllstand 60 Prozent. Gas gespart wird auch. In Luxemburg beispielsweise lag der Verbrauch Ende Februar kumuliert 25,7 Prozent unter dem der Referenzperiode, mit der das EU-Ziel von 15 Prozent aufgestellt wurde.

Trotzdem deuten für Erik von Scholz „die Gaspreise, wie sie heute sind, strukturell auf eine Erhöhung hin“. Die Nachfrage nach Gas sei zurzeit „relativ niedrig“ wegen der allgemeinen Wirtschaftslage. Hinzu komme, dass der zu Ende gehende Winter milder war als der Temperatur-Durchschnitt in den Wintermonaten der fünf Jahre vorher. „Zieht die Wirtschaft wieder an, steigt der Preis. Werden die nächsten Winter wieder so, wie in den vergangenen fünf Jahren, steigt er auch.“ Gebe es keine disruptiven Ereignisse, werde in den nächsten Monaten bei den Preisen nicht viel passieren, vielleicht aber danach.

Der Wegfall des billigen Gases aus Russland und der gewachsene Anteil an importiertem LNG hat den europäischen Gashandel stärker von globalen Entwicklungen abhängig gemacht. Im Januar lag der LNG-Anteil an den Gas-Importen in die EU bei rund 37 Prozent, der von Erdgas aus Norwegen bei etwa 50 Prozent. Händler, die an den Terminbörsen auftreten, preisen da auch die Wahrscheinlichkeit ein, dass eine steigende Nachfrage in Asien die Konkurrenz um LNG anheizt. Nimmt die Wirtschaftsaktivität in China wieder zu, könnte es dazu kommen. Was im Nahen Osten geschieht, wirkt sich ebenfalls aus: Der Krieg im Gazastreifen ließ den Börsen-Gaspreis im Oktober auf 50 Euro die Megawattstunde steigen. Aber nur kurzzeitig, im November nahm er wieder auf 25 Euro ab.

Nach Erik von Scholz’ Ansicht ist „die Unsicherheit der Marktteilnehmer deutlich niedriger als 2022 nach Russlands Überfall der Ukraine“. Anfang dieses Jahres wurden sie auch angesichts der Diskussionen in den USA um LNG-Exporte nicht nervös: Ende Januar entschied die US-Regierung, zu den schon bestehenden Exporten dürfe es neue nur in Länder geben, mit denen die Vereinigten Staaten ein Freihandels-Abkommen haben. Für alle anderen – und damit auch für die EU – wurden neue Exporte vorläufig untersagt. Allerdings ließ die US-Regierung durchblicken, das gelte für neun Monate, in denen geprüft werde, welche Auswirkungen die Exporte auf die US-Wirtschaft haben. Die Händler an Europas-Gasdrehscheiben verstanden, dass Joe Biden bis zu den Wahlen seiner Partei nahestehende Umweltschützer beruhigen will, die Gas lieber daheim behalten möchten, damit keine neuen Standorte zur Schiefergasgewinnung erschlossen werden. Die US-Gasindustrie exportiert gern nach Europa, weil das mehr Geld bringt. Was nach den Wahlen sein wird, wird sich zeigen. Falls Donald Trump gewinnt, dürften Bremsen für den LNG-Export fallen. Also blieben die Preise im europäischen Großhandel, wo sie waren.

Peter Feist
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