Nachdem das Parlament am Dienstag mit 51 gegen drei Stimmen der ADR die Europäische Richtlinie ratifiziert hat, laut der die Mehrwertsteuer auf dem elektronischen Handel künftig im Land der Kunden erhoben wird, soll der Staat nächstes Jahr eine halbe Milliarde Euro auf anderem Weg einnehmen. Rund 300 Millionen Euro sollen über eine zweiprozentige Mehrwertsteuererhöhung eingebracht werden, die nach allerlei Hin und Her um das rechte Datum nun am 1. Januar 2015 in Kraft treten soll. Die restlichen 200 Millionen sollen nächstes Jahr durch Einsparungen zusammengebracht werden.
Das Finanzministerium verschickte in den vergangenen Tagen seine Circulaire aux départements ministériels, sein jährliches Rundschreiben an alle Ministerien, Verwaltungen, öffentlichen Einrichtungen und Staatsdienste mit getrennter Buchführung. Darin erteilt es ihnen Anweisungen, wie der Staatshaushalt für nächstes Jahr aufgestellt werden soll, wie sie Mittel beantragen und vor allem, wie sie sparen sollen.
Für nächstes Jahr ist eine Ausgabensteigerung von Staat, Gemeinden und Sozialversicherung um 1,2 Milliarden Euro oder 5,6 Prozent vorgesehen, gegenüber 3,7 Prozent in diesem Jahr und bei einer Inflation von 2,7 Prozent. Weil dies auf den ersten Blick nicht gerade nach der für 2015 angekündigten verstärkten Sparanstrengung aussieht, rechnet das Finanzministerium vor, dass die regulären Ausgaben eigentlich nur um 4,5 Prozent zunähmen. Der Rest seien außerordentliche Ausgaben und das Gehälterabkommen beim Staat (40 Millionen Euro).
„Compte tenu de l’incidence budgétaire des mesures qui ont été annoncées par le Gouvernement au niveau de l’adaptation des taux de la TVA et qui ont été évaluées à un montant de quelque 350 millions/an, en régime de croisière, des adaptations supplémentaires pour un montant total de quelque 700 millions devraient dès lors encore être mises en vigueur au cours de la période 2015-2018“, heißt es im Haushaltsrundschreiben. Bei der Verabschiedung des aktualisierten Stabilitätsprogramms Ende April entschied die Regierung, in welchen Schritten gespart werden soll, um am Ende der Legislaturperiode zusätzlich zur Mehrwertsteuererhöhung auf 700 Millionen Einsparungen zu kommen und so einen ausgeglichen Haushalt vorzuweisen:
In seiner Ansprache zum Haushalt für 2014 hatte Finanzminister Pierre Gramegna (DP) festgestellt: „Man kann kurzfristig hauptsächlich bei den Betriebskosten und den Investitionen handeln.“ Deshalb hatte die Regierung angekündigt, 2014 die laufenden Betriebskosten – die Ausgaben für Reisen und Unterkunft, Büros, den Unterhalt von Gebäuden, Mieten, Experten und Studien – um zehn Prozent gegenüber 2013 zu senken. Am Ende gelang es ihr aber bloß, diese Kosten um 8,5 Prozent oder rund 50 Millionen Euro zu senken.
Wohl deshalb heißt es nun im Haushaltsrundschreiben für 2015: „Afin de pouvoir dégager un maximum de ressources pour la concrétisation des objectifs budgétaires du Gouvernement, il est primordial qu’au niveau de toutes les entités de l’Administration centrale le montant total des dépenses de consommation ne dépasse pas – à moins de circonstances exceptionnelles – le montant, à prix constant, de l’exercice 2014.“ Zur Berechnung der konstanten Preise gibt die Regierung in den technischen Anweisungen zum Rundschreiben für 2015 einen Deflator von 2,5 Prozent bei den Konsumausgaben der öffentlichen Hand vor.
Die Betriebskosten sollen also nicht mehr weiter gesenkt, sondern lediglich auf dem Niveau des Vorjahres eingefroren werden. Die Erfahrung von 2014 lehrte wohl, dass die staatlichen Betriebskosten nicht endlos gesenkt werden können, ohne das Funktionieren der Verwaltungen zu beeinträchtigen: Wenn ihre Kugelschreiber leer sind, brauchen die Beamte neue, um arbeiten zu können.
Unter dem Strich sollen die Konsumausgaben der öffentlichen Hand sogar um rund 100 Millionen oder 5,6 Prozent steigen. Die Gehälterkosten sollen um 4,5 Prozent zunehmen, wobei sich der Anstieg aus 2,3 Prozent Indexanpassung, 1,2 Prozent statt bisher 1,7 Prozent Beförderungen, 1,3 Prozent Gehaltserhöhung nach dem Gehälterabkommen abzüglich 0,5 Prozent niedrigere Anfangsgehälter zusammensetzt. Um die Gehältermasse zu senken, werden alle Ministerien aufgerufen, bis nächsten Monat eine Liste der Beamten einzureichen, die 2015 in den Ruhestand treten und nicht ersetzt werden sollen.
Bei den Investitionen soll nicht unbedingt gespart werden, denn sie sollen von 1,5 auf 1,8 Millionen Euro um stattliche 21,4 Prozent steigen. Zu den zusätzlichen Investitionen gehören Ausgaben für die Bettemburger Multimodal-Plattform (60,3 Millionen Euro), den Bahnhof an der Roten Brücke (14,1 Millionen Euro) und Infrastrukturarbeiten für die Straßenbahn in der Hauptstadt (48,9 Millionen Euro), das gerade vom Parlament bewilligte neue Funknetz der Sicherheits- und Rettungsdienste (16,3 Millionen Euro) sowie für das nachhaltige Wohnen (35,4 Millionen Euro).
Bleiben die Sozialleistungen, die in den Ausgaben der Regierung den größten Ausgaben- und damit auch den größten potenziellen Einsparungsposten darstellen. Nach ersten viel kritisierten Vorstößen der Familienministerin und dem breiten Widerstand gegen die Kürzung der Studienbeihilfen hält die Regierung sich inzwischen vorsichtig bedeckt, wie sie insbesondere die Familienzulagen selektiver gewähren will. Doch will sie möglicherweise bei der Vorbereitung des Haushaltsentwurfs Ende Juli erste Entscheidungen treffen.
Anders als Kürzungen bei den Betriebskosten und Investitionen verlangt die Kürzung von Sozialausgaben aber meist Gesetzesänderungen und ist deshalb politisch riskanter. Deshalb weist das Haushaltsrundschreiben auf das Sparpotenzial bei einer nicht gesetzlich geregelten „multitude de subventions à caractère conventionnel, dont le nombre et le montant tendent à augmenter sans cesse“. Die „transferts de revenus à destination d’associations conventionnées devront être soumis à une analyse détaillée en vue de dégager des pistes de rationalisation et d’optimisation des moyens financiers existants“. Ein Vorbild könnte das Kulturministerium sein, das alle Konventionen aufkündigen und neu aushandeln will. Zuerst aber sollen die Zuschüsse an die Vereine im Sozialbereich „être plafonnée à prix constants au niveau atteint en 2014“. Damit sollen die Sozialausgaben nächstes Jahr mit 400 Millionen Euro absolut am meisten und mit 3,7 Prozent relativ am geringsten zunehmen.
Geplant ist aber auch bei der Bezuschussung der Betriebe eine „attribution plus sélective des aides à l’investissement qui sont versées par les différentes entités de l’Administration centrale et à proposer dans le cadre de la procédure budgétaire des aménagements aux régimes existants, de manière à supprimer les subventions ou les parties de subventions qui ne répondent pas ou plus aux finalités des différents régimes d’aides“.
Derzeit sollen die Sparvorschläge in vom Finanzminister eingesetzten Arbeitsgruppen vorbereitet werden, die von privaten Unternehmensberatern unterstützt werden: „En particulier pour réaliser les ajustements nécessaires de 700 millions d’ici 2018, une vingtaine de groupes de travail ont été constitués avec la mission de proposer des mesures qui permettront de réaliser des économies par rapport au ‚scénario à politique inchangée‘, au vu de rétablir l’équilibre de l’Administration publique à la fin de la présente législature.“
Zu diesem Zweck sollen im Laufe dieses Jahres parallel zur Haushaltsprozedur alle Ausgaben auf ihren Nutzen überprüft und zusätzliches Sparpotenzial ausgemacht werden. Außerdem soll die Zahl der Haushaltsposten verringert werden, indem, wie verschiedentlich in den vergangenen Jahren schon, kleinere Haushaltsposten zusammengelegt werden, so dass die Verwaltungen flexibler über größere Pauschalbeträge verfügen können, die sie nach Gutdünken zuteilen sollen. Von den Verwaltungen werden zudem erstmals mehrjährige Haushaltspläne verlangt; der erste soll die Zeitspanne von 2014 bis 2018, also das Ende der Legislaturperiode umfassen und in jedem Herbst aktualisiert werden.
Statt dass der Staat nächstes Jahr bei unveränderter Politik ein Defizit von 1 567 Millionen aufweist, soll das Defizit um 512 Millionen auf 1 055 Millionen Euro verringert werden. Während der Überschuss der Sozialversicherung fast unverändert bleiben soll, geht die Regierung aber auch davon aus, dass die Gemeinden 35 Millionen zusätzlich einsparen können, um 109 Millionen statt 74 Millionen Euro Überschuss zu erwirtschaften. Wie sie sich dabei anlegen will, ist aber nicht nicht ganz klar. „Il est dès lors primordial que les directives de politique budgétaire du Gouvernement soient également respectées par les collectivités locales et par les administrations de sécurité sociale,“ heißt es in dem Haushaltsrundschreiben. Um Gemeinden und Sozialversicherung nach europäischem Vorbild mit einem „pacte de stabilité interne“ zu disziplinieren, soll das Innenministerium den Gemeinden und das Ministerium für soziale Sicherheit der Sozialversicherung gesonderte Haushaltsrichtlinien vorgeben.